Stuttgart. Klarer Vorteil für den VfB Stuttgart! Dem Hamburger SV droht eine sechste Saison in der zweiten Fußball-Bundesliga. Die Stuttgarter stehen dagegen dicht vor einer Nichtabstiegsparty.

Sichtlich schwer enttäuscht zog sich Tim Walter seinen Kapuzenpullover über und klatschte seine niedergeschlagenen HSV-Profis ab. Die Hamburger brauchen nach einer wahren Lehrstunde beim VfB Stuttgart ein Fußball-Wunder für den Bundesliga-Aufstieg.

Der Zweitliga-Dritte unterlag im ersten Teil des Relegationsdramas mit 0:3 (0:1) und muss sich im Rückspiel am kommenden Montag (20.45 Uhr/Sat.1 und Sky) massiv steigern, um die Stuttgarter doch noch irgendwie als Bundesligist abzulösen. Zu allem Überfluss sah der kurz zuvor eingewechselte Anssi Suhonen nach einem harten, unsportlichen Foulspiel die Rote Karte (69.).

„Das ist schwer in Worte zu fassen“, sagte Sportvorstand Jonas Boldt bei Sky, das Team habe „auf die Fresse“ bekommen. „Heute hat relativ wenig funktioniert.“ Es widerspreche seinem Naturell, „wenn ich irgendwas abschenke. Aber so eine Leistung, so ein Ergebnis macht das nicht einfacher. (...) Das muss dann schon ein Wunder sein.“

Konstantinos Mavropanos nach wenigen Sekunden, der frühere HSV-Profi Josha Vagnoman (51.) und Serhou Guirassy (54.) brachten den VfB mit ihren Toren in die beste Ausgangsposition, den dritten Abstieg seit 2016 in der Relegation abzuwenden. Guirassy vergab noch einen Foulelfmeter (27.), in der ersten Halbzeit hätte der dominante Bundesligist vor 47.500 Zuschauern in der ausverkauften Arena noch weitere Treffer erzielen können. Die HSV-Elf von Trainer Tim Walter, der den VfB einst im Unfrieden verlassen musste, fand offensiv lange nicht statt.

Mavropanos köpft früh ein

Mavropanos feierte seinen wuchtigen Kopfball ins Tor ausgelassen mit herausgestreckter Zunge. Im Block der mitgereisten HSV-Fans, die kurz zuvor noch Rauchbomben gezündet hatten, wurde es plötzlich ganz still. Im vergangenen Jahr waren die Hamburger in der Relegation an Hertha BSC mit Ex-Trainer Felix Magath gescheitert - da hatte der HSV im Rückspiel ein sehr frühes Tor kassiert.

In Stuttgart hätte es aus Hamburger Sicht schon zeitiger noch schlimmer kommen können, als Chris Führich mit Tempo im HSV-Strafraum auftauchte. Aber Torwart Daniel Heuer Fernandes parierte den Schuss des 25-Jährigen (9.). Die Stuttgarter ließen in ihren Angriffen einen Klassenunterschied erkennen, der HSV hatte große Mühe, die VfB-Offensive um Guirassy fernzuhalten.

Der 27 Jahre alte Stürmer, der gerade erst fest von Stade Rennes verpflichtet worden war, scheiterte innerhalb weniger Minuten bei zwei weiteren riesengroßen Chancen, eine davon die vom Elfmeterpunkt, an Heuer Fernandes (23. und 27.). Den Strafstoß hatte Ludovit Reis verursacht. Auch Führich scheiterte noch einmal am HSV-Torwart (29.). Im Stuttgarter Tor stand statt des verletzten Stammtorwarts Fabian Bredlow Ersatzmann Florian Müller.

Für beide Vereine geht es in der Relegation um enorm viel. Die finanziellen Einschnitte für den VfB lägen bei einem Abstieg im zweistelligen Millionenbereich, der HSV will sich sein dann schon sechstes Jahr in der 2. Liga unbedingt ersparen. Nach gut einer halben Stunde kamen die Gäste kurzzeitig gefährlich vor das Stuttgarter Tor. Ein Schuss von Robert Glatzel wurde geblockt (35.).

Außergewöhnliche Walter-Rückkehr

HSV-Trainer Walter erlebte seine außergewöhnliche Rückkehr gewohnt energiegeladen an der Seitenlinie. Mit dem Badener war der VfB in die bisher letzte Zweitliga-Saison gegangen, nach nur einem halben Jahr musste Walter am Tag vor Heiligabend 2019 wieder gehen. „Das wird ein tolles Spiel: Der VfB Stuttgart, toller Verein, gegen den HSV, großer Verein“, hatte Walter gestichelt. Für den „tollen Verein“ vergab Mavropanos in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit per Kopf die nächste gute Chance.

Vagnoman belohnte Stuttgart dann nach Vorlage von Führich und Enzo Millot. Die Fans in der Cannstatter Kurve feierten lautstark, der in Hamburg geborene Torschütze hielt sich sichtbar zurück. Guirassy, der dann doch endlich traf, sorgte endgültig für die Entscheidung im Hinspiel. Auch, wenn auf der Gegenseite Glatzel per Kopf die bis dahin beste Hamburger Chance vergab (59.). Die Hamburger steigerten sich bis zum Schlusspfiff, es blieb aber bei der großen Hypothek für das Rückspiel.