Arlberg. Das Pisten- und Freeride-Eldorado ist jetzt das größte Skigebiet Österreichs und eines der fünf größten weltweit.

Sorgfältig sucht Harald mit den Augen die verlockenden Hänge über uns ab. Tief verschneit zeigt sich die Bergwelt, ein Wintertraum. „Nein, sorry, Mädels. Das sieht nicht gut aus. Wir müssen leider weiter unten durch.“

Okay, tief durchatmen. Dann heißt es, das zerwühlte Gelände – von Freeridern bereits zerfahren und von der Sonne in Mitleidenschaft gezogen – anzugehen. Sauberste Technik ist angesagt, um sich nicht Knie oder Rücken zu verdrehen. Keine schwebende Abfahrt in lockerem Schnee weiter oben. Aber Sicherheit geht vor, will man noch lange den Traum vom Ritt in freiem Gelände erleben; hier, inmitten der Arlberger Berge und anderswo.

„Ich hätte Euch gern noch anderen Schnee geboten. Da war aber nicht mehr drin heute.“
„Ich hätte Euch gern noch anderen Schnee geboten. Da war aber nicht mehr drin heute.“ © Harald Rauter, Guide, über Sicherheit im Variantenfahren

Wir sind mit Harald Rauter von der Skischule Salober-Schröcken unterwegs, sind selbstredend ausgerüstet mit Lawinenschaufel, -sonde, Verschüttetensuchgerät. Unser Guide kennt das Gelände und seine Tücken, weiß, wo Gefahren lauern, die nur der Einheimische kennen kann.

Durch die neue Flexenbahn, die Zürs mit Stuben verbindet, wurde der Arlberg jetzt zum größten Skigebiet Österreichs und zu einem der fünf größten weltweit. 500 Ski-Kilometer, gut 300 auf der Piste und 200 Kilometer Varianten stehen im weißen Eldorado zur Verfügung. Für unser Trio, Guide Harald, Skilehrerkollegin Ute und mich, geht es gerade auf dem weiten Rücken der Mohnenfluh zurück zum Ausgangspunkt unserer Tour in Warth-Schröcken. Klatschnass nach der schweißtreibenden Arbeit im zerfahrenen Gelände sind wir fast ein wenig dankbar, als wir schließlich von Pistenraupen präpariertes Gelände unter den Skiern haben. „Super gemacht“, lobt uns Harald, als wir unten im S 1, der nach einer Abfahrt benannten Lounge, kühle Getränke durch unsere Kehlen zischen lassen. „Ich hätte Euch gern noch anderen Schnee geboten, da war heut aber nicht mehr drin“, will er sich fast entschuldigen. Braucht er nicht, es war trotzdem klasse, einmal mehr hatte der Skigigant Arlberg eines seiner vielen Gesichter gezeigt.

„Woanders zuleben, könnte ich mir nicht vorstellen. Berge sind ein Muss.“
„Woanders zuleben, könnte ich mir nicht vorstellen. Berge sind ein Muss.“ © Marko Fritz, Guide, der im Sommer Bergbauer ist

Eine Runde für die Legenden

Auf die Piste und zwar auf eine ganz besondere Runde geht es am Folgetag: Mit Hubert Strolz, dem selbst eines der kleinen „Denkmäler“ am Pistenrand gewidmet ist, starten wir auf den 65 Kilometer langen „Run of Fame“ zwischen Warth und St. Anton. Die Arlberger haben ihren Skilegenden von Wintersportpionier Hannes Schneider bis zur Olympia-Dritten Wiltrud Drexel eine Skirunde durchs ganze Revier gewidmet. 18 000 Höhenmeter, spektakuläre Abfahrten und atemberaubende Aussichten aus den Liften und Gondeln inklusive. Strolz, Olympiasieger der Kombination, ist in der Region verwurzelt, versorgt uns von Lech über Zürs bis St. Christoph und Anton und zurück mit Fakten und Geschichten aus der „Wiege des Skilaufs“.

Ja, man merkt, dass am Riesen Arlberg nicht nur Größe und Gigantomanie zählen, sondern auch Tradition und Heimatverbundenheit. Sie wollen hier die richtigen Anker für die Zukunft setzen. Weil Warth und Schröcken sehr kleine Orte sind, ist es umso wichtiger, dass Einheimische bleiben und nach Möglichkeit in ihre Existenzen investieren.

