Braunschweig. Corona veränderte auch das Sportjahr 2021. Dänemarks Christian Eriksen und Münchens Joshua Kimmich bestimmen dieses Jahr Bild und Schlagzeilen.

Christian Eriksen trainiert wieder. Das ist normalerweise nicht einmal eine kleine Meldung wert, aber in dem Fall eine fantastische Entwicklung. Der 29 Jahre alte Däne war am 12. Juni während des Fußball-Europameisterschaftsspiels seiner Auswahl gegen Finnland zusammengebrochen. Ein Herzstillstand warf den Ehemann, Vater von zwei Kindern und Mittelfeldspieler zu Boden. Es waren bange Minuten, in denen die Sanitäter und Ärzte um das Leben Eriksens kämpften – vor den Augen der Weltöffentlichkeit.

Überlebenskämpfer Eriksen- Rückblick auf das Sportjahr 2021 - Teil 2

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    Sie hatten Erfolg. Eriksen überlebte, erholte sich ein halbes Jahr und trainiert nun wieder mit einem eingesetzten Defibrillator bei seinem Heimatverein Odense BK. Ganz locker. Aber: Er will irgendwann wieder als Profi spielen, ließ Eriksen verlauten.

    Marvin Schumann erlebte das Drama um den Dänen im Sommer natürlich ebenfalls mit und wurde dabei unweigerlich an seine eigene, nicht minder aufregende Geschichte erinnert. Dem 32 Jahre alten Spieler des MTV Wasbüttel II war im September 2020 etwas ganz Ähnliches passiert.

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    Während des Aufwärmens vor der Kreisklassen-Partie gegen den den 1. FC Wedelheine reagierte Schumann plötzlich nicht mehr auf die Worte seines Mitspielers, kippte um und wachte erst zehn Tage später wieder auf – ebenfalls eine Herzproblematik. „Es fehlt alles. Zehn Tage später bin ich aus dem Koma aufgewacht und kenne nur die Erzählungen derjenigen, die dabei waren“, erzählte Schumann unserer Zeitung im Sommer. „Es hätte auch ganz anders ausgehen können.“

    Die Szene schafft dem Harzgesundheit eine breite Aufmerksamkeit

    Im Dezember 2021 geht es Schumann schon besser als im Sommer dieses Jahres, berichtete er. Auch sein Ziel ist die Rückkehr auf den Fußballplatz. Aber das wird noch dauern bis zu einem finalen Happy End.

    Im Corona-Jahr 2021 blieben nicht die sportlichen Ereignisse in den Köpfen hängen, sondern gesundheitliche Themen bestimmten die Diskussionen, auch im Sport. Zur Erinnerung: Europameister wurde Italien im Elfmeterschießen gegen England. Die deutsche Mannschaft war bereits im Achtelfinale sang- und klanglos an den Engländern gescheitert. Es war die letzte Partie von Bundestrainer Joachim Löw. Vielleicht sind auch wegen des schwachen deutschen Abschneidens die prägenden Bilder dieses Turniers die, auf denen dänische Nationalspieler zu sehen sind, die sich sichtschützend vor ihren Mitspieler Eriksen stellen. In den dramatischen Momenten seiner Rettung.

    Immerhin verschaffte die Szene dem Thema Herzgesundheit eine breite Aufmerksamkeit. Der Herzstillstand stellt in Deutschland die dritthäufigste Todesursache, Zehntausende sterben jährlich daran. Und darunter sind längst nicht nur Ältere oder Schwächere zu finden, sondern auch Jüngere oder Fittere – oder solche, die sich dafür halten. Auf Fußballplätzen, in Handballhallen, auf Laufstrecken. Der Niedersächsische Fußball-Verband betitelt das Thema als ein sehr wichtiges. „Der NFV wirbt dafür, dass jeder von uns einfach mal wieder zu einem Erste-Hilfe-Kurs geht und dass sich in unseren Vereinen Mitglieder finden, die regelmäßig Notfallschulungen absolvieren. Eine verbindliche Vorgabe hierzu gibt es aber nicht und ist – Stand jetzt – auch nicht geplant“, wird auf Anfrage mitgeteilt.

