Graz. Wenn sich Blätter verfärben und der Wein geerntet ist, passt die Zeit für eine Genussreise in die Südsteiermark.

Der Herbst ist da – die richtige Zeit für eine Genussreise in die Südsteiermark, Österreichs südöstlichste Ecke. Wälder und Weinberge strahlen goldfarben. Über den Tälern liegen Nebelschwaden und verleihen der von Hügeln geprägten Landschaft etwas Mystisches. Reges Treiben bei der Ernte der letzten Trauben des Jahres in den Weinbergen wechselt mit Weinverkostungen an den Wochenenden. Unterwegs laden Buschenschänken zur Einkehr ein.

Zu verdanken ist diese Art Heurigenseligkeit dem Habsburger Kaiser Joseph II. Er erließ 1784 eine Zirkularverordnung, dass jedermann zu jeder Zeit die von ihm selbst erzeugten Weine und Moste anbieten dürfe. Dazu eigenes Brot, Geräuchertes, Frischkäse, Käse und den berühmten Aufstrich „Verhackert’s“, für den jede Familie ihr eigenes Rezept hat und dessen Name mit Griebenschmalz nur unzureichend beschrieben ist. Er schmeckt sehr gut auf frischem Brot und macht auch einen herrlichen Weindurst, den die Schankwirte gern löschen.

Als Ausgangspunkt für eine kulinarische Tour empfiehlt sich St. Andrä im Sausal. Das 1800 Einwohner zählende Dorf liegt 35 Kilometer südöstlich von Graz und lockt verwöhnte Gourmets an. Sie zieht es zu Tom Riederer, der zusammen mit seiner Frau Katarina aus dem verfallenen alten Pfarrhof einen der schönsten Gasthöfe Österreichs gemacht hat. Die Gäste sitzen unter weiß gekalkten Gewölben und erleben eine Genussreise in Etappen. „Zeit dafür müsst ihr aber schon mitbringen“, sagt Riederer bereits bei der Reservierung. „Und ich koche nicht nach Rezept, sondern nach Gefühl“, fügt er noch hinzu. Da ist der Gast besonders gespannt, was auf den Tisch kommt.

Es sind zunächst Kalbsbällchen, unter deren Knusperhülle sich eine kräftig-intensive Kalbfleischmasse verbarg, deren Geschmack durch den blauen Senf mit seiner milden Schärfe unterstützt wird. Und es geht so weiter: gebackener Ziegenkäse mit einer Emulsion aus Gurkenschalen und Himbeeren sowie Wolfsbarsch in Salzkruste mit Erdäpfeln. Höhepunkt: das 63-Grad-Stundenei von der Sulmtaler Henne mit Kressespinat und Kernölschaum.

Eine Spezialität ist zum Beispiel der Ölkürbis, der das berühmte Kürbiskernöl ergibt: Dunkelgrün, beinahe schwarz schimmernd, verleiht er den heimischen Traditionsgerichten ihre unnachahmliche nussige Würze. Ob in Salaten oder in Fischgerichten, sogar in Süßspeisen, hat sich das „schwarze Gold“ der Steiermark bewährt. Wer mehr wissen will, kann sich im Kernöl-Museum in Heimschuh informieren. Dort erfahren Besucher zum Beispiel, dass für einen Liter Öl die Kerne von rund 35 reifen Kürbissen benötigt werden. Aber nicht nur Sehen und Hören ist angesagt, man kann schnuppern, schmecken und etwas für sich oder Freunde einkaufen.

Vor allem Welschriesling ist international hoch angesehen

Bekannter noch als das Kürbiskernöl sind die Weine der Steiermark. Vor allem Welschriesling, Sauvignon blanc, Morillon (der steirische Chardonnay) oder Weißburgunder haben es zu internationalem Ansehen gebracht. Viele Weingüter lassen sich zum Beispiel entlang der Sausaler Weinstraße erkunden.

Hügelauf und ab stehen zwischen Reben schmucke Winzerhäuser. Eine kurvenreiche Straße führt aus dem Sulmtal bis auf eine Höhe von 564 Metern nach Kitzeck. Der Ort wirbt damit, das höchstgelegene Weindorf Europas zu sein. Dort befindet sich auch das erste steirische Weinmuseum. Winzer Michael Pronegg zeigt den Besuchern, wie hart früher gearbeitet und wie bescheiden gelebt wurde. „Trotzdem waren die Menschen glücklich“, kommentiert er. „Schauen Sie hier, in diesen schweren Butten wurden die Trauben aus dem Weinberg hinunter ins Tal zur Presse geschleppt. Für jede Fuhre gab es eine Kerbe in den Stock, und am Abend wurde abgerechnet.“

Einfach sei die wirtschaftliche Situation heute auch nicht. Deshalb gebe es viele Mischbetriebe mit Weinbau, Buschenschank und Gästezimmern. „Immer mehr Gäste entdecken unsere Region, schätzen das gute Essen und Trinken.“ Manche sprechen sogar von der steirischen Toskana – ein Beiname, den Pronegg nicht gern hört: „Besser sollten sie da unten von der italienischen Südsteiermark sprechen“, scherzt er.

Zum Abschluss einer Rundreise lohnt ein Besuch in Ehrenhausen. Dort bietet die moderne Weinerlebniswelt Erzherzog Johann Weine Führungen und Verkostungen an. Hinter dem Namen verbirgt sich eine Winzergenossenschaft mit rund 250 Traubenproduzenten, die kontinuierlich seit 100 Jahren ausgezeichnete Weißweine und Sekte erzeugt.