Braunschweig. Bei vielen Basketball-Erstligisten sind die Ex-Jugendnationalspieler der neueren Generation wie Braunschweigs Kostja Mushidi nicht länger nur Rollenspieler.

Topscorer, Spielentscheider, Publikumslieblinge – in der Basketball-Bundesliga trumpfen plötzlich junge deutsche Spieler groß auf. Braunschweigs Kostja Mushidi ist nur ein Beispiel von einem guten Dutzend Youngster, die höchstens 21 Jahre alt sind und in dieser Saison zunehmend in den Blickpunkt rücken.

Bedanken können sie sich auch beim ältesten Trainer der Liga. Berlins spanische Legende Aito Reneses hat in den vergangenen Jahren mit den Weg dafür geebnet, dass inzwischen an vielen Standorten der Jugend mehr Vertrauen entgegengebracht wird.

Der 72-Jährige, der europäisch schon fast alles gewonnen hat, setzte regelmäßig 17-, 18-jährige Talente wie Franz Wagner und Jonas Mattisseck ein. Und zwar nicht nur in der so genannten „Garbage-Time“, den letzten Minuten, wenn Spiele bereits entschieden sind, sondern meist mit einer Menge Spielzeit und Vertrauensvorschuss. Der Grandseigneur der Branche bewies beim Vizemeister, dass ein Team trotzdem national wie international Erfolg haben kann und nahm den anderen Coaches damit ihre Alibis. Denn für viele hatte zuvor Talente fördern und Spiele gewinnen nur schwer unter einen Hut gepasst.

Auch die Vereine machen mit, setzen wie in Braunschweig verstärkt auf Jugendstil und haben Trainer wie Pete Strobl verpflichtet, die den jungen Leuten Vertrauen schenken. Und die zahlen es zurück, auch weil sie dank der Anstrengungen der BBL-Standorte in den vergangenen Jahren in der Breite einfach besser sind als die Generationen zuvor.

„Wir haben wieder mal Medaillen geholt und gemerkt, dass wir mehr können“, sagt Mushidi über sich und seine Mitspieler im Nationalteam um Löwen-Kollege Lars Lagerpusch. 2016 gewannen sie nach 28 Jahren als erstes deutsches Team das Albert-Schweitzer-Turnier, die inoffizielle U-18-WM, und später als U20 EM-Bronze.

Inzwischen haben es zur Freude Mushidis („wir lieben uns alle“) fast sämtliche Leistungsträger dieses Auswahl- Jahrgangs in die BBL geschafft, und viele spielen gute Rollen. Mushidi bekommt 17 Minuten Einsatzzeit im Schnitt und nutzt sie zu 13 Zählern sowie 4,8 Rebounds.

Überraschender als beim hoch gehandelten Löwen ist die Top-Leistung von Göttingens Spielmacher Bennet Hundt, auch ein Alba-Sprößling, der von Aito vergangene Saison schon Spielzeit bekommen hatte. Bei den Veilchen erhält der 21-Jährige als Starter den Vorzug vor US-Profi Kyan Anderson und spielt 31 Minuten, in denen er 15,6 Punkte und 7 Vorlagen abliefert.

Louis Olinde spielt in Bamberg 24 Minuten (9 Punkte/7,6 Rebounds) und hat mit 21 Zählern gegen den MBC schon ein Spiel entschieden. Und auch Ferdinand Zylka (21 Jahre) beim MBC (15 Minuten), Richard Freudenberg (21) in Frankfurt (18 min), Nelson Weidemann (20) in Bamberg (9 min) und Nils Haßfurther (20) in Würzburg (11 min) sind feste Rotationsspieler.

Dazu kommt ohne DBB-Vergangenheit der 21 Jahre alte Deutsch-Chilene Sebastian Herrera, der beim Überraschungs-Spitzenreiter Crailsheim sogar Kapitän ist und in 25 Minuten 16 Punkte erzielt.

Der nächste Jahrgang, Albert-Schweitzer-Turnier-Sieger 2018 und EM-Bronzegewinner 2019, mischt ebenfalls schon munter mit in der BBL. Dazu zählen Mattisseck (19 Jahre), der wie Mushidi MVP des AST war und bei Alba Berlin sogar schon Starter in der Euroleague ist, Philipp Herkenhoff (20) aus Vechta, der bereits A-Länderspiele bestritten hat, Bjarne Kraushaar (20), dem Gießens Trainer Ingo Freyer den Spielaufbau anvertraut (19 min) sowie Würzburgs Joshua Obiesie (19). Bei den Hamburg Towers baut für 15 Minuten der 18-jährige Justus Hollatz das Spiel auf.

Dass die Youngster vermehrt zum Zug kommen, hängt wohl auch mit einem Wandel des Spielstils zusammen. Es wird immer aggressiver und schneller mit höheren Drehzahlen auf dem Feld agiert. „Ich glaube, die Teams müssen heute mehr Tiefe haben, zehn, elf Leute“, sagt Mushidi und ist froh über die Entwicklung: „Als ich aus der Jugend kam, spielten im Wesentlichen die Ausländer, und die Deutschen waren nur Rollenspieler“, bedauert der wurfstarke Flügelspieler. „Heute gibt es einige, die besser sind als die Ausländer.“