Braunschweig. Spielerberater Toni Kierakowitz rechnet aufgrund der Corona-Krise mit Veränderungen im Profifußball.

Toni Kierakowitz betreut als Spielerberater unter anderem den gebürtigen Braunschweiger Nico Granatowski und die Eintracht-Akteure Manuel Schwenk und Mike Feigenspan. Im Interview mit unserer Zeitung spricht der 32-Jährige über die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Profifußball, die Risiken für Spieler und Vereine und darüber, wie die Pandemie das Geschehen auf dem Transfermarkt kurzfristig verändern wird.

Toni Kierakowitz
Toni Kierakowitz © Privat/oh

Herr Kierakowitz, als Spielerberater sind Sie für gewöhnlich viel unterwegs und im Austausch mit den Protagonisten der Fußball-Branche. Wie hat sich Ihre Arbeit seit dem Beginn der Corona-Krise in Deutschland verändert?

Unsere Basisarbeit ist die gleiche geblieben. Wir sind weiter täglich im Austausch mit Trainern, Spielern, Scouts oder Managern. Einzig der persönliche Kontakt ist nicht möglich. Dafür kommt jetzt der ein oder andere Videoanruf oder eine Telefonkonferenz hinzu, um auf dem Laufenden zu bleiben.

Seit ein paar Wochen ist die 1. und 2. Bundesliga wieder im Spielbetrieb. Nun läuft auch die dritte Liga wieder. Inwiefern hat der Restart Auswirkungen auf das Handeln von Spielerberatern?

Die Wiederaufnahme ist für uns ein sehr positiver Aspekt – aber noch stärker profitieren die Spieler davon. Eine sportliche Entscheidung wird gefällt. Fußballer können noch auf- oder absteigen, was angesichts von Klauseln möglicherweise Einfluss auf ihre Zukunft hat. Spieler mit auslaufenden Verträgen können sich nochmal zeigen. Und die Scouts der Vereine werden genau hinschauen, auch wenn sie nicht im Stadion sein dürfen.

Für viele Akteure geht es auch um ihre Zukunft.

Genau. Für die Spieler gilt: Du weißt, du musst abliefern. Aber du weißt nicht, wie du dieses Pensum wegsteckst. In der dritten Liga absolvieren Spieler womöglich innerhalb von vier Wochen elf Spiele. Das ist eine Mammutaufgabe. Und Vereine mit kleinen Kadern, werden das zu spüren bekommen.

Normalerweise wäre die Phase, in der Vereine und Spieler Anschlussverträge aushandeln, so gut wie vorbei und die Personalplanungen weit fortgeschritten. Hat die Corona-Pandemie hier den Zeitplan durcheinandergebracht?

Ja. Die Situation hat sich total verändert. Es gibt wenige Vereine, die sicher planen können. Sie werden in diesem Sommer eine Art Wettbewerbsvorteil haben. Andere Vereine wissen noch nicht, mit welchem Budget sie planen können.

Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?

Wann beginnt die neue Saison? Sind wieder Zuschauer zugelassen? Das sind für die Vereine elementare Fragen, über die auch der DFB-Bundestag zuletzt wenig Aufschlüsse gebracht hat. Deswegen warten viele Vereine – besonders die Drittligisten – ab.

Was bedeutet das für einen Fußballprofi?

Die meisten Verhandlungen sind ausgesetzt. Einige Spieler mussten sich bereits arbeitslos melden, müssen bei Vertragsablauf ihre Wohnung verlassen. Die Situation bringt Probleme mit sich. Und auch mental ist das für die Spieler nicht einfach.

Inwiefern?

Kein Spieler sagt: „Geil, Corona. Das bringt neue Chancen für mich.“ Ich habe das Gefühl, dass seit dem Ausbruch der Pandemie die innere Ungewissheit der Profis stärker und spürbarer wird. Es ist eine Situation, die jeder nachvollziehen kann, der privat schon einmal eine schwierige Situation durchleben musste. Einige Spieler machen sich viele Gedanken, haben eine Familie zu versorgen.

Dennoch arbeiten Fußballer in einem Geschäft, in dem gutes Geld verdient wird.

Das stimmt. Aber sie haben sich durchgesetzt, um in dieses Geschäft zu kommen, in dem gutes Geld gezahlt wird. Dafür nehmen sie in Kauf, dass sie nach der Karriere körperlich völlig kaputt sind. Man darf nie vergessen: Hinter jedem Spieler steckt auch ein Mensch.

Welche Veränderungen, glauben Sie, wird die lange Phase der Ungewissheit im diesjährigen Transferfenster hervorrufen?

Darüber habe ich mich schon mit Beraterkollegen ausgetauscht. Ich und auch andere gehen davon aus, dass der Markt überflutet wird. Bundesligisten werden ihre großen Kader ausdünnen. Eine Handvoll Spieler wird sicher durchgereicht in die Ligen darunter – Ergänzungsspieler oder Youngster werden einen Schritt zurück machen müssen.

Welche Rolle nehmen Sie als Berater in dieser Phase ein?

Der Überfluss an Spielern ist jetzt schon bemerkbar. Ich muss schauen, dass meine Klienten unter vernünftigen Bedingungen unterkommen sowohl aus sportlicher als auch aus finanzieller Sicht.

Immer wieder werden auch die hohen Summen, die im Fußballgeschäft fließen, kritisiert. Wird Corona auch hier eine Veränderung herbeiführen?

Von der zweiten Liga abwärts suchen die Vereine eher nach ablösefreien Spielern – einige Klubs werden lange auf den richtigen Transfer warten – und es ist nicht auszuschließen, dass die Vereine dann auch bereit sind, höhere Transfersummen auszugeben. Die Zeit der „Big Deals“ ist aber erstmal vorbei. Dennoch wird die Branche nach Corona wieder dahin zurückkommen. Doch diese Krise wird uns noch länger beschäftigen. Unmittelbar sorgt sie dafür, dass viele Vereine eher Ein-Jahresverträge ausgeben, weil sie Angst haben, dass Sponsoren langfristig nicht mehr dabei bleiben. Für die kommende Saison ist, denke ich, vieles gesichert. Aber niemand weiß, was danach passiert.

Auf der einen Seite stehen also Spieler, die Sicherheit für ihre Zukunft haben wollen, auf der anderen Seite die Vereine, die vorsichtig planen müssen. Für einen Berater ist das sicherlich ein stückweit ein andere Situation.

Ja, du musst in dieser Phase mit offenen Karten spielen. Oft finden sich Lösungen – wie etwa Optionen, die eine Verlängerung des Vertrages bei einem Aufstieg garantieren. Der Verein hat dann wieder andere Möglichkeiten, und beide Seiten sind sich entgegen gekommen. Als Berater muss ich alle ins Boot holen, darf nicht nur der Berater des Spielers sein, sondern auch der des Vereins. Das sehe ich als meine Aufgabe an.

Zur Person

Toni Kierakowitz ist in Eisenhüttenstadt geboren. Der 32-Jährige wuchs in Salzgitter auf und spielte von 1999 bis 2004 in den Jugendmannschaften von Eintracht Braunschweig. Nachdem er seine eigene Karriere verletzungsbedingt beenden musste, wurde er bereits mit 22 Jahren Spielerberater – zunächst gemeinsam mit André Breitenreiter, später in Kooperation mit dem einstigen Berater von Robert Enke, Jörg Neblung. Seit 2014 leitet er gemeinsam mit Alexander Röder die Agentur Players Factory in Bad Münder am Deister.