Bortfeld. Silke und Holger Sdunnus aus Bortfeld radelten fast ein Jahr entlang der legendären Panamericana.

Die autoverrückten USA, in denen man gerne mal mit dem Pick-Up zum Schnellimbiss um die Ecke fährt, ein Paradies für Radfahrer? Aber ja, beteuern Silke und Holger Sdunnus. Die beiden müssen es wissen. Sie haben die amerikanische Westküste auf zwei Rädern erfahren.

Das Ehepaar aus Bortfeld im Kreis Peine hat einen Traum wahrgemacht: eine Riesenradtour entlang der Panamericana zu unternehmen, von Alaska bis nach Feuerland. Oder fast, denn in der Andenmetropole Cusco in Peru nahe der legendären Inkastadt Machu Picchu war Schluss. Holger Sdunnus hatte mit einer Entzündung in einem Bein zu kämpfen, musste eine Klinik aufsuchen. Anschließend flogen die beiden nach Europa zurück.

„Das war aber auch das einzige wirklich ernsthafte Problem, das uns widerfahren ist“, erzählt der 54-jährige Unternehmer. Um ein Abenteuer wie die Panamerikana anzugehen, sei es nicht wichtig, superfit zu sein – „das kommt beim Fahren“ –, es brauche auch nicht irre viel Geld. Entscheidend sei die Fähigkeit, loslassen und vertrauen zu können.

Sdunnus musste beispielsweise die Geschäftsführung seiner Software-Firma Etamax Space GmbH ruhen lassen. Mittlerweile hat er den Betrieb verkauft, macht als Unternehmensberater weiter. „Mein Antrieb ist, so viel zu erleben wie möglich, und auch nach dem 50. Geburtstag noch mal 90-Grad-Kurven zu drehen – jetzt, da beide Söhne aus dem Haus sind.“ Seine Frau Silke, eine Bankkauffrau, musste er nicht lange überreden. Auch sie ist eine begeisterte Radfahrerin.

Die beiden kauften sich zwei Reiseräder mit breiten Reifen, an denen sich je vier Radtaschen befestigen lassen, und ein hochwertiges Zelt. Insgesamt hätten sie rund 5000 Euro in die Ausrüstung investiert, erzählt Silke Sdunnus. Rund 20 000 Euro kamen für Nahrung, Unterkunft, Fähren und Flüge hinzu.

Die große Reise starteten sie in Anchorage in Alaska. Total durchgeplant hätten sie die Tour keineswegs. „Es gab eine grobe Struktur, aber die einzelnen Etappen haben wir uns dann jeweils nur zwei, drei Tage im Voraus überlegt.“ Der Reiz sei ja gerade gewesen, Neuland kennenzulernen, sich auf Unbekanntes einzulassen.

Und das mussten sie in gerade in den USA ständig. „Wir wurden häufig angesprochen und eingeladen, auf ein Getränk, ein Essen oder auch eine Übernachtung“, erzählt Holger Sdunnus. Die Amerikaner seien ihnen sehr offen und freundlich begegnet. Etwas weiter im Hinterland habe sie allerdings erstaunt, wie heruntergekommen manche Siedlung gewirkt habe – das abgehängte weiße Amerika, Trumps Wählerreservoir.

Die Bedingungen für Radreisende allerdings seien nahezu perfekt. Traumhafte Landschaften, genug Platz auf den Straßen, auch den Highways, rücksichtsvolle Autofahrer. Und jede Menge gut ausgestattete, fahrradfreundliche Campingplätze, auf denen sie bevorzugt nächtigten.

Mexiko sei dagegen zunächst einmal ein Kulturschock gewesen, insbesondere die Grenzregion: heiß, hektisch, laut. Bloß schnell durch da.

Auf der Baja California, der langestreckten mexikanischen Halbinsel, kreuzte der Tornado Odile ihren Weg. Ein Pickup-Fahrer warnte sie und nahm sie in den nächsten Ort mit, wo sie sich in einem Hotel in Sicherheit bringen sollten. „So bedrohlich wirkte die Situation gar nicht, auch wenn Wind und Regen stetig zunahmen. Aber am nächsten Morgen stand alles unter Wasser.“

Es dauerte drei Tage, bis das Paar weiterfahren konnte. Auch die nächsten Tage waren schwierig; die Straßen waren durch Schlamm, Rinnsale und Geröll schwer befahrbar, weitere Orte überflutet und teils ohne Strom.

Doch das Ehepaar Sdunnus hatte keine Eile. „Unser Rhythmus war ohnehin, vier oder fünf Tage zu fahren und zwei, drei auszuruhen oder die Umgebung zu erkunden.“ Gelegentlich wurden sie wieder eingeladen, meist von Amerikanern, die in Mexiko lebten, oder von aus Amerika abgeschobenen Mexikanern, die nun in oft beengten Verhältnissen lebten.

So viele Kontakte wie in den USA ergaben sich aber nicht mehr, auch wegen der Sprachbarriere. „Englisch spricht ab Mexiko kaum noch jemand“, erzählt Silke Sdunus. In Panama gönnte sie sich mit ihrem Mann darum noch einen kurzen Spanisch-Intensivkurs.

Über Guatemala ging es weiter nach Kolumbien, das die beiden als ausgesprochen schönes, lebensfrohes und übrigens auch fahrradbegeistertes Land erlebten. „Es scheint spätestens nach dem Friedensschluss zwischen Regierung und Guerilla auf einem sehr guten Weg zu sein. Von Drogen- oder Rebellenkrieg war nichts zu spüren“, sagt Holger Sdunnus.

In Equador erkrankte Silke Sdunnus an einer Bronchitis. Um sie zu kurieren, gönnte sich das Ehepaar eine entspannende Woche inmitten der faszinierenden Tierwelt der Galapagosinseln. Dann ging es weiter nach Peru, wo das Ehepaar nach Holger Sdunnus’ Erkrankung beschloss, das Abenteuer Panamerica nach zehn aufregenden Monaten zu beenden.

Neben vielen tollen Erlebnissen und Begegnungen empfinden sie nun vor allem die Erfahrung der Konzentration auf Wesentliches als bleibend bereichernd: „Wenn man fast ein Jahr aus vier Satteltaschen lebt, erkennt man, wie gut man auf Vieles verzichten kann – und wie befreiend das ist“, sagen Holger und Silke Sdunnus. „Leichtes Gepäck“ von Silbermond ist seitdem eines ihrer Lieblingslieder.

Ihr reich bebildertes Reise-Tagebuch „Mit dem Fahrrad von Alaska bis Peru“ stellen Silke und Holger Sdunnus am Dienstag, 23.Januar, um 20.15 Uhr in der Buchhandlung Graff in Braunschweig vor. Eintritt 10 Euro.