Braunschweig. Der Braunschweiger Rainer Zobel erinnert sich an gemeinsame Rotwein-Abende und Paris-Spaziergänge mit Gerd Müller.

Die Nachricht vom Tod des ehemaligen Weggefährten erreichte Rainer Zobel am Sonntag etwa eine halbe Stunde vor dem Anpfiff. Als Sportlicher Leiter des Fußball-Regionalligisten Lüneburger SK fieberte der 72-Jährige gerade dem Saisonauftakt mit einem Heimspiel gegen Borussia Hildesheim entgegen, als ihm jemand zurief: „Gerd Müller ist tot.“ Der „Bomber der Nation“, mit dem Zobel sechs Jahre gemeinsam bei Bayern München gespielt hatte, war nach langer Krankheit im Alter von 75 Jahren gestorben.

„Das war ein Schock für mich“, gibt Zobel gegenüber unserer Zeitung zu, obwohl er wie viele gewusst hatte, wie es um den ehemaligen Weltklassestürmer steht. Seit Jahren litt Müller an Alzheimer und lebte zurückgezogen in einem Pflegeheim. Es ist schon einige Jahre her, dass Zobel sich vorgenommen hatte, seinen ehemaligen Mitspieler in der Einrichtung zu besuchen. Doch Paul Breitner, der kurz zuvor bei Müller vorbeigeschaut hatte, riet ihm ab. „Behalte ihn so in Erinnerung, wie du ihn gekannt hast, hat Paul zu mir gesagt“, erklärt Zobel.

Zobel regt eine Schweigeminute an

Er hatte also mit der Nachricht, die nun die ganze Fußball-Welt berührte, rechnen können. Die Trauer um den ehemaligen Mitspieler macht das aber nicht kleiner. „Als ich die Nachricht von Gerds Tod erhalten habe, bin ich gleich zum Schiedsrichter und habe ihn gebeten, dass wir vor dem Spiel eine Schweigeminute abhalten können. Er war sofort einverstanden“, berichtet Zobel. Und auch der Hildesheimer Coach, der ehemalige Eintracht-Profi Marcus Unger, hatte keine Einwände. So standen Lüneburger wie Hildesheimer Regionalliga-Kicker am Sonntag auf dem Fußballplatz und gedachten dem besten Stürmer, den Deutschland je hatte. Für Zobel, der mit Müller zahlreiche Erfolge bei den Bayern feierte, eine schöne Geste, die auch nicht dadurch geschmälert wurde, dass sein Team anschließend mit 1:2 verlor.

Seit vielen Jahren lebt der ehemalige Mittelfeldspieler nun schon in Braunschweig, hält aber noch Kontakt zu ehemaligen Bayern-Größen, auch wenn die Treffen in den vergangenen Jahren weniger wurden. Vor allem zu Paul Breitner, der wie er eine Vergangenheit bei Eintracht Braunschweig besitzt, verbindet ihn nach wie vor eine gute Freundschaft. Gerd Müller hatte er das letzte Mal gesehen, als dieser in der Saison 2010/11 als Co-Trainer der zweiten Mannschaft von Bayern München in Braunschweig zu Gast war. „Da haben wir uns getroffen und lange unterhalten“, sagt Zobel. Bei anderen Treffen, wie auf den Geburtstagen von Franz Beckenbauer, wenn fast alle ehemaligen Mitspieler aus der großen Bayern-Ära der 1970er Jahre zusammenkamen, war das oft gar nicht so möglich.

Er legte Müller Heber gegen Atletico auf

Anders als der große „Kaiser“ Beckenbauer sei Müller auch niemand gewesen, der gerne im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand. Zurückhaltend und bescheiden – so haben in den vergangenen Tagen viele ehemalige Weggefährten den mit 365 Treffern besten Torjäger der Bundesliga-Geschichte beschrieben. Zobel kann das nur bestätigen. „Gerd hat nie den Star raushängen lassen. Ich glaube, ihm war gar nicht bewusst, wie wertvoll er für den FC Bayern und die deutsche Nationalmannschaft war“, sagt Zobel.

Dabei wären die damaligen Erfolge beider Mannschaften ohne die Tore von Müller nicht denkbar gewesen. Der Siegtreffer zum 2:1 im WM-Finale 1974 gegen die Niederlande ist sicherlich Müllers bekanntestes Tor, Zobel erinnert sich aber lieber an ein anderes. „Das war das 3:0 beim Wiederholungsspiel im Finale des Europapokals der Landesmeister 1974 gegen Atletico Madrid. Es war ein wunderschöner Heber, und ich habe ihm den Treffer vorgelegt“, erinnert sich Zobel.

Gemeinsamer Geburtstag im Mannschaftshotel

Neben den sportlichen Leistungen hat ihn aber auch immer wieder der Mensch Müller beeindruckt. „Gerd war bei uns nicht der große Wortführer, deshalb haben ihn viele intellektuell unterschätzt. Dabei war er bei vielen Dingen sehr interessiert“, sagt Zobel und berichtet von einem Freundschaftsspiel in Paris, das Müller für eine kleine Bildungsreise nutzte. „Gerd hat mich und einen anderen Mitspieler, der auch Abitur hatte, gefragt, was man in Paris sehen müsse. Da haben wir mit ihm einen kleinen Spaziergang durch die Stadt gemacht und die wichtigsten Sehenswürdigkeiten besucht“, berichtet Zobel.

Und eines wird er auch immer mit Gerd Müller verbinden: seinen Geburtstag. Zobel und Müller wurde beide an einem 3. November geboren. „Rund um dieses Datum hatten wir einige Spiele im Europapokal, deshalb haben Gerd und ich oft im Teamhotel mit einem Glas Rotwein auf unseren Geburtstag angestoßen.“ Mal waren sie zu zweit, mal kamen noch ein paar andere Mitspieler hinzu. Und am nächsten Tag war Zobel dann oft in der Nähe, wenn es eines der vielen unnachahmlichen Müller-Tore zu bestaunen gab.