Salder. Spielplatz gegen Tempo-Display: Die Entscheidung über die Vergabe von Mitteln im Ortsrat Nord war nicht so einmütig wie sonst. Was ist passiert?

Das privat angeschaffte Temposchild in Salder zeigt seit etwa zwei Jahren Autofahrern auf der Museumstraße an, wie schnell sie gerade unterwegs sind. Immerhin handelt es sich bei der Stelle, an der es aufgestellt ist, ja um eine Tempo-30-Zone: Kindergarten und Grundschule befinden sich in unmittelbarer Nähe.

Die Verkehrswacht, die in Kooperation mit der Stadt mehrere solcher Displays in Salzgitter betreut, beschreibt eine positive, also tempomindernde Wirkung direkt nach Aufstellung solcher Geräte – man könne aus manchen Geräten auslesen, wie sich die Verkehrsteilnehmer an dieser Stelle verhielten. Aber: „Es tritt aber nach einiger Zeit ein Gewöhnungseffekt ein“, so Geschäftsführer Michael Scharf. Wenn solch ein Display zu lange an einer Stelle hänge, achteten die Verkehrsteilnehmer nicht mehr darauf.

Antrag von proSal erfüllt die gängigen Bedingungen

Die Bürgerinitiative proSal hat nun beim zuständigen Ortsrat Nord ein weiteres Tempo-Display für Salder beantragt. Dieses Gremium vergibt die sogenannten Ortsratsmittel. Für gewöhnlich entscheiden die Ortsräte einmütig über solche Anträge. ProSal hat für diesen Antrag aber keine Ortsratsmittel erhalten. Die Abstimmung über die Vergabe der Ortsratsmittel erfolgte anders als in den vergangenen Jahren zudem nicht im Einklang, sondern mit einer Gegenstimme und vier Enthaltungen. Was ist passiert?

Die aktuelle Richtlinie zur Vergabe von Ortsratsmitteln sieht zwei Bedingungen vor: Eingang der Anträge bis 31. März eines Jahres, kein bereits gefördertes Projekt soll zusätzlich durch Ortsratsmittel bezuschusst werden. Das Tempo-Display, das proSal beantragt hat, erfüllt die Bedingungen, auch Eigenmittel stünden bereit. Darüber hinaus hatte die Initiative zugesagt, beim Aufstellen und der Betreuung des Geräts mit Manpower zu unterstützen. Diesen Punkt hatte die Verkehrswacht nämlich angesprochen: Ihre eigenen Möglichkeiten in Bezug auf Betreuung durch ehrenamtliche Mitarbeiter seien ausgeschöpft.

Aus Sicht der Verkehrswacht spreche nichts gegen eine eigenverantwortliche Betreuung, habe Scharf laut Ratsmitglied Harald Wintjen (Grüne) auf Anfrage geschrieben. Auch die Polizei habe keine ablehnende Haltung gegen das Display abgegeben, teilte Pressesprecher Matthias Pintak in Richtung Wintjen mit.

Die Bürgerinitiative, so erzählt deren Vorsitzender Willi Girelli, möchte das Display etwa an der Mindener Straße aufstellen, „aus Richtung Lichtenberg und Gebhardshagen“. Dies alles aus Gründen der Verkehrssicherheit. Die Mindener Straße überqueren nicht zuletzt (Schul-)Kinder mehrfach am Tag. Girelli begründet den Antrag für das Display so: „Wir setzen auf eine pädagogische Wirkung.“ In der Straße war bereits in 2016 und 2017 kurzzeitig eine Tempo-30-Zone eingerichtet worden, die die Stadt aber auf Weisung des Landes wieder zurücknehmen musste – es handele sich um eine Kreisstraße, wo fließender Verkehr zur Entlastung des übrigen Straßennetzes zu gewährleisten sei, hieß es damals. Seitdem gilt hier wieder Tempo 50.

In der Ortsratssitzung Anfang September war vom Display-Antrag dann plötzlich keine Rede mehr. Dazu muss man wissen, dass sich zunächst nur eine kleine Ortsrats-Gruppe damit befasst, bevor der Punkt im gesamten Gremium beschlossen wird. Das ist normale Praxis. Harald Wintjen als Vertreter der Grünen-Fraktion traf dazu aufgrund einer parallelen Veranstaltung verspätet mit Ortsbürgermeister Werner Müller (SPD) ein. Müller habe daraufhin telefoniert und Wintjen mitgeteilt, dass CDU und SPD, die im Ortsrat auch die Mehrheit stellen, „schon alles beschlossen“ hätten. Der Ortsbürgermeister sieht kein Problem darin, dass die Grünen in dieser Besprechung nicht vertreten waren: „Es war freigestellt, eine Person hinzuschicken. Von den Grünen war niemand da.“

Spielplatz im Altfeld erhält den Vorzug bei Förderung

Bei dieser Besprechung wurde der proSal-Antrag also kassiert. Dafür wurde der Initiativantrag zum Spielplatz im Altfeld in Salder vorgebracht, über den zuvor laut Wintjen niemals gesprochen wurde. Der Vorsitzende der SPD-Ortsratsfraktion, Hartmut Elbnick, erklärt, dass in der Sitzung für Restmittel noch nach Vorschlägen gesucht wurde, worauf seitens der CDU der Spielplatz vorgeschlagen worden sei. Ein Spielgerät sei dort defekt, habe es geheißen, man wolle zudem eine Schaukel aufstellen. „Was soll man da diskutieren?“, fragt Elbnick.

