Hannover. Zu keiner Sekunde hatten die Zweitliga-Fußballer aus Braunschweig beim 0:2 eine Chance. Alles war auf Schadensbegrenzung ausgelegt.

Eintracht Braunschweig kann es nicht besser. Das ist die bittere Erkenntnis der 0:2 (0:2)-Derbyniederlage gegen Hannover 96. Die rund 4200 Gäste-Fans unter den 42.000 Zuschauern im Niedersachsenstadion mussten an diesem tristen Sonntagnachmittag ertragen, dass ihre Mannschaft nicht den Hauch einer Chance hatte.

Dabei boten auch die Gastgeber eine erschreckend biedere Leistung. Doch die genügte gegen den Tabellenletzten der 2. Fußball-Bundesliga allemal. Fabian Kunze (12.) traf zur frühen Führung für 96, nachdem Jan-Hendrik Marx und Sebastian Griesbeck dilettantisch gegen Vorlagengeber Derrick Köhn verteidigt hatten. Ex-Nationalspieler Marcel Halstenberg (42.) erhöhte per Foulelfmeter, den Saulo Decarli mit einem übermotivierten Tackling im Strafraum verursacht hatte.

Eintracht Braunschweig hat in Hannover keine kontrollierte Offensivaktion in Durchgang 1

Eintrachts Interimstrainer Marc Pfitzner hatte vor der Partie prophezeit, dass seine Mannschaft ihre Momente haben würde. Doch nach denen suchte man vergeblich. Die Hausherren waren in den Zweikämpfen präsenter. Braunschweigs Spieler brachten zwar Härte in die Duelle, waren vom Tempo jedoch überfordert. Und auch in der Offensive war erschreckenderweise keinerlei Plan zu erkennen.

In den ersten 45 Minuten gab es keinen einzigen kontrollierten Angriff der Blau-Gelben, der zu seinem Torabschluss führte. Startelf-Debütant Sidi Sané war einer von fünf Neuen, die Pfitzner im Vergleich zur 2:4-Niederlage gegen Fortuna Düsseldorf beordert hatte. Das zeigt das Dilemma, in dem Eintrachts Trainer in dieser Saison stecken: Kaum ein Profi empfiehlt sich dauerhaft für mehr Einsatzminuten. Marx und Florian Krüger, der im Sturmzentrum auf sich allein gestellt war, als die langen Bälle in seine Richtung flogen, mussten zur Pause weichen. Luc Ihorst und Marvin Rittmüller kamen in die Partie. Die vielen Veränderungen hatten beinahe einen Hauch von Aktionismus. Doch Pfitzner trifft keine Schuld an der Misere des Traditionsklubs. Er konnte einem fast schon leidtun, als Retter in einer nahezu aussichtslosen Mission herhalten zu müssen.

Auf den Rängen war mehr los als auf dem Rasen. Böller, Pyro-Fackeln und ganze Sitzreihen sowie Plexiglas-Wände landeten auf den aus Sicherheitsgründen gesperrten Rängen und teilweise auch im Innenraum. Der Frust entlud sich oben in Form von Vandalismus. Und unten schwächte sich die Eintracht selbst. Kapitän Jannis Nikolaou erwies seiner Mannschaft einen Bärendienst. Nachdem er sich in Durchgang 1 eine dumme Gelbe Karte abgeholt hatte, ging er in der 57. Minute mit hohem Bein zu Werke und flog folgerichtig vom Platz. Wenig später verletzte sich Startelf-Debütant Sidi Sané, weil er wegrutschte. Schon vorher hatte ihn die falsche Schuhwahl mehrfach aus dem Tritt gebracht.

Ermin Bicakcic ist bei Eintracht Braunschweig in Derby-Form, der Rest nicht

Hannover musste in dieser Phase nur auf Braunschweiger Unzulänglichkeiten warten und schaltete abgesehen von ein paar Kontern in einen arroganten Verwaltungsmodus. Ron-Thorben Hoffmann im Eintracht-Tor war es einmal wieder zu verdanken, dass der Rückstand nicht höher ausfiel.

Wenn man einen winzigen positiven Aspekt herausgreifen konnte, dann war es die Leistung von Rückkehrer Ermin Bicakcic. Er spielte seine ganze Erfahrung aus 162 Bundesliga-Spielen aus, war mental voll da und bewies, dass er dazu imstande ist, das unübersehbare Führungsspieler-Vakuum der Braunschweiger auszufüllen. Ob das reicht, um die sportliche Wende herbeizuführen, ist höchst fraglich.

Der ganze Auftritt der Eintracht wirkte so, als wolle man bloß eine Blamage verhindern. Geklappt hat das trotz der verträglichen Anzahl der Gegentore nicht. Und die Eintracht? Sie ist seit August in der Fremde ohne eigenen Treffer. Der letzte Punktgewinn liegt zurück bis in den September. Es war ein 2:2 zu Hause gegen Nürnberg, bei dem der schmerzlich vermisste Topstürmer Anthony Ujah (Schultereckgelenksprengung) durch Einzelaktionen beide Tore erzielt hatte.

Pfitzner war da noch Co-Trainer und wird es in der nächsten Woche vermutlich wieder sein. Er hat das Zeug dazu, in ferner Zukunft ein guter Trainer im Profifußball zu werden. Dass ein neuer Mann an der Seitenlinie stehen wird, wenn die Eintracht am kommenden Samstag (13 Uhr) den Tabellenvorletzten VfL Osnabrück zum Krisengipfel empfängt, ist klar. Doch egal, wer es sich nun antut, einen Vertrag an der Hamburger Straße zu unterschreiben: Er übernimmt wohl ein Himmelfahrtskommando.