Braunschweig. Bei Chris Froome wurde die erhöhte Dosis eines Asthmamittels festgestellt. Doping oder Medikament: Nicht nur der Toursieger steht unter Verdacht.

s ist eine Schocknachricht für den Radsport. Da hatte sich der Sport etwas berappelt, da holt ihn die Doping-Vergangenheit wieder ein. Der viermalige Tour-de-France-Sieger Chris Froome wurde während der Spanien-Rundfahrt („Vuelta“) im September positiv getestet. Bei ihm wurde eine erhöhte Dosis eines Asthammittels festgestellt, teilte der Weltverband UCI am Mittwoch mit. Die B-Probe bestätigte das Ergebnis.

Was wird Froome vorgeworfen?

Bei einer Urinprobe am 7. September wurde eine Konzentration von 2000 Nanogramm pro Milliliter Salbutamol nachgewiesen – ein gängiges Mittel gegen Asthma. Das Problem: Die Konzentration ist doppelt so hoch wie erlaubt. Mit einer medizinischen Ausnahmegenehmigung (TUE) sind 1000 Nanogramm gestattet. Eine solche hatte Froome nicht. Das Pikante: Am Tag vor der Urinprobe musste der 32-Jährige einen Rückschlag hinnehmen. Mit der erhöhten Konzentration im Körper schaffte er es, den Vorsprung auf seinen ärgsten Rivalen Vincenzo Nibali um 21 Sekunden auszubauen. Am 10. September gewann er damit das seltene Double aus Tour und Vuelta.

Wie lautet seine Verteidigung?

Froome leidet nach eigenen Angaben seit seiner Kindheit unter Asthma. In der Finalwoche der Spanien-Rundfahrt habe er akute Asthma-Symptome gehabt, teilte der Brite am Mittwoch mit. „Ich folgte dem Rat der Teamärzte, die Salbutamol-Dosis zu erhöhen. Wie immer habe ich mit größtmöglicher Sorgfalt darauf geachtet, dass die erlaubte Dosierung nicht überschritten wird.“ Und doch kam es zum positiven Testresultat. Sein Team Sky argumentiert, verschiedene Faktoren könnten die Konzentration erhöhen – beispielsweise Essen, andere Medikamente, Dehydration und der Zeitpunkt der Einnahme. Die UCI habe das Recht, die Ergebnisse zu prüfen, sagte Froome, „und zusammen mit dem Team werde ich alle Informationen, die sie benötigt, zur Verfügung stellen“.

Was droht Chris Froome?

Erst mal nichts. Zunächst laufen die Ermittlungen. „Das höchste Strafmaß liegt nach dem UCI-Reglement bei einer Sperre von vier Jahren. Das ist aber unwahrscheinlich, dazu müsste ein deutlicher Vorsatz feststehen“, sagt André Soldner, Sportrechts-Experte der Frankfurter Kanzlei Klinkert, dieser Redaktion. „Bei Fällen mit ähnlicher Menge Salbutamol wurden Fahrer neun Monate bis ein Jahr gesperrt. Im Fall Froome wird dies wesentlich vom Ausgang der Ermittlungen abhängen.“ Der italienische Sprinter Alessandro Petacchi wurde 2007 positiv auf Salbutamol getestet und für ein Jahr gesperrt. Sein Wert lag bei 1320 Nanogramm pro Milimeter.

War Froome vorher auffällig?

Viele Radsportfans trauen dem in Kenia geborenen Profi nicht. Bei der Tour 2015 bespritzte ihn ein Zuschauer mit einem Becher Urin. Seine spektakulären Bergfahrten erinnern an die von Dopingsünder Lance Armstrong. Kritiker sehen eine Parallele zwischen dem Briten und dem US-Amerikaner: Wie der an Krebs erkrankte Armstrong nahm Froome nach seiner Tropenkrankheit Bilharziose im Jahr 2010 spezielle Medikamente ein – und wurde auffällig besser.

Und das Asthmamittel?

2014 griff Froome während der zweiten Etappe der Critérium du Dauphiné, eines wichtigen Vorbereitungsrennens auf die Tour de France, zum Inhalator und musste sich kritischen Fragen stellen. 2016 hatte sich sein Radteam Sky wegen der Ausnahmegenehmigungen vor dem britischen Parlament zu verantworten.

Ist Froome der einzige Profi, der unter Asthma leidet?

Nicht im geringsten. Die Liste ist lang. Prominente Beispiele sind Froomes früherer Teamkollege Bradley Wiggins (Tour-de-France-Sieger 2012) oder der deutsche Radprofi Jan Ullrich. Zu Doping-Hochzeiten gaben 80 Prozent der Radprofis an, Asthma zu haben. Auch außerhalb des Radsportes gibt es zahlreiche Fälle, zum Beispiel beim Schwimmen, aber auch im Fußball. Im WM-Viertelfinale 2010 zwischen Deutschland und Argentinien standen acht Profis im Kader, die Ausnahmegenehmigungen für Medikamente hatten, darunter Mario Gomez.

Warum haben so viele Profisportler Asthma?

Bei Hochleistungssportlern liege eine „erhöhte Häufigkeit asthamtischer Beschwerden“ vor, sagt Mario Thevis, Doping-Experte und Professor für Biochemie an der Sporthochschule Köln. Insbesondere bei solchen, die sich unter extremen klimatischen Bedingungen verausgaben. Diese Bedingungen könnten Reizungen des Lungengewebes auslösen, so der 44-Jährige. „Hierzu zählt neben einigen anderen Sportarten auch der Radsport.“

Welche Folgen wird Froomes Dopingtest haben?

„Es ist wieder ein Totalschaden“, sagt Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel dem Sport-Informationsdienst. Der Radsport habe „gerade den Kopf wieder aus dem Loch gesteckt, sich gerade langsam erholt, da kriegt er sofort eine mit dem Hammer drauf. Es trifft die gesamte Branche“.