Der proSal-Antrag sei vorher schließlich auch erörtert worden, betont Elbnick weiter. Die Argumente gegen eine Förderung: Es handele sich bei den avisierten Aufstellungsorten zum Teil um nichtstädtische Straßen, auf denen Tempo 30 ohnehin nicht eingerichtet werden könne – siehe Mindener Straße. Zudem könne sich die Bürgerinitiative mobile Displays auch leihen – zum Beispiel bei der Verkehrswacht. Dieses Argument nennt auch der CDU-Ortsratsfraktionsvorsitzende Guido Löcke.

In der darauffolgenden September-Ortsratssitzung hieß es dann, auf dem Spielplatz Im Altfeld seien Spielgeräte marode. Später führte Reinhard Hentschel (CDU) an, der ganze Platz müsse aufgrund von Brennnesselbüschen und einer Dornenhecke überarbeitet werden. Maren Landwehr vom Presseteam der Stadt hatte zwei Tage nach der September-Ortsratssitzung auf Anfrage geschrieben: „Der Spielplatz ist ohne Einschränkungen nutzbar. Grundsätzlich muss kein Spielgerät getauscht werden. In den nächsten Tagen werden im Rahmen der regelmäßigen Wartungsarbeiten an einem Spielgerät Haltepfosten getauscht.“

Der Ortsrat (ohne die Grünen) hat dafür also Geldmittel in Höhe von 2710 Euro – laut Vorlage „für die Erneuerung eines maroden Spielgerätes am Spielplatz in Salder (am Altfeld, zweite Einfahrt)“ – beantragt und bewilligt. Die Schaukel soll nun laut Stadt im Frühjahr aufgestellt, der Untergrund mit Rasengitter-Fallschutzplatten versehen werden.

Der proSal-Vorsitzende Willi Girelli möchte nun nicht als schlechter Verlierer dastehen. Wenn man sich im Ortsrat gegen eine Förderung der Displays entscheide oder andere Anträge vorgezogen würden, habe er das zu akzeptieren. Das Vorgehen im Ortsrat hingegen ärgere ihn in erster Linie, weil er die Transparenz vermisse. Auch die Information der Bürger seitens der Politiker lasse zu wünschen übrig.

Vorsitzender: Entscheidung ist eine „Backpfeife“ für proSal

„Wenn sie nicht einverstanden sind, sollen sie lieber direkt sagen, warum. Dann hätten wir damit umgehen können. Aber nicht hinter den Kulissen“, sagt Girelli, der die Entscheidung des Ortsrats als „Backpfeife“ für die Initiative bezeichnet. Warum, fragt er sich, wird ein Spielplatz bezuschusst, für dessen Unterhaltung und Ausstattung ein Unternehmen der Stadt zuständig ist – nämlich der Städtische Regiebetrieb, kurz SRB?

Dazu schreibt Stadtsprecher Holger Posselt: „Der SRB ist auch für die Ausstattung (neue Spielgeräte) verantwortlich. In den Wirtschaftsplänen der letzten Jahre waren jeweils 60.000 Euro pro Jahr für die Anschaffung neuer Spielgeräte eingeplant. Sonstige Unterhaltungsarbeiten wie zum Beispiel der Ersatz eines Papierkorbs oder der Austausch morscher beziehungsweise defekter Balken werden aus dem laufenden Aufwand bezahlt.“

Wintjen glaubt, dass die Spielplatz-Causa eine Konzessionsentscheidung ist, weil der Antrag von proSal nicht berücksichtigt wurde. Gegen Investitionen für Kinder könne man sich als Politiker ja kaum aussprechen – zumal in einer kinder- und familienfreundlichen Stadt. Salder wäre dann aber trotzdem bedacht, „als Trostpflaster“.

Girelli ist im Nachgang der Ortsratssitzung im September von Ortsbürgermeister Müller angerufen worden – man habe sich länger unterhalten, sagt er. Trotzdem finde er die Entwicklung enttäuschend. ProSal fordere nicht nur, sondern wolle sich auch kümmern, sagt Girelli. Bürgerengagement aber werde nicht unterstützt, laute sein abschließendes Fazit.

Nur zwei Anträge werden im Ortsrat nicht berücksichtigt

Von den 18 Anträgen zu Ortsratsmitteln sind 16 in der Septembersitzung berücksichtigt worden, nur die Bürgerinitiativen Salzgittersee und eben proSal gingen leer aus. Eine Begründung, so trug es Ortsbürgermeister Müller in der Ortsratssitzung im Dezember vor, „ist entbehrlich, da der Ortsrat die Mittel selbst oder auf Antrag vergeben darf.“