Wengen. Erstmals seit acht Jahren gibt es wieder einen neuen Sieger im Gesamtweltcup der Skirennfahrer. Nach dem Rücktritt von Marcel Hirscher gelten alte Gewissheiten nicht mehr, auch Speedfahrer haben wieder eine Chance. Für Deutschland gilt das aber nicht.

Der Gesamtweltcup der alpinen Skirennfahrer ist offen und spannend wie seit Jahren nicht mehr. Nach den drei Rennen in Wengen an diesem Wochenende ist Halbzeit.

Und die Norweger Aleksander Aamodt Kilde und Henrik Kristoffersen, der Franzose Alexis Pinturault oder Dominik Paris aus Südtirol können sich berechtigte Hoffnungen auf ein Foto mit der großen Kristallkugel am Saisonende machen. Denn der achtmaligen Champion Marcel Hirscher ist kein Konkurrent mehr. "Vor der Saison", sagte Kilde der österreichischen Nachrichtenagentur APA in Wengen, "habe ich nicht an den Gesamtweltcup gedacht. Aber ich weiß jetzt, dass alles offen ist, mehr als wenn Hirscher dabei wäre."

Im ersten Winter nach dem Rücktritt des Österreichers gewinnt jeder Punkt noch ein bisschen an Bedeutung im Vergleich zu den vergangenen Jahren. Alte Gewissheiten schwinden. Speedfahrer wie Kilde oder Paris haben nach der Dominanz des Technikers Hirscher wieder eine Chance. Und Österreich droht erstmals seit 1992 wieder den Sieg in der Nationenwertung aller Länder zu verpassen. Die Schweiz (2314 Punkte), Norwegen (2247) und Frankreich (2159) liegen derzeit vor Rot-Weiß-Rot (1806).

Auf einen Gesamtsieger aus Deutschland (Nationenwertung Rang sieben mit 726 Punkten) müssen die Ski-Fans aber trotz der sich verschiebenden Machtverhältnisse noch lange warten. Schuld daran ist auch die schwere Verletzung von Thomas Dreßen. "Wenn ihm das nicht passiert wäre, dann wäre er sicher einer gewesen, bei dem man das hätte andenken können", sagte der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier der Deutschen Presse-Agentur.

Seit dem Totalschaden im Knie des besten deutschen Abfahrers und der damit verbundenen Verletzungspause gibt es im Deutschen Skiverband keine Illusionen mehr. Denn Siegchancen in nur einer Disziplin wie bei Dreßen, bei dem mittelfristig sicher auch im Super-G Podestplätze dazukommen werden, reichen nicht für den Schritt nach ganz vorn. Und im Riesenslalom, in dem Dreßen als junger Mann noch gut ausgebildet worden ist, fehlen ihm durch die Pause viele Trainingstage, um auch im Weltcup irgendwann konkurrenzfähig zu sein.

Kilde dagegen hat es geschafft, neben Abfahrt und Super-G auch im Riesenslalom einen großen Schritt zu gehen. "Mit diesem Programm habe ich eine Chance", sagte er in Wengen vor der Kombination an diesem Freitag (10.30/14.00 Uhr) und der legendären Lauberhornabfahrt am Samstag (12.30 Uhr). Als Dritter der Gesamtwertung hinter seinem Landsmann Kristoffersen und Pinturault hat der 27 Jahre alte Norweger zwar nicht die beste Ausgangssituation, traute sich im Berner Oberland aber als einziger eine offensive Aussage zu: "Ja, ich habe eine Chance."

Um die zu wahren muss er in Wengen aber in beiden Speedrennen mindestens auf das Podest kommen. Denn die Techniker Kristoffersen und Pinturault, die in Wengen am Sonntag einen Slalom (10.15/13.15 Uhr) bestreiten und auch in der Kombination punkten können, haben im Rennkalender einen Vorteil. Sechs Abfahrten und fünf Super-G stehen zwar noch an, aber auch sechs Riesenslaloms und sieben Slaloms.

Für den deutschen Alpinchef ist deswegen Pinturault der größte Favorit. "Weil er am breitesten aufgestellt ist. Er ist in der Kombi gut und kann Slalom fahren. Kristoffersen ist nicht ganz so überlegen, wie es viele erwartet haben", sagte Maier.