Braunschweig. Die Technik der „erweiterten Realität“ ermöglicht Nutzern das Abtauchen in virtuelle Welten.

Neue Medien sind aus dem Alltag der Nutzer nicht mehr wegzudenken. Damit sich ihre Produkte von der Masse abheben, kommen Anbieter immer wieder mit neuen Entwicklungen auf den Markt. Ein Beispiel ist „Augmented Reality“ (AR), die „erweiterte Realität“.

„Es besteht die Gefahr, dass Google Glass 2.0 die zukünftige Welt zu einer virtuellen macht“
„Es besteht die Gefahr, dass Google Glass 2.0 die zukünftige Welt zu einer virtuellen macht“ © Marcus Magnor, von der TU Braunschweig, über technischen Fortschritt.

„Grundlage der Technologie ist die virtuelle Realität. In Computerspielen sorgt sie dafür, dass auf dem Bildschirm rein synthetische Welten entstehen. Erweiterte Realität ist allerdings erst gegeben, wenn ein Bild auf dem Schirm in Echtzeit durch Zusatzinhalte ergänzt wird“, verrät Professor Marcus Magnor, Leiter des Instituts für Computergrafik an der TU Braunschweig.

Angefangen mit der britischen BBC, bedienen sich inzwischen auch nahezu alle deutschen Fernsehsender dieser Technik. „Sehr gut zu beobachten ist das im Sportprogramm. Im Fußball ist es die eingefügte Abseitslinie, bei der Ski-Abfahrt die Ideallinie für den Streckenabschnitt, die das Fernsehbild in Echtzeit digital überlagert“, führt der Computerexperte aus. Allerdings sei diese Form der AR „technologisch noch sehr dezent“.

Der Blick durch digitale Fernrohre

bietet Wissenswertes

Weiter trieben es Entwickler bei einem Projekt mit digitalen Fernrohren: Sie lieferten verblüfften Touristen beim Blick durchs Objektiv allerhand Wissenswertes über die anvisierte Umgebung.

Konzernriese Google ist ebenfalls an der massentauglichen Umsetzung der Technologie interessiert. Mit Google Glass, einer transparenten digitalen Daten-Brille, ausgerüstet mit Mini-Bildschirm fürs Auge und Digitalkamera am Rahmen, wagt der Branchenprimus nun den Vorstoß auf dem amerikanischen Markt. Auf dem kleinen Display am rechten Rand des Blickfeldes sieht der Nutzer begleitende Informationen zu dem, was die Kamera am Brillengestell aufzeichnet.

Technisch ist das zwar noch nicht perfekt gelöst: Man muss den Blick immer nach rechts abwenden, um die zusätzlichen Details auf dem Bildschirm verfolgen zu können. Dennoch ist Googles optimierte Sehhilfe für Professor Magnor „die zukunftsträchtigste aller Entwicklungen“.

Auch an der TU Braunschweig laufen Projekte, um die Technik weiter voranzutreiben. Das Team arbeitet mit der Google-Brille und Oculus Rift, einem speziellen Headset für Computerspieler. „Es ist ein heißes Thema und wir sind dabei, das ist gut. Man muss immer sehen, welche Möglichkeiten gegeben sind. Bei Google sind sie nahezu grenzenlos“, erläutert der Institutsleiter.

Auch die Modebranche setzt zunehmend auf die vielfältigen Möglichkeiten der AR. Magnor nennt ein Beispiel: Vor einem Virtual Mirror (virtuellen Spiegel) stehend, kann man verschiedene Kleidungsstücke auswählen, die mir auf dem Spiegel-Display präsentiert werden. Die Kleidung wird dann an das Abbild meiner Person angepasst. „Das ist für Shopping-Begeisterte natürlich besonders interessant. Speziell der Online-Versandhandel dürfte diese Errungenschaft sehr begrüßen.“

Auch bei Autobauern ist die Technik längst angekommen. In der industriellen Fertigung bedienen sie sich der AR, um Produktion, Wartung und Instandhaltung zu optimieren. In den Fahrzeugen selbst dient die Technologie dazu, die üblichen Armaturen durch eine transparente Digitalanzeige auf der Windschutzscheibe zu ersetzten.

Auch die Kommunikationsdienste profitieren von den neuen Entwicklungen. Für Skype etwa könne sich Magnor künftig eine integrierte „Make-up-Funktion“ vorstellen, die das Alter Ego „in der Videokonferenz auf Wunsch möglichst gut aussehen lässt“.

Auch ein zweites Szenario wäre denkbar, in dem die Leute mit optimierten Google-Brillen auf der Nase durch die Stadt flanieren, so der Experte.

Der Mensch nimmt eine manipulierte Umwelt wahr

AUGMENTED REALITY

Der Begriff bedeutet „erweiterte Realität“ und bezeichnet digitale Aufzeichnungen, die in Echtzeit mit weiteren Inhalten überlagert werden.

Den Ursprung hat die Technik in der Flugzeugindustrie.

Um die „erweiterte Realität“ umzusetzen, bedarf es der technischen Darstellungsmöglichkeiten, exakter Lagebestimmung (Tracking) und der Interaktion durch den Menschen.