Reykjavík. Das beliebte Ziel ist jetzt weniger überlaufen und günstiger als in der Hauptsaison. Orangenmalzbier gehört zur Vorweihnachtszeit.

In der Schneedecke sind nur wenige Fußspuren zu erkennen. Die Luft ist herrlich klar. Außer dem Rauschen des Hraunfossar, des Lava-Wasserfalls, dringt kein Laut ans Ohr. Dort, wo sich im Sommer Menschen drängeln, um einen Blick auf die blauen Fluten des Hvita-Flusses zu ergattern, steht die kleine deutsche Reisegruppe allein vor den Wasserkaskaden, die über schwarzes Vulkangestein in die Tiefe stürzen.

Island im Winter? Ist das nicht zu kalt? Das fragen die meisten, wenn man von Reiseplänen in die Hauptstadt Reykjavík und Umgebung vor Weihnachten berichtet. Nein, die Temperaturen liegen im Durchschnitt meist etwa zwei bis drei Grad über oder unter dem Gefrierpunkt – also durchaus verträglich. Allerdings kann manchmal ein eisiger Wind pfeifen, Tageslicht gibt es nur zwischen 10 und 16 Uhr. Doch ist die kalte Jahreszeit trotzdem eine gute Gelegenheit, die Insel im Nordatlantik zu besuchen.

Mietwagen und Hotel kosten

im Winter oft nur die Hälfte

Mit grandioser Natur und gerade mal 330 000 Einwohnern ist sie seit einigen Jahren extrem beliebt. 2,3 Millionen Touristen werden für dieses Jahr erwartet. Und die Mehrheit schiebt sich im Sommer zwischen Juni und September über die berühmte Ringstraße mit Geysiren, brodelnden Schlammlöchern oder dem historischen Versammlungsplatz Thingvellir. Wer jetzt kommt, zahlt für Mietwagen oder Hotels oft nur die Hälfte, teilt sich Wasserfälle und heiße Quellen mit deutlich weniger Touristen als sonst. Zwischen Oktober und März lassen sich außerdem Polarlichter sehen, zum Beispiel in Borgarnes, eine Autostunde nördlich von Reykjavík.

Im Icelandair Hotel Hamar können sich die Gäste an der Rezeption in die „Polarlichtweckruf“-Liste eintragen. Tanzen die Sonnenwinde, die von der Magnetosphäre der Erde aufgehalten werden, am Himmel, klingelt das Telefon: „Please, come out!“ Mit der „Northern Lights“-App auf dem Smartphone erscheint Aurora borealis auf Fotos noch mehr im typischen Grün. „Japanische Paare halten die Himmelserscheinungen für fruchtbarkeitsfördernd“, erzählt Arthur Bollason, 68, von Icelandair in fließendem Deutsch. Himmelsbeobachter freuen sich in dieser Nacht auch über außergewöhnlich strahlende Sternschnuppen – da sollten doch XXL-Wünsche in Erfüllung gehen.

Am nächsten Morgen wartet eine weitere Attraktion: Auf geht’s in den Gletscher! Mit einem mächtigen Spezialfahrzeug, dessen Reifendruck über eine Hydraulikleitung verändert werden kann, werden die Besucher über verschneite Routen bis auf 1260 Meter Höhe geschaukelt. „Es ist die größte von Menschen geschaffene Eishöhle weltweit“, erklärt Hrefna Larusdottir, 32, auf Englisch. Die Gruppe taucht ein

in die Gletscherwelt. Zartbesaitete sollten die Vorstellung, rund

40 Meter zusammengepressten Schnee über dem Kopf zu haben, ausblenden. Der Weg führt einen halben Kilometer vorbei an glänzenden Eiswänden, die über Bewegungsmelder immer wieder geheimnisvoll beleuchtet werden.

Wer keine Zeit für den Langjökull hat, findet in Reykjavík in der Gletscherausstellung im Perlan-Museum einen kleinen Ersatz. Mit minus 15 Grad ist es im Mini-Nachbau einer Gletscherhöhle deutlich kälter als im Original, in dem stetig Temperaturen um den Gefrierpunkt herrschen. Im warmen Erdgeschoss gibt es Informationen über die 400 Gletscher in Island und das klimabedingte

Abschmelzen der eisigen Riesen, beispielsweise des Sólheimajökull.

Aufheizen können sich Island-Besucher in den Hot Pots: Heißes Wasser ist auf der Insel unbegrenzt verfügbar und wird zum Heizen und für Freibäder benutzt. Leicht durchgeglüht empfiehlt sich ein Bummel durch die weihnachtsbeleuchteten Straßen von Reykjavík Richtung Hallgrímskirka. In den Geschäften in Laugavegur oder Skólavördurstígur lässt sich nach skandinavischer Designerware oder Wollpullovern stöbern.

Geräucherten Lachs kauft man am besten beim Flohmarkt im alten Zollhaus (nur am Wochenende), im Rathaus lockt ein Weihnachtsmarkt. Die Isländer essen in der Vorweihnachtszeit besonders gern doppelt geräucherten Lammschinken oder trinken Weihnachtsbier – eine köstlich-süße Mischung aus Malzbier und Orangenlimo (Egils Malt og Appelsin). Spezialitäten wie Gammelhai oder angesengte Schafsköpfe sind eher was für unerschrockene Wikinger-Gemüter...

Für die Kinder beginnt die Bescherung in dem an Sagen so

reichen Land lange vor Heiligabend: Die 13 Söhne einer Riesin, mit klangvollen Bezeichnungen wie Wurststibitzer, Essnapflecker oder Türzuschläger, stecken ihnen täglich Gaben in die Stiefel. Zum Fest gibt es dazu Geschenke von den Eltern. Wenn es ums Feiern geht, macht den Isländern niemand etwas vor – egal zu welcher Jahreszeit.