Lebenstedt. Stalking, Erpressung, Nötigung – dafür ist ein Politiker der AfD aus Salzgitter verurteilt worden. Das beschäftigte nun auch den Rat der Stadt.

Die Verurteilung eines Salzgitteraner Kommunalpolitikers von der AfD wegen Erpressung, Nötigung und Stalkings (unsere Zeitung berichtete mehrfach) hat zum Eklat am Dienstag im Rat geführt. In demonstrativer Geschlossenheit und eindrucksvoller Intensität haben sich Oberbürgermeister Frank Klingebiel und fast alle im Rat vertretenen Fraktionen und Gruppen von den Taten distanziert und den Politiker aufgefordert, sein Mandat umgehend niederzulegen.

Das war geschehen

Abscheu und Ekel vor dem Vergehen, das die Staatsanwaltschaft des Landgerichts in Braunschweig jüngst als „übelste Stalking-Sache“, mit der sie je zu tun hatte, bezeichnet hat, war den meisten Ratsmitgliedern deutlich anzumerken. Nach Feststellung des Gerichts hat der geständige Mann, der sich selbst als „der Ficker“ titulierte, seine 59-jährige Freundin, als sie ihn verlassen wollte, derart mit Drohungen, Nachstellungen, Erpressung, demütigenden Details und Bildern, die er auch in sozialen Netzwerken verbreitete, belästigt, dass sie selbst, ihr Ehemann und ihre Tochter psychologische Hilfe in Anspruch nehmen mussten. Der Politiker wurde in zweiter Instanz wegen Erpressung, versuchter Nötigung, Beleidigung, Nachstellung sowie der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt.

Rein rechtlich handelt es sich bei der Tat um ein Vergehen, aber kein Verbrechen. Daher sind laut Stadt keine kommunalverfassungsrechtlichen Konsequenzen wie etwa der Mandatsverlust zu ziehen.

Das sagt der OB

OB Klingebiel nahm dazu gleich eingangs der Sitzung in einer persönlichen Erklärung Stellung. Er verurteilte das Vergehen „aufs Schärfste“ und betonte, dass die Taten „widerwärtig“ für das Opfer gewesen seien. Zudem wären durch den Schutz der Identität des Politikers alle Mandatsträger der Stadt unter Generalverdacht geraten. Der Vorfall habe in der Bevölkerung höchste Irritation verursacht. Klingebiel betonte, der Volksvertreter habe selbst zu erkennen, welche Konsequenzen allein aus Gründen von Anstand, Moral und Glaubwürdigkeit für sein Amt zu ziehen seien. Ausschließen könne ihn aber nicht der Rat, nur die eigene Partei.

Das meinen SPD und CDU

Von einer „unerträglichen Belastung des Rates als höchstes Organ unserer Stadt“, sprach anschließend SPD-Fraktionschef Frank Miska. Die Sozialdemokraten, die die Zeitungsberichte „mit Fassungslosigkeit und Entsetzen“ verfolgt hätten, distanzierten sich von diesem Politiker. Hätte es sich um ein Mitglied der SPD-Fraktion gehandelt, wäre konsequent gehandelt worden, betonte Miska.

Ähnlich reagierte sein Amtskollege von der CDU. Es sei eine „unerträgliche Situation entstanden“, betonte Thomas Huppertz. Dann richtete er sich direkt an die AfD-Fraktion und forderte sie dazu auf, den Politiker zum Mandatsverzicht zu bewegen. Für die Gruppe von Grünen und „Partei“ wandte sich Julia Mews an das Opfer der Tat und drückte der Frau sichtbar bewegt ihr „tiefstes Mitgefühl“ aus. „Unsere Abscheu gilt dem Täter, der immer noch in unseren Reihen sitzt“, rief sie. Marcel Bürger (Bündnisgrüne), Ercan Kilic (FDP) und Selahettin Ince (Linke) distanzierten sich ebenfalls sehr nachdrücklich von dem Mandatsträger.

So reagierte die AfD

Am Ende nahm AfD-Fraktionschefin Patricia Mair zu den Vorwürfen Stellung. Ihr sei weder bekannt, dass der Rat über einen Zeitungsartikel sprechen wolle, noch wisse sie, wer hier verdächtigt werde. Sie verwahrte sich gegen Anschuldigungen und drohte dem Rat mit rechtlichen Schritten. Gelächter schallte ihr entgegen.