    Der Wasbütteler Marvin Schumann erlitt auf dem Fußballplatz einen Herzstillstand und musste reanimiert werden
    Der Wasbütteler Marvin Schumann erlitt auf dem Fußballplatz einen Herzstillstand und musste reanimiert werden © Schumann | Schumann / privat

    Sieben Minuten bis Notretter bei Schumann eintreffen

    Ausgerechnet die Dänen sind bei Reanimationen durch Laien schon einen Schritt weiter. Da wurde der plötzliche Herzstillstand vor Jahren zum Gegenstand einer nationalen Kampagne gemacht. Die Dänen belegten Erste-Hilfe-Kurse, frischten ihr Wissen auf – und steigerten die Überlebensrate ums Dreifache.

    Der NFV erstellte gerade auf seiner Homepage eine Informationsseite mit Videos darüber, wie man eine Herzdruckmassage erfolgreich vornimmt. Der Verband will auch im Gemeinschaftsprojekt „Lebensretter sein“ mit dem Deutschen Fußball-Bund Kurse anbieten und Laien zeigen, wie man vor Ort reanimieren kann.

    Bei Eriksen waren die Mediziner direkt vor Ort zur Stelle. Bei Schumann dauerte es sieben Minuten, ehe die Retter eintrafen. Sieben Minuten, in denen alles am seidenen Faden hing. Und in denen seine Eltern telefonisch aus dem Urlaub in Kroatien zugeschaltet waren. Kaum vorstellbar, mit welcher Ungewissheit sie diese sieben Minuten erleben mussten. In beiden Fällen ist es gut ausgegangen.

    Joshua Kimmich und sein Impfzögern

    Ein weiteres gesundheitliches Thema überlagerte das sportliche Geschehen des letzten Jahresabschnitts über Wochen: Joshua Kimmich und sein Impfzögern.

    Eine kurze Chronik: Anfang November hatte die „Bild“ aufgedeckt, dass der Nationalspieler noch ungeimpft ist. Er selbst bestätigte das unmittelbar danach und begründete seine Entscheidung mit Unsicherheit und Angst wegen möglicher Spätfolgen. Danach musste Kimmich erst in Quarantäne, infizierte sich anschließend mit dem Virus – und trug Schäden davon.

    Als wäre das nicht genug, wurde auf dem Rücken des Bayern-Fußballers plötzlich eine gesamtgesellschaftliche Diskussion geführt, die ihn die Deutungshoheit über seine eigene Person kostete. Der verantwortungslose Impfverweigerer war er für die Geimpften, der den Pieks verweigernde Posterboy für die Querdenker. Der Lagerkampf der Argumente wurde unter Kimmichs Namen ausgetragen. Auf den schmalen Schultern eines 26-Jährigen.

    Die Wahrheit liegt, wie so häufig, in der Mitte. Ängste sind oft irrational. So auch Kimmichs Angst vor den Spätfolgen einer Impfung, die, da ist sich die Spitze der Top-Wissenschaftler mittlerweile einig, auszuschließen sind.

    Seit Joshua Kimmichs Corona-Erkrankung kennt die Öffentlichkeit die Diagnose „Infiltration der Lunge“.
    Seit Joshua Kimmichs Corona-Erkrankung kennt die Öffentlichkeit die Diagnose „Infiltration der Lunge“. © dpa | Sven Hoppe

    Kimmich hat keinen symptomfreien Verlauf

    Kimmich selbst wertete seinen Irrtum später als Fehler, fand noch den Weg aus der argumentativen Sackgasse und will sich nun doch impfen lassen. Klar, dass die Querdenker-Bewegung darauf mit Abscheu reagierte: Die Gesellschaft, die Politik, „die da oben“, hätten den öffentlichen Druck so sehr erhöht, dass Kimmich zum Pieks gezwungen wurde. Ein leicht zu durchschauendes Argumentationsmanöver. Dabei traf der Fußballer die Entscheidung aus freien Stücken. Wenngleich dabei auch sein gesundheitlicher Zustand eine Rolle gespielt haben dürfte.

