Meppen. Vor dem Couch-Aufstieg: Eine Auswärtsfahrt im Sonderzug des BTSV. Von der Party-Anreise zur ernüchtert-hoffnungsfrohen Heimkehr.

„Erkennbare Gästefans erhalten – trotz gültiger Eintrittskarte – keinen Zugang zu den Heimbereich“, hieß es vor dem Spiel. Doch nun stehen sie hier, in Meppen auf dem Gäste-Parkplatz vor dem Stadion: Zahlreiche Fans von Eintracht Braunschweig sind mitgereist. Klar, die Mannschaft kann heute in die 2. Bundesligaaufsteigen, da muss man dabei sein. Doch nun geht erstmal nichts mehr: Die Bereitschaftspolizei riegelt den Eingang zum Gästeblock ab.

Gelber Rauch zieht aus dem Gästeblock. Während die Polizei das Gelände absichert.
Gelber Rauch zieht aus dem Gästeblock. Während die Polizei das Gelände absichert. © FMN | -

Auch der Weg zum Heimbereich wird durch die in schwarz uniformierten, behelmten Beamtinnen und Beamten in Reih und Glied blockiert. Die Unglücklichen, die jetzt noch hier sind, das sind die „erkennbaren Gästefans“ mit gültiger Eintrittskarte für den Heimbereich oder solche mit Gäste-Ticket, die schlicht zu spät gekommen sind. Denn der Gästeblock ist bereits proppenvoll. Mit leidend bis frustrierter Miene beobachten die Blau-Gelben draußen, wie die Blau-gelben drinnen im Block schon die Fahnen schwenken, wie gelber Rauch aus dem Block zu ihnen rüber zieht und sie in schwefelige Gerüche hüllt.

„Lasst uns rein, wird sind doch keine Hooligans, Mann“, brüllt ein Mann anfang vierzig mit löwenbedrücktem Anglerhut einem stoisch geradeaus blickendem Polizisten entgegen. Dann plötzlich der Jubel der Heimfans. Meppen hat drinnen schon einen Elfmeter verwandelt.

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Kein Ticket-Wucher bei Last-Minute-Kauf

Doch der Reihe nach: Losgegangen war der Tag am Bahnhof in Braunschweig. Kurz nach neun fährt der Sonderzug mit 1000 Plätzen. Bereits um kurz nach acht Uhr beginnen sich Bahnhofshalle und Gleis zu füllen. Es werden in letzter Minuten noch Tickets gehandelt. Der Preisaufschlag ist meist moderat. „Hauptsache möglichst viele Blau-Gelbe sind da“, sagt ein Verkäufer.

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„Kein Bier vor vier“, diese Regel gilt beim Auswärtsfahrten nicht, erst recht nicht bei dem möglichen Aufstiegsspiel. Die Abfolge von Knacken und Zischen beim Öffnen der Bierdose ist allenthalben zu hören. Zum Glück ist bei den Meisten der Biervorrat reichlich. Zwei Männer mit Drei-Tage-Bart schleppen eine Kiste Bier durch den Bahnhof.

Eine halbe Stunde vor Abfahrt ist das Gleis komplett voll. Richtung Ringcenter stehen die Ultra-Gruppen, Richtung BraWo-Park die Normalos. „Auswärtssieg, Auswärtssieg“ schallt es als der blaue Zug der Westfalenbahn einfährt über das Gleis. Der Zug ist weniger überfüllt als bei 2500 angekündigten Auswärtsfahrern zu erwarten war. Ein paar junge Männer - fast alle hier sind junge Männer- haben es sich direkt im Aufgang vom unteren zum oberen Teil des Zuges gemütlich gemacht. Maskenpflicht im ÖPNV, Rauchverbot im Zug, diese Regeln gelten bei Auswärtsfahrten nicht, erst recht nicht bei einem möglichen Aufstiegsspiel und so riecht es im Zug schnell nach kalten Rauch und schalem Bier.

Der Zug als Trommel

Kurz vor Hannover stimmen die jungen Männer Eintracht-Lieder an und dann als der Zug durch Hannover fährt „Scheiß Hannover“. Neben blau-gelben Schals sieht die Uniform junger Fans meist so aus: Wahlweise Eintracht-Jacke oder North-Face-Jacke, Jogging- oder Cargohose und Sneaker vor allem der Marke New Balance. Auf dem Weg nach Meppen wird zwei Mal gehalten, offiziell zum Lüften. Tatsächlich zum Pinkeln – direkt aufs Gleis wie auf Auswärtsfahrten wohl so üblich. Je näher der Zug dem Emsland kommt, desto mehr Bier und Schnaps fließt. Der Zug muss zur rhythmischen Begleitung der Fangesänge eine Tracht Prügel einstecken. Doch das Material hält stand. Wurde am Anfang vielleicht noch in Dosen geascht, liegen die Kippen nun auf dem Boden ebenso wie Haufenweise Konfetti und zerbrochene Bierflaschen.

