Braunschweig. Der 28-Jährige will ab Samstag bei der Bad Harzburger Galopprennwoche seine hauchdünne Führung im deutschen Championat verteidigen.

Am Samstag Bad Harzburg, am Sonntag Düsseldorf, Donnerstag wieder Harzburg, Freitag Berlin, Samstag nochmal Bad Harzburg und am Sonntag München – zum Glück muss Top-Jockey Maxim Pecheur sein Wochenprogramm von knapp 3000 Straßenkilometern ab seinem Wohnort Lohmar nicht auf dem Rücken eines Pferdes zurücklegen. „Man versucht, Fahrgemeinschaften zu bilden, damit man nicht den ganzen Tag hinter dem Steuer sitzt“, erzählt der 28-Jährige, der sich als hauchdünn Führender im deutschen Jockey-Championat bei der 140. Harzburger Galopprennwoche in den Sattel schwingt.

Warum er so pausenlos auf Achse ist und ein Wahnsinnsprogramm mit knapp 600 Rennen pro Jahr abreißt? „Jeder Sieg bringt einen Punkt, ganz unabhängig vom Prestige des Rennens“, erklärt Pecheur, der 2019 bereits 50-mal gewonnen und vergangenes Wochenende mit sechs Siegen in Dresden besondere Schlagzeilen gemacht hat. „Da hatte ich einfach auch Glück, dass alles passte. Aber wenn man Meister werden will, muss man sehr fleißig sein, viel reiten und hat eben wenig Freizeit.“

Die etwas älteren Stars der Branche, die die deutsche Meisterschaft bereits gewonnen haben, wie Vorjahres-Champion Andrasch Starke mit seinem neunten Titel, müssen nicht ganz so rastlos von Rennbahn zu Rennbahn hetzen. Denn sie bekommen dank ihrer Meriten lukrative Einladungen aus dem Ausland. Im Galopprenngeschäft spielt die Musik in Japan und Asien generell, in den USA, England oder Frankreich, wo viel mehr gewettet wird. Dort können Jockeys traumhafte Prämien einstreichen, und dort sind sie auch richtige Sportstars.

Akkordarbeit am Renntag

Wer dagegen in Deutschland punkten und sein Geld verdienen muss und auch will, wie der Vorjahresdritte Pecheur, geht für das kurze Glücksgefühl auf dem Pferderücken durch eine Knochenmühle. Denn die anstrengenden Autotouren und die Akkordarbeit am Renntag, mit umziehen, wiegen und sich bei 60 km/h durchschütteln lassen, dann alles wieder von vorne im Halbstundentakt, sind ja nur das eine.

Dazu kommt der Druck der Pferdebesitzer, die ihre teils millionenschweren Tiere siegen sehen wollen, tägliches Konditionstraining und Trainingsreiten, vor den Renntagen Gewichtmachen, um unter 54 Kilo zu bleiben, die taktische Vorbereitung und vieles mehr. „Die Leute denken, du schwingst dich nur ein paar Minuten aufs Pferd“, sagt Pecheur. „Aber Jockey zu sein, ist Hochleistungssport und ein Morgen-bis-Abend-Job.“

Bei ihm kommt hinzu, dass er sein Management selbst übernommen hat. „Das ist ein wichtiger Faktor“, verdeutlicht er. „Denn man muss ja versuchen, immer die guten Pferde zu reiten, und das bedeutet oft stundenlanges Telefonieren.“ Überhaupt sei es eine schwierige Kunst, im Spannungsfeld zwischen der Erwartungshaltung der Arbeitgeber, Pferdebesitzer und Trainer und den Reitern alles so hinzubekommen, dass alle zufrieden seien und dass das Gesamtsystem übers Jahr erfolgreich sei. „Das ist das Hauptproblem, an dem viele scheitern“, betont er. Und ein weiterer Grund, warum er praktisch ohne Pause von Rennbahn zu Rennbahn tourt: „Das ist auch meine Kundenbetreuung und meine Art, um im Geschäft zu bleiben.“

Derbysieger mit Windstoß

Jockeys hätten ihre Stärken und Schwächen wie Fußballer auch, verdeutlich der Derbysieger von 2017 mit Windstoß. Er sieht seine Stärke in der Ruhe, die er vor dem Rennen bewahrt, vor allem aber in seiner engagierten Rennvorbereitung.

„Da muss man sich einerseits auf die Trainer verlassen, wenn sie die Charaktere und Eigenheiten ihrer Pferde beschreiben, aber ich studiere meine Gegner auch möglichst intensiv“, erläutert er und meint damit vornehmlich die Pferde, nicht deren Reiter. „Man muss auf jedes Individuum eingehen und dann im Rennen dementsprechend die taktisch beste Entscheidung treffen.“ Denn was hilft der schönste Plan, ein Rennen von hinten oder vorne oder über außen zu gestalten, wenn dies ein Rivale genauso angeht.

In Bad Harzburg wird das Duell des Saarländers mit Bauyrzhan Murzabayev besonders im Blickpunkt stehen, gegen den er die Goldene Armbinde des Führenden in der Jockey-Statistik verteidigen will. Der gebürtige Kasache hat ebenfalls bereits 50 Siege geholt, aber weniger zweite Plätze. Beide richten ihr Leben auf die deutsche Meisterschaft aus. Denn auch wenn es nur einen kleinen Becher als Trophäe gibt, als Türöffner zum internationalen Markt ist der Gold wert.

Nach Bad Harzburg kommt Pecheur gerne. „Ich habe das immer sehr gemocht, weil ich da ein paar Tage ausspannen konnte, meine Frau kam oft mit, und wir haben die Ruhe im Harz genossen“, blickt er ein bisschen wehmütig zurück. „Leider funktioniert das durch die Zwischenrenntage ja heute nicht mehr.“

Höhepunkte der Rennwoche:

Samstag, 20. Juli, ab 11 Uhr
Zwei Superhandicaps mit einer Dotierung von 20.000 Euro über 1850 Meter, Premiere des German Grand National Jagdrennens über 4800 Meter mit internationaler Besetzung. Die ersten sechs Rennen werden live in 12.000 Wettannahmestellen in Frankreich übertragen.

Sonntag, 21. Juli, ab 14 Uhr
1. Lauf: See-Jagdrennen, Ausgleich II Rennen 10.000 Euro

Donnerstag, 25. Juli, 15:30 Uhr Familienrenntag: freier Eintritt, Harzer Hürden-Trophy über 3.400 m (Listenrennen)

Samstag, 27. Juli, ab 11 Uhr
zweimal Superhandicap, je 20.000 Euro, Auktionsrennen mit 37.000 Euro dotiert

Sonntag, 28. Juli, ab 11 Uhr
2. Lauf: See-Jagdrennen