Braunschweig. Carsten Gebhardt hatte Darmkrebs. Sein Dickdarm wurde entfernt.

Dick- und Dünndarm

An seinem 34. Geburtstag feierte Carsten Gebhardt ein bedeutungsvolles Fest. 34 Jahre, noch am Leben, offenbar bei bester Gesundheit, nicht mit 33 gestorben wie seine Mutter. Darmkrebs hatte sie, Gebhardt verlor sie als Elfjähriger, und nach diesem Schicksalsschlag hatte er sich geschworen: Wenn ich älter werde als meine Mutter, dann mache ich eine Sause. Die Feier war ausgelassen und Gebhardt voller Zuversicht. Zu diesem Zeitpunkt ahnte er nicht, dass auch er an Darmkrebs erkranken würde, bereits fünf Jahre später bekam er die erschütternde Diagnose. Erblich bedingter Krebs, der Dickdarm voller Polypen und Karzinome, in einer langwierigen OP musste dieser komplett entfernt werden.

„Die Diagnose riss mir damals den Boden unter den Füßen weg“, sagt der 43-Jährige heute. Vorwürfe, die Vorsorgeuntersuchungen nur zum Teil wahrgenommen zu haben, und Bilder seiner leidenden Mutter quälten ihn. Doch auch Hoffnung machte sich breit: Die Ärzte seien zuversichtlich, dem Krebs durch die OP den Garaus gemacht zu haben, und das Stoma könne ein halbes Jahr danach rückverlegt werden. Stoma – dieser künstliche Darmausgang, der die Ausscheidungen in einen Beutel leitet, da Stuhl und Urin nicht mehr auf natürlichem Wege ausgeführt werden können. Das Loch in der Bauchwand mit dem Beutel war für Carsten Gebhardt zwar gewöhnungsbedürftig, aber kein allzu großes Problem. „Ich wusste ja, dass ich ihn bald loswerden und dann wieder normal zur Toilette gehen würde.“ Doch die Rückverlegung entpuppte sich als Problem. Der Braunschweiger konnte anschließend kein Essen bei sich behalten, permanente Krämpfe quälten ihn – fünf Tage später musste das Stoma wieder angelegt werden. „Die Tage waren die Hölle. Ich wollte nur noch mein Leben zurück, das Stoma war für mich quasi Lebensretter.“

Seitdem lebt der 43-Jährige mit Hautschutzring, Basisplatte und Beutel am Bauch. Nach vier Tagen wird alles ausgetauscht, der Beutel jeden Tag gewechselt, bis zu zehn Minuten nimmt das in Anspruch. Zehn Minuten für ein einigermaßen normales Leben. Einige Einschränkungen gibt es, etwa bei der Ernährung. Eine Pilzpfanne kann er nicht mehr hemmungslos essen, dann bekommt er Verdauungsprobleme. Zu schwer heben darf er ebenfalls nicht mehr. Ansonsten: Duschen geht, Rad fahren auch, sogar Schwimmen ist möglich. Dann mit Gurt um den Bauch.

Ein Problem ist die Arbeit. Den Job als Glas- und Gebäudereiniger kann er wegen des Hebens nicht mehr ausüben, und so muss er sich gelegentlich Bewerbungsgesprächen stellen. Eine echte Hürde: „Ich muss mich immer wegen meines Stomas rechtfertigen, ich hasse das. Das ist diskriminierend.“ Ein Jobangebot gab es bisher keines, aktuell leben er und seine Frau vom Arbeitslosengeld. Das Stoma ist laut Gebhardt noch immer ein Tabuthema in der Gesellschaft. Selbst sein ehemals bester Freund hat sich nach Bekanntwerden der Erkrankung von ihm abgewandt. Damit diese aus der „Ekelecke“ herauskommt, und um anderen Betroffenen Halt zu geben, hat Gebhardt eine Selbsthilfegruppe gegründet. Weil er Gleichgesinnten zeigen möchte, dass das Leben mit Stoma zwar Einschränkungen mit sich bringt, aber dennoch lebenswert ist.

Ein Kurzinterview mit einem Chefarzt über Darmspiegelung lesen Sie hier.