Die Ankunft der Fans in Meppen. 
Die Ankunft der Fans in Meppen.  © FMN | -

Angekommen in Meppen ist der Bahnhof abseits des Zuges wie leer gefegt. Eine kleinere Gruppe Bereitschaftspolizisten beobachtet die Fans aus der Ferne. Doch als es runter zur Unterführung in die Stadt geht, stehen die Polizisten plötzlich an jeder Ecke. Eingekesselt zwischen Wohnhäusern und Polizei marschiert der Fantross zu den Sonderbussen. „Hurra, hurra, die Braunschweiger sind da“ weicht „SV Meppen - Emsland-Deppen“.

Im Anbetracht des Kreisstadtidyll am Meppener Bahnhof wirken die Eintrachtlerinnen und Eintrachtler siegesgewiss. Als der erste Sonderbus wegfährt, stehen Fans und Polizei vis-à-vis. Als gerade die Stimmung ins aggressive zu kippen droht, weil kein neuer Bus kommt und sich der Anpfiff nähert, geht es endlich weiter.

Auf dem Parkplatz vor dem Gästeblock dann die gute Nachricht: „Alle Eintracht-Fans mit gültiger Eintrittskarte werden nach und nach zu ihren Plätzen gelassen“, schallt es aus dem Lautsprecher eines Einsatzwagens.

Verspäteter Einlass für Eintracht Braunschweigs Fans mit Heimticket

Doch so kommt es nicht. Bei Anpfiff tut sich immer noch nichts und wir sind wieder dort, wo dieser Text begann. Das Problem: Viele Braunschweiger haben Tickets für für die Nordtribüne, allerdings nicht für den Gästeblock sondern den Bereich. Doch der ist, abgesehen von einem Puffer zum Gästeblock, voll mit Meppenern.

Gestrandet im Block K - Doch immerhin direkt am Spielfeldrand.
Gestrandet im Block K - Doch immerhin direkt am Spielfeldrand. © FMN | -

Dann – Eintracht liegt wie gesagt schon zurück – geht es endlich ins Stadion. Die Fans von draußen finden sich unter der Haupttribüne im Block K wieder, direkt am Zaun zum Spielfeld, links daneben der Gästeblock. Alle anderen Wege sind mit Gelbwesten – Securitys – blockiert. Kurzer Ärger, um den Platz auf der Tribüne beraubt worden zu sein, weicht dem Fokus aufs Spiel. Beim 2:2 klettern die ersten auf den Zaun. Gästeblock und die angrenzende Haupttribüne bilden eine Einheit. Ein Stimmungsballon bläst sich auf – und platzt mit dem 3:2 für Meppen. Aus, vorbei. Obwohl der Aufstieg nur vertagt ist, sind einige Fans frustriert und sauer. Ein älterer Mann mit tiefer Stimme, und sonnenverbleichtem Eintracht-Shirt schreit mehr als dass er redet: „Einfach zum Kotzen ist das!“, ruft er immer wieder, mehr zu sich selbst.

„Werdet zur Legende“ hallt es durch den Posttunnel wie ein Orakel

Im Zug zurück ist dann die Stimmung erstmal geknickt. Doch die Fans machen das Beste draus und das beste auf einer Auswärtsfahrt ist nun mal der Schluck aus einer lauwarmen Flasche Bier. Den ekstatischen Gesängen der Hinfahrt ist leises Gemurmel gewichen. Die Fahrt zieht sich, wem das Bier irgendwann ausgeht, für den wird der Zug zur mobilen Ausnüchterungszelle. Irgendwann wird doch wieder gesungen, um die Langeweile zu vertreiben.

Angekommen in Braunschweig ist der Aufgang zum Gleis gesperrt. Der Fantross verlässt den Bahnhof über den Posttunnel. Im Tunnel singen die Fans: „Werdet zur Legende, kämpfen bis zum Ende, für die Zweite Liga, BTSV!“ Die Gesänge hallen atmosphärisch durch den Tunnel und der Abend findet ein hoffnungsvolles Ende. „Hoffentlich patzt Lautern morgen, dann feiern wir halt auf dem Bohlweg“, orakelt jemand in der Menge...

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