Wolfsburg. Die Agus Selbsthilfegruppe für Trauernde in Wolfsburg gibt Menschen, die einen nahestehenden Menschen durch Suizid verloren haben, Halt.

Ihr Bruder hätte einfach nur 200 Meter über die Straße gehen müssen. Genau gegenüber wohnte sein bester Freund und „der hätte ihn nie im Leben alleine gelassen und ihm mit Sicherheit geholfen“. Doch Andrea Losanskys Bruder ging nicht über die Straße, sondern wählte die Selbsttötung.

Jetzt, knapp fünf Jahre später, hat die 58-Jährige im Juni die Agus-Selbsthilfegruppe, das sind Angehörige um Suizid, in Wolfsburg gegründet. Selbsthilfegruppen für Trauernde nach Suizid gibt es mittlerweile in der ganzen Bundesrepublik, getragen werden sie von der Bundesgeschäftsstelle in Bayreuth. In Deutschland nehmen sich jedes Jahr etwa 10.000 Menschen das Leben. Das sind fast dreimal so viele, als durch Verkehrsunfälle sterben.

Reden hilft, die eigene Trauer zu überwinden

„Überleben und weiterleben – das ist für die meisten Angehörigen nach einem Suizid unsagbar schwer. Zu der Trauer kommt noch dieses totale Entsetzen, dass sich ein Mensch selbst getötet hat. Man stellt sich immer wieder die gleichen Fragen, der Kopf kommt nie zur Ruhe. Ich war wie in einem Käfig gefangen, aus dem ich nicht mehr herauskam“, erklärt die Sozialarbeiterin. Kurz nach dem Ereignis hätte sie bloß funktioniert, habe aber eigentlich total neben sich gestanden.

Als sie weinend durch die Praxis ihres Hausarztes läuft, verschreibt ihr dieser eine ambulante Psychotherapie, später nimmt Andrea Losansky an einem Forschungsprojekt mit dem Titel „Hilfe nach Suizid“ in Berlin teil. „Dass mein Bruder sich selbst so unvermittelt aus seinem eigenen Leben gerissen hat, hat mich voll aus der Bahn geworfen. Ich habe deshalb verzweifelt nach jedem Anker gegriffen, der sich mir geboten hat“, sagt Andrea Losansky. Und so einen Anker möchte sie jetzt auch anderen bieten. Denn, wenn sie eines gelernt hat, dann: „Im Grunde genommen hilft nur eines: reden, reden, immer reden. “

Die Selbsthilfegruppe schenkt Kraft und Halt

Die Trauer kann nämlich immer wieder auftreten, mittlerweile spricht die Forschung von „verschiedenen Traueraspekten“: „Die Gefühle überwältigen mich immer wieder. Das ist wie eine Welle, die über meinen Kopf hinweg brandet.“ Erst in diesem Jahr wurde die „anhaltende Trauerstörung“ als eigenständige Diagnose von der Weltgesundheitsorganisation aufgenommen.

„Die Gruppe mit Menschen, die das gleiche Schicksal teilen, die wissen, wie man sich fühlt, gibt mir Kraft und Halt. In der Gruppe wird nicht gewertet, nicht geurteilt, nicht verurteilt. Es gilt absolute Verschwiegenheit. Hier kann man mit eigenen Augen sehen, dass andere es geschafft haben, ein kleines Stück eines neuen Weges zu gehen, das macht Mut“, berichtet die Gruppenleiterin. Ihrer Erfahrung nach wandelt sich die unfassbare Traurigkeit irgendwann zu einer inneren Verbundenheit mit dem Verstorbenen: „Man wird dankbar, dass man diesen Menschen in seinem Leben hatte. Erinnert sich, was für ein toller Mensch er gewesen ist und kann so die Liebe, die positiven Gefühle, behalten und verstärken.“ Gleichzeitig würde man eine neue Orientierung finden, um das Geschehene zu integrieren und so den eigenen Lebenssinn zu erkennen.

Die Spendengelder sollen die Situation für Suizidtrauernde erträglicher machen, beispielsweise durch die ermöglichte Teilnahme an den Agus-Jahrestagungen oder an Trauer-Seminaren.

Ab dem neuen Jahr trifft sich die Gruppe wieder jeden vierten Freitag um 17.30 Uhr in den Räumlichkeiten der KISS in der Saarstraße 10a in Wolfsburg. Immer donnerstags zwischen 18 und 20 Uhr ist Andrea Losansky unter der Handynummer 0170 67 18854 erreichbar. Weitere Infos gibt es auch auf der Homepage https://wolfsburg.agus-selbsthilfe.de/ oder bei der bundesweiten Seite https://agus-selbsthilfe.de/ .

So können Sie spenden

Spenden sind möglich auf das Konto der Aktion unter dem Stichwort „Das Goldene Herz“. Alle Spenden kommen ohne Verwaltungsaufwand den Projekten zugute. Einzahlungen bei allen Banken und Sparkassen auf das Spendenkonto des Paritätischen Braunschweig bei der Braunschweigischen Landessparkasse:
IBAN: DE53 25050000 0000300616
BIC: NOLADE2HXXX

Geben Sie auf Ihrer Überweisung Ihre Anschrift für eine Spendenquittung an. Bis 300,- Euro gilt der Überweisungsträger als Quittung. Die Namen der Spender veröffentlichen wir in unserer Zeitung auf der Leser-Seite. Wer das nicht möchte, schreibt bitte zusätzlich in den Verwendungszweck das Wort „Anonym“.

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