    Denn Kimmich hatte nicht das Glück, einen symptomfreien Verlauf zu erwischen. Anfang Dezember teilte der FC Bayern mit, dass der Nationalspieler Infiltrationen in der Lunge habe und daher noch länger ausfallen würde als zunächst geplant. Mediziner verstehen unter dem Begriff, dass die Bronchien oder die Lungenbläschen von dem Virus betroffen sind, aber die Einschränkungen der Lungenfunktion eher geringer ausfallen.

    Die Gefahren, die für Betroffene wie Kimmich dann bestehen, beschreibt Sportwissenschaftler Prof. Dr. Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln in der „Bild“ so: „Die Folge der Infiltration ist, dass das Lungenvolumen nicht mehr maximal zur Verfügung steht. Der Körper reagiert auf die Infiltration, also ist eine Entzündung zu erwarten. Das kann bei zu früher Belastung zu massiven Folgen führen – bis hin zur Entzündung des Herzmuskels.“

    Während die Impfung laut einhelliger Ansicht der Wissenschaft keine Spätfolgen verursacht, drohen diese bei infizierten Sportlern sehr wohl. Long Covid ist der unsichtbare Feind, der sich in die austrainierten Körper der Profis einnistet und im schlimmsten Fall dafür sorgen kann, dass sie nie wieder an ihr Leistungsvermögen aus der Zeit vor der Infektion herankommen. So etwas ist niemandem zu wünschen.

    Was bleibt hängen aus dem Sportjahr 2021 der Region?

    Eine abgestiegene Braunschweiger Eintracht, die sich in Liga 3 aber stabilisierte und Hoffnung bereitet, direkt wieder aufzusteigen – trotz des Rumorens rund um die Präsidentschaftswahl. Ein VfL Wolfsburg, der ein famoses erstes Halbjahr hinlegte, aber ein desaströses zweites folgen ließ. Ein junges und entwicklungsfähiges Basketball-Team aus der Löwenstadt. Wieder Geisterspiele in der Weihnachtszeit. Ein leider wieder an den meisten Stellen durch Corona unterbrochener Amateursportkalender.

    Die Pandemie bestimmt auch im Jahr 2021 das Sport-Geschehen maßgeblich mit. Die historischen Momente sind ausgeblieben. In Erinnerung bleibt vor allem der Däne Eriksen, der vor den Augen der Welt den wichtigsten Kampf seines Lebens gewinnt. Und heute wieder trainiert. Was für eine Nachricht.

    Die Europameisterschaft

    Aus Sicht der deutschen Fußball-Nationalmannschaft verlief die Europameisterschaft enttäuschend. Das Team von Bundestrainer Joachim Löw stolperte durch die Vorrunde. Erst gab es eine 0:1-Niederlage gegen Frankreich, dann ein furioses 4:2 gegen Portugal. Überragender Spieler des deutschen Teams: Robin Gosens. Der Auftritt entfachte ein wenig Euphorie, die durch das maue 2:2 gegen Ungarn wieder verging.

    Dennoch reichtendie durchschnittlichen Ergebnisse der Vorrunde für den Einzug ins Achtelfinale. Darin ging es in London in einem voll besetzten Wembley-Stadion gegen England. Die dicht an dicht stehenden Zuschauer sorgten für eine Atmosphäre, die an Vor-Corona-Zeiten erinnerte. Und sie trieb die Engländer an, während sie die Deutschen hemmte.

    Raheem Sterling (75. Minute) und Harry Kane (86.) schossen das DFB-Team aus dem Turnier. Es war der letzte Auftritt Löws als Bundestrainer.

    England zog sogar noch ins Finale ein, scheiterte darin aber auf dramatische Art und Weise an den Italienern, die im Elfmeterschießen kühlen Kopf bewahrten. Zum zweiten Mal nach 1968 holte Italien den Titel.