Lebenstedt. Ist die Transformation aufgrund der hohen Energiepreise in Gefahr? Wann kommt der Brückenstrompreis. Das antwortete der Wirtschaftsminister.

Das wäre ein fatales Zeichen. Ausgerechnet in dieser Stadt. Der „Hauptstadt der Transformation“, wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil Salzgitter gerade in der vergangenen Woche genannt hatte. Nun war am Mittwochabend sein Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) zu Gast in der Stahlstadt. Bei der Delegiertenversammlung der IG Metall Salzgitter-Peine stellte sich Lies den Fragen der Gewerkschafter.

Wie kann die Transformation gelingen? Das diskutierten in Salzgitter Gewerkschafter und Wirtschaftsminister Lies

Die Ankündigung des Alstom-Betriebsratsvorsitzenden in Salzgitter, Baki Erkoc, dass Alstom „demnächst wohl Kurzarbeit beantragen muss, weil die Auftragslage nicht ausreichend“ sei, überraschte den Minister. „Wir brauchen Züge. Wir brauchen für hunderte von Millionen Euro Züge in den nächsten Jahren. Das ist das Letzte, was wir in diesem Umfeld gebrauchen können. Hier, wo wir die Transformation leben, den Menschen das Signal zu geben: Leider sorgt die Transformation nicht dafür, dass wir hier dauerhaft Beschäftigung haben. Die springen uns alle ab und landen an der politisch völlig falschen Stelle“, mahnte der Minister. Dass die Menschen ausgerechnet hier den Glauben daran verlieren, dass die Transformation nicht gelingen kann, das „darf uns nicht passieren“.

Und noch etwas dürfe nicht passieren - darin waren sich Gewerkschafter und der Minister einig: Die Transformation dürfe nicht durch die hohen Energiepreise gefährdet werden. „Es muss gelingen, den grünen Strom, den wir brauchen, bezahlbar zu machen“, forderte der Minister. Bis das gelungen sei, müsse der Strompreis „entlastet werden“. Nur so sei es möglich, sicherzustellen, „die Industrie im Lande zu halten“. „Bezahlbarer Strom ist auf dem Weg zu diesem Ziel der erste Schritt.“ Daher sei es nicht hinnehmbar, noch Monate zu warten, bis es Klarheit in Sachen Brückenstrom gebe.

Der Brückenstrompreis soll sicherstellen, dass energieintensive Unternehmen in den nächsten Jahren grünen Strom durch staatliche Regulierung zu wettbewerbsfähigen Preisen erhalten. Die Idee dahinter: Die Differenz zwischen dem Marktpreis und dem festgelegten Brückenstrompreis wird vom Bund bezahlt. Die IG Metall fordert einen Brückenstrompreis von 5 Cent pro Kilowattstunde, inklusive Steuern und Abgaben.

Die Delegiertenversammlung der IG Metall begrüßte Wirtschaftsminister Olaf Lies.
Die Delegiertenversammlung der IG Metall begrüßte Wirtschaftsminister Olaf Lies. © FMN | Rudolf Karliczek

Der Brückenstrompreis soll gelten, bis die Infrastruktur so weit ausgebaut ist, dass genügend grüner Strom, etwa durch Windparks, zu günstigeren Preisen erzeugt wird. Die einzige Chance, dass Energie in Zukunft bezahlbar sei, sei erneuerbare Energie. „Nur der Weg dahin ist noch nicht abgesichert. Der Ausbau ist noch nicht so weit. Den Weg bis dorthin, wir wissen, 2030, 2031 haben wir die Bezahlbarkeit, wollen wir über den Brückenstrompreis staatlich absichern“, so Lies. „Deswegen brauchen wir endlich eine klare Entscheidung. Der Brückenstrompreis ist nicht nur die Frage, wie wir Stabilität und Sicherheit in die Beschäftigung und die Transformation der Betriebe bringen. Er ist ein Garant dafür, dass wir belegen, dass das, was wir uns vorgenommen haben, funktioniert. Und er ist damit auch eine Stabilisierung unserer Demokratie.“

Gewerkschafter in Salzgitter fordern: „Wir brauchen den Brückenstrompreis“

Seit Ende Mai wird über den Brückenstrompreis diskutiert. Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte ihn als Industriestrompreis ins Spiel gebracht. Im August hatte sich eine „Allianz pro Brückenstrompreis“ gebildet. Sie besteht aus der IG Metall, IG BCE, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) und den Industrieverbänden der energieintensiven Industrie. „Laut einer aktuellen Kurzstudie der Allianz für den Brückenstrompreis hängen bis zu 2,4 Millionen Arbeitsplätze und gut 240 Milliarden Euro Wertschöpfung an der energieintensiven Industrie“, berichtet die IG Metall.

Bisher allerdings ist nichts entschieden. „Wir brauchen den Brückenstrompreis. Sonst sind wir nicht wettbewerbsfähig. Und zwar nicht nur wir bei Volkswagen. Das gilt auch für die Salzgitter AG“, forderte Björn Harmening, Chef des Betriebsrates bei VW in Salzgitter. Und fügte hinzu: „Das einzige Problem ist: Das muss jetzt nur noch einer dem Bundeskanzler sagen. Ich weiß nicht, ob der schon weiß, dass das so ist.“ Die Transformation gerate in Gefahr, warnte gar Nils Knierim von der Salzgitter Flachstahl. „Die Transformationsgelder müssen vom Bund freigegeben werden“, forderte er.

Wir brauchen den Brückenstrompreis. Sonst sind wir nicht wettbewerbsfähig. Und zwar nicht nur wir bei Volkswagen. Das gilt auch für die Salzgitter AG.
Björn Harmening, Chef des Betriebsrates bei VW in Salzgitter

„Natürlich treibt das auch den Kanzler um. Er erkennt durchaus, dass wir da ein Problem haben. Aber er sieht natürlich auch, dass wir in der Wirtschaft auch die Gruppe der Familienunternehmen, der Mittelständler und des Handwerks haben. Und die sagen: Wie könnt ihr das machen? Immer, wenn die Industrie ruft, wird ihr geholfen. Uns hilft keiner“, warb Lies um Verständnis für eine „sensible Situation“. Er betonte aber auch, dass das Problem jetzt gelöst werden müsse. „Wir haben nicht ein oder zwei Jahre Zeit. Dann bricht uns ein großer Teil der Industrie weg.“ Die Alternative liege dann für die Unternehmen in China oder den USA.