Braunschweig. Gerechte Bezahlung gibt es im Spitzensport nicht, für Frauen erst recht nicht – und Top-Athletinnen in Ballsport haben noch ein zusätzliches Problem.

Gleiches Geld für gleiche Arbeit – beim Aktionstag „Equal Pay Day“ am Dienstag geht es um die Geschlechtergerechtigkeit bei der Bezahlung. Ein besonders negatives Beispiel: Im Profisport sind die Frauen davon noch weiter entfernt als anderswo in der Arbeitswelt.

Allerdings gilt das mit der Lohn-Lücke und dem krassen Gehaltsgefälle nicht nur für krasse Unterschiede bei der Bezahlung von Frauen und Männern, sondern insgesamt für den Spitzensport. Wer den betreibt, erfüllt zwar auch einen gesellschaftlichen Auftrag, zählt aber dennoch eher zur Unterhaltungsbranche und wird dementsprechend weniger nach Aufwand oder Leistung entlohnt als nach Marktwert.

Bei den Topklubs werden sechsstellige Euro-Summen verdient

Da verdienen die einen für ihre sportlichen 35- bis 50-Stunden-Wochen allerbestens und können ihre Einnahmen noch durch dicke Werbeverträge aufstocken - während andere bei möglicherweise viel höherem Trainingsaufwand sich ihren Sport nur leisten können, wenn sie zusätzlich noch in einem anderen Beruf Geld verdienen. Und diese „anderen“ bilden in Deutschland die große Mehrheit - erst recht in der weiblichen Hälfte der Gesellschaft.

Als das Thema „Equal Pay“ im vergangenen Sommer rund um die Fußball-Europameisterschaft der Frauen mal so breit diskutiert wurde, dass sich sogar Bundeskanzler Olaf Scholz mit einem Appell für mehr Geschlechtergerechtigkeit einschaltete, ging es um eine Gruppe der ohnehin schon bestverdienenden Athletinnen des Landes, die Fußball-Nationalspielerinnen. Wer da bei einem der deutschen Topklubs, VfL Wolfsburg oder Bayern München, kickt oder gar im Ausland, kann immerhin eine gute sechsstellige Euro-Summe pro Jahr verdienen.

Die meisten Spitzenathleten und -Athletinnen bekommen gar kein Gehalt

Das Thema einer gerechten Bezahlung für Top-Athleten hat fast so viele Facetten wie der Sport Disziplinen hat. Das fängt schon damit an, dass die meisten überhaupt kein Gehalt bekommen. Sie basteln sich ihren Lebensunterhalt aus Bausteinen wie Sporthilfe (mit Equal Pay), Ausrüster-Zuwendungen, Verbands-Fördergeldern, Prämien, Vereins-Aufwandsentschädigungen, Nebenjobs und Sponsorengeldern zusammen. Zumeist Einnahmen mit begrenzter Laufzeit.

„Dadurch lebt man immer im Risiko, man hat nie ein sicheres Einkommen“, verdeutlicht Kristina Hendel, EM-Starterin im Marathon von der LG Braunschweig. Zudem sei der Zeitaufwand sehr hoch, die verschiedenen Einnahmequellen zu koordinieren. Es sei nicht nur viel Arbeit, überhaupt Sponsoren zu finden. „Du musst den Unterstützern dann ja auch immer was zurückgeben, dich treffen oder Weihnachtspäckchen packen.“ Die Preisgelder für Platzierungen in der Leichtathletik seien für Männer und Frauen meist gleich, sagt sie. Und Antrittsgagen hingen weniger vom Geschlecht als von den Vor-Leistungen der Athleten, ihrem Starpotenzial und dem Verhandlungsgeschick ihrer Manager ab.

Bei Bundeswehr, Polizei und Zoll sind Frauen und Männer gleichberechtigt

Knapp 1500 deutsche Athleten und eben auch Athletinnen aus olympischen Sportarten kommen allerdings in den Genuss einer soliden Bezahlung, kombiniert mit besten Trainingsbedingungen. Es sind die Angestellten oder Beamten auf Sportlerstellen bei Bundeswehr, Bundespolizei, Zoll, bei Landespolizeien und Landesbehörden. Männer und Frauen erhalten den gleichen Sold, hier ist Equal Pay umgesetzt.

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Es gibt zudem einige Sportarten, in denen die Frauen zumindest nicht über Geschlechter-Ungerechtigkeit klagen können. „Männer und Frauen werden im Reitsport gleichbehandelt“, sagt Katrin Eckermann, die zum erweiterten Kader der deutschen Springreit-Equipe zählt und am Wochenende beim Braunschweiger Classico am Start war, im Blick auf Wahrnehmung und Anerkennung. „Und beim Gehalt gibt es keine Unterschiede.“ Hinsichtlich des Aufwands und Ertrags seien männliche wie weibliche Reit-Profis allerdings unterbezahlt, findet sie, denn: „Mit Tieren hat man eine Sieben-Tage-Woche.“

Tennis: Bei Grand Slams sind die Prämien gleich, Frauen nehmen trotzdem weniger ein

Im Tennis, wie Reiten und einige Disziplinen des im Fernsehen omnipräsenten Wintersports, allgemein auch als „Frauensport“ anerkannt, leben die Profis im Wesentlichen von Turnierprämien. Bei den Grand Slams, also Australien Open, Wimbledon, US-Open und French Open, sind die Prämien für Männer und Frauen die gleichen. Doch auf Turniere der unteren Kategorien trifft das nicht zu, so dass laut der Studie von money.co.uk im Tennis zwar die kleinste Geschlechterlücke besteht, Spielerinnen bei gleicher Leistung aber trotzdem rund 34 Prozent weniger Einnahmen verbuchen.