Neue Dorfbahn in Warth

So setzt man im 160-Seelen-Ort Warth (der etwas größere Bruder Schröcken kommt auf 220 Einwohner) einerseits auf kräftige Zukunftspfeiler. Dazu gehört neuerdings eine Dorfbahn, von der aus die Skitouristen ohne Auto oder Bus direkt im Skigebiet sind. Andererseits geht es um Überschaubarkeit, Behaglichkeit und darum, die Identität zu wahren.

„In einer halben Stunde hast du unser Dorf gesehen“, sagen Einheimische schmunzelnd. Genau das ist es, was viele Ruhesuchende und Naturliebhaber an den kleinen Gemeinden Warth und Schröcken schätzen.

Zu den Investoren, die einiges Geld in die Hand genommen haben und ihre Hotels, Ferienunterkünfte oder Höfe ausgebaut haben, zählen die Inhaber des Arud Hofs, des Warther Hofs und nicht zuletzt die der Jägeralpe am Hochtannbergpass, der Warth und Schröcken miteinander verbindet. Oskar Jäger und sein Sohn Oswald, deren vorangegangene Generationen noch als Senner eine kleine Alpe bewirtschafteten, bauten die Jägeralpe zum Ski- und Wanderhotel mit Fitness, Kinderwelt, Schwimmbecken, Weinkeller und eigener Wäscherei um.

Schulklassen und Ruhesuchende

Credo des Jungunternehmers: Angebote schaffen, die regional verwurzelt und möglichst vielseitig aufgestellt sind. Siegi Hollaus, Marketingchef der Skilifte Schröcken, hat zudem noch besondere Zielgruppen im Blick: Schulklassen und Jugendliche. Die Ansprüche der quirligen Jungskifahrer mit denen der Ruhesuchenden unter einen Hut zu bringen, das ist die Aufgabe von Hollaus und seinen Mitstreitern. Mit dem S 1 an der Talstation vom Salober Jet fühlen sich die Macher dabei bestens gerüstet: Gutes Essen, gute Musik und jeden Samstag eine Après-Ski-Party mit Live Musik, bei der man es dann doch mal krachen lassen kann ...

„Aadla“, nach dem Walser Wort für Bergkiefer haben die Schwarzmanns ihr Schröckener Chaletdorf genannt. Produkte aus der Region, Pelletheizung, Wasser- und Stromspareinrichtungen – Michaela und Elmar Schwarzmann wollen dazu beitragen, dass ihre Häuser im Walser Stil traditionell und nachhaltig gestaltet sind. Ein Jahr haben sie jetzt geöffnet. „Wir sind mit der Auslastung sehr zufrieden“, so Michaela Schwarzmann.

Skitour zur Widdersteinhütte

Wir gehen noch einmal unserem Faible für die Welt abseits der Pisten nach. Marko Fritz ist unser Guide, der uns bei einer Skitour auf die Widdersteinhütte bringen will. Der Widderstein, gut 2500 Meter hoch, zählt zu den Hausbergen von Warth-Schröcken.

Ein weiterer grandioser Exkurs erwartet uns. Der Wind bläst ein wenig, blauer Himmel, weiße Wolken, ein paar frische Schneeflocken. Felle dran, den Rhythmus finden, der Aufstieg ist Teil jedes kleinen Tourenabenteuers. Wir lassen uns Zeit, müssen immer wieder ein paar Fotos der grandiosen Bergwelt machen. Eine riesige Hand scheint um uns herum ein gigantisches Gemälde entstehen zu lassen.

Marko ist Senner im Sommer, zudem Bergnarr mit ganzer Seele. „Woanders zu leben, könnte ich mir nicht vorstellen“, sagt er. „Natur, das brauche ich um mich herum, das muss sein.“ Wir passieren die im Winter unbewirtschaftete Hütte und suchen uns in einem kleinen Kar eine windgeschützte Ecke. Picknick vor der Abfahrt. Und dann fahren, nein, wir schweben abwärts. Etwas Firn und eine leichte Neuschneeauflage, wir schreiben Zöpfe an den Berg. Skifahrers Traum.