Helmstedt. Serie: 50 Jahre Frauenfußball – Teil 1: Längst hat sich Frauenfußball in Deutschland etabliert. Er musste aber lange um diesen Status kämpfen.

Der 31. Oktober 1970, er war ein historischer Tag für den Sport – und zugleich der Anfang einer echten Erfolgsgeschichte. Denn damals hob der Deutsche Fußball-Bund (DFB) auf seinem Verbandstag in Travemünde das 1955 in Kraft getretene Verbot für Frauenfußball auf.

Mit einigen Auflagen: Stollenschuhe waren verboten, eine halbjährige Winterpause war einzuhalten. Es wurde mit Jugendbällen gespielt, und die Spieldauer durfte nicht länger als 70 Minuten sein. „Absichtliches Handspiel zur Vermeidung schmerzhafter Begegnungen mit dem Ball“ war den Spielerinnen laut Regeln erlaubt.

„Fußball ist keine Sportart, die für Frauen geeignet ist, schon deshalb, weil er ein Kampfsport ist“: Dieser Ausspruch stammt von Ex-Bundestrainer Sepp Herberger, der die deutsche Männer-Nationalmannschaft 1954 zum ersten Weltmeister-Titel führte. Eine Meinung, mit der Herberger zu jener Zeit nicht alleine dastand. „Fußball ist kein Frauensport. Wir werden uns mit dieser Angelegenheit nie ernsthaft beschäftigen“, kündigte etwa Dr. Peco Bauwens, DFB-Präsident im Zeitraum von 1950 bis 1962, an.

„Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden, und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand“: So begründete der DFB damals das Verbot des Frauenfußballs – und rückte erst 1970 davon ab, als die Frauen kurz davor waren, einen eigenen Verband zu gründen.

Abseits des Verbandes

Denn Fußball gespielt haben die Frauen in Deutschland schon vor dieser Zeit – allerdings abseits des DFB. Zwischen 40.000 und 60.000 Fußballerinnen soll es Ende der 1960er Jahre Schätzungen zufolge gegeben haben, und das erste inoffizielle Länderspiel wurde bereits 1956 in Essen ausgetragen. Deutschland gewann den „Klassiker“ gegen die Niederlande mit 2:1.

In anderen europäischen Ländern war der Frauenfußball schon in den 1920er Jahren äußerst populär. So hatte in England praktisch jede Stadt ihre eigene Frauenmannschaft. Und 1920 stieg das Spitzenspiel zwischen den Dick Kerr’s Ladies und den St. Helens Ladies in Everton vor 53.000 zahlenden Zuschauern.

Kein Wunder also, dass Deutschland in puncto Frauenfußball lange Zeit als echtes „Entwicklungsland“ galt. Hier wurde 1971 der erste Verbandsmeister ermittelt und zehn Jahre später der erste DFB-Pokalsieger gekürt – der hieß übrigens SSG Bergisch-Gladbach. Die Rheinländerinnen, die im selben Jahr und 1984 den Weltpokal gewannen, waren ohnehin die dominierende Mannschaft in Deutschland und sind mit neun deutschen Meistertiteln noch heute Rekordmeister.

Die SSG Bergisch-Gladbach stellte – nahezu selbstverständlich – auch das Gros der Nationalspielerinnen, als am 10. November 1982 das erste offizielle Länderspiel der deutschen Frauen-Nationalmannschaft ausgetragen wurde. Vor rund 5000 Zuschauern wurde damals in Koblenz die Schweiz mit 5:1 (1:0) bezwungen. Eingewechselt wurde dabei nicht nur die aus Rottorf/Klei stammende Christel Klinzmann, die seinerzeit beim VfR Eintracht Wolfsburg spielte, sondern auch eine gewisse Silvia Neid.

Bei allen EM-Titeln dabei

Die heute 55-Jährige zählt zweifelsohne zu den Personen, deren Namen untrennbar mit der Erfolgsgeschichte des deutschen Frauenfußballs verbunden sind. Neid war als Spielerin (1982 bis 1996), Co-Trainerin (1996 bis 2005) sowie Bundestrainerin (von 2005 bis 2016) an allen acht EM-Titeln beteiligt, die Deutschlands Frauen bisher gewonnen haben. 2003 und 2007 wurde Deutschland Weltmeister, 2016 feierte die DFB-Auswahl den Gewinn der olympischen Goldmedaille in Rio de Janeiro.

Unvergessen bleibt auch Silvia Neids süffisanter Ausspruch: „Viele Männer waren nur gekommen, um den Trikot-Tausch nach dem Spiel zu sehen. So ein Schwachsinn!“

Ein Meilenstein in der Entwicklung des deutschen Frauenfußballs war zweifelsohne die Europameisterschaft 1989, für die sich die Adlerträgerinnen erstmals überhaupt qualifiziert hatten – und ihre Premiere vor heimischer Kulisse gleich mit dem Titelgewinn krönten. Kein Witz: Als Siegprämie für diesen ersten Titelgewinn erhielt jede Nationalspielerin ein Kaffeeservice. Zudem war das Halbfinalspiel gegen Italien die erste Partie der Nationalelf, die live im deutschen Fernsehen übertragen wurde.

Nach dem ersten EM-Triumph wurde auf dem DFB-Bundestag in Trier die Einführung einer zweigleisigen Bundesliga zur Saison 1990/1991 beschlossen. Und damit fingen die deutschen Fußballerinnen auch an, ihre Erfolgsgeschichten auf Vereinsebene weiterzuschreiben. Waren es zunächst der 1. FFC Frankfurt, Turbine Potsdam und der FCR Duisburg, die mit den Titelgewinnen im UEFA Women’s Cup international für Furore sorgten, trat später der VfL Wolfsburg in diese Fußstapfen und gewann 2012/2013 und im Jahr darauf die Champions League.

Aus dem Spätstarter Deutschland war ein Schwergewicht geworden. Und das, obwohl die anfängliche Skepsis seitens der Verbände nur allmählich kleiner geworden war. So hatte der DFB beispielsweise noch 1986 Trikotwerbung im deutschen Frauenfußball verboten – mit folgendem Wortlaut: „Aufgrund der Verzerrungen durch die Anatomie kamen wir zu dem Entschluss, dass durch Werbung im Brustbereich der Trikots keine neuen Einnahmequellen für den Damenfußball liquiiert werden können.“

Längst die gleichen Regeln

Inzwischen kann „frau“ darüber nur noch schmunzeln. Denn mittlerweile gehört dieses Verbot natürlich längst der Vergangenheit an. Und auch ansonsten hat der Frauenfußball seinen festen Platz in der einstigen Männerdomäne gefunden: mit den gleichen Regeln, den gleichen Bällen und der gleichen Spielzeit von 2 x 45 Minuten...