In den Mannschaftssportarten – Ausnahme wenige Topstars vor allem aus dem Fußball – müssen die Frauen sehr kleine Brötchen backen. Und dabei reden wir ohnehin nur von den ersten Ligen, während in zweiten oder dritten Ligen auch Männer ihr Auskommen mit dem Sport verdienen können. Oder eben ein paar ausländische Profis.

Ausländische Profis „ohne Kostenblöcke eines normalen Arbeitnehmers“

Basketball-Zweitligist Eintracht Braunschweig Lionpride beispielsweise leistet sich derzeit die US-Amerikanerinnen Whitney Jacob und Octvia Loll sowie die Belgierin Sonia Huwé auf der Gehaltsliste. Neben einem Nettogehalt erhielten sie Wohnung und Auto beziehungsweise Fahrrad sowie teilweise gesponsortes Essen, erläutert Vereinsmanager Sven Rosenbaum. „Sie haben also nicht die Kostenblöcke eines normalen Arbeitnehmers und können durchaus etwas Geld sparen“, verdeutlicht er. Was dann aber oft für die restlichen Monate des Jahres gebraucht wird, denn solche Verträge werden meist nur für eine Saison, also neun Monate abgeschlossen.

Im Teamsport wird Geld analog zur Einnahme-Situation der Klubs verdient, und da fließen die Vermarktungsgelder eben zum größten Teil ins Männerlager. Auch weil Sportlerinnen in Deutschland noch ein zusätzliches Problem haben: die mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz ihres Berufs. Das ist im Ausland anders. Viele bei europäischen Topklubs tätige Fußballerinnen, Basketballerinnen, Volleyballerinnen oder Handballerinnen erzählen immer wieder davon, dass sie dort auch in Alltagsgesprächen für ihren Beruf geschätzt und bewundert würden, während in Deutschland oft gefragt werde: „Profisportlerin? Und was machst du wirklich?“

Im Ausland wird Teamsportlerinnen mehr gezahlt – auch weit weg vom Männer-Niveau

Anerkennung bringt Zuschauer, Sponsoren-Einnahmen, Fernsehgelder, und so wird im Ausland auch besser und durchgängig an alle Teammitglieder bezahlt. Aber eben auch nicht annährend so viel wie bei den Männern. In den USA, wo die Gehälter offener kommuniziert werden, verdienten Basketballerinnen 2021/22 in der WNBA im Schnitt rund 121.000 Dollar im Jahr, das Mindestgehalt liegt ungefähr bei der Hälfte. Die NBA-Kollegen streichen pro Kopf 5,35 Millionen ein, mindestens 900.000 Dollar.

Wegen der Kopplung an die Vermarktungserlöse bleibt es eine Illusion, dass im deutschen Teamsport gleiche Gehälter bezahlt werden. Deshalb nervt das Thema die Fußballerinnen auch schon. Vor allem ihre Arbeitgeber wie den VfL Wolfsburg, der für Bundesliganiveau schon Spitzengehälter zahlt – auch weil er sie mit den Männer-Einnahmen quersubventionieren kann. Zum „Equal Pay Day“ eine Gesprächspartnerin zu bekommen? Dafür hätten die VfL-Profis kaum Zeit, sagt der Pressesprecher. Und es sei ja eigentlich auch schon alles gesagt.

Verbände sollen internationale Erfolgsprämien geschlechtergerechter aufteilen

So ist es kein Zufall, dass sich die Fußballerinnen vor allem im Nationalmannschafts-Umfeld zu diesem Thema äußern. Denn bei der derzeit diskutierten Equal-Pay-Facette für Sportlerinnen geht es in erster Linie um gleiche Prämien der Verbände für Nationalspieler und Nationalspielerinnen. Ein Ansatz, der auch in Deutschland immer mehr Befürworter findet vor allem, seit die DFB-Frauen bei der EM die Herzen der deutschen Fans eroberten und die DFB-Männer danach bei der WM in Katar so enttäuschten.

Gleiche Prämien, wie sie sich international schon einige Fußballerinnen-Nationalteams erstritten haben, sollten auch in Deutschland gezahlt werden, findet Sven Rosenbaum von Eintracht Braunschweig. „Der DFB verdient ja genug, und wie er die Ausgaben verteilt, ist seine Sache.“ Der Verband bekommt von der Uefa Erfolgsprämien überwiesen, rund 28 Millionen wären es für einen EM-Titel der Männer gewesen, rund 2 Millionen für den der Frauen. Die Spielerinnen hätten für einen Titel jeweils 60.000 Euro bekommen, die Fußballer 400.000. Da könnten die Männer von ihren Prämien auch einfach etwas an die Frauen abgeben, findet Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, so dass die Lücke zumindest kleiner werde.

Fußballerinnen in Deutschland fordern vor allem „Equal Play“ und ein Grundgehalt

Das weitere Stichwort, das sie wie auch die Wolfsburger Fußballerinnen erstmal in den Blickpunkt stellen, heißen „Equal Play“. Die Frauen fordern gleiche professionelle Bedingungen für die Sportausübung und die Talentförderung, also gute Strukturen bei allen Klubs. Dazu würde auch gehören, dass Bundesliga-Fußballerinnen nicht mehr – wie von Voss-Tecklenburg geschätzt derzeit 50 Prozent nebenbei noch anderweitig arbeiten müssen, sondern sich auf ihren Sportberuf konzentrieren können. Ein Grundgehalt für Erst- und Zweitliga-Spielerinnen sei da ein erstrebenswerter nächster Schritt, findet Nationalmannschafts-Kapitänin Alexandra Popp.