Peine/Braunschweig. Der Mann soll im Kreis Peine und in Braunschweig zuschlagen. Katzenexpertin Birga Dexel empfiehlt gesicherten Leinengang.

Viele Katzenbesitzer im Kreis Peine und in der Stadt Braunschweig sind in Angst. Seit Monaten soll sich ein mutmaßlicher Katzenquäler und -killer in der Gegend herumtreiben. Und so warnt auch der Verein Katzenschutz Braunschweig auf seiner Facebook-Seite vor einem Fallensteller, berichtet von einer Hütte zwischen Denstorf und Wedtlenstedt, die dem Mann zugeschrieben werde, und von dortigen Durchsuchungen, bei denen Katzen gefunden worden seien.

Als Tatorte genannt werden unter anderem: Wedtlenstedt, Denstorf, Klein und Groß Gleidingen, Bortfeld, Wendeburg, Vechelade, Sonnenberg, Sierße, Vechelde im Landkreis Peine sowie etwa Lamme, Lehndorf oder die Weststadt in Braunschweig. Die Polizei Peine ermittelt, das Verfahren liegt inzwischen bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig.

Die aus TV-Sendungen wie „Hundkatzemaus“ (Vox) bekannte Katzenexpertin Birga Dexel bringt Katzen mithilfe des Clicker-Trainings gesicherten Leinengang bei.
Die aus TV-Sendungen wie „Hundkatzemaus“ (Vox) bekannte Katzenexpertin Birga Dexel bringt Katzen mithilfe des Clicker-Trainings gesicherten Leinengang bei. © Andreas Friese

Das sagen Polizei und Staatsanwalt

„Das Verfahren richtet sich gegen einen im Landkreis Peine wohnhaften Mann, der sich wohl aber zumindest zeitweise auch im Bereich Braunschweig aufhält“, teilt der Peiner Polizeisprecher Malte Jansen auf Anfrage mit. Und Christian Wolters, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig, bestätigt: „Wir führen hier tatsächlich Ermittlungen wegen möglicher Katzendiebstähle (Entführungen) und sonstigen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz. Die Ermittlungen richten sich gegen einen namentlich bekannten Beschuldigten. Derzeit sind die Ermittlungen aber nicht abgeschlossen.“ Folglich könnten zurzeit noch keine weiteren Details mitgeteilt werden.

Katzen chippen und registrieren

Angelika Malik, Vorsitzende des Vereins Katzenschutz Braunschweig, rät unterdessen: „Lassen Sie Ihre Tiere unbedingt vom Tierarzt mit einem Mikrochip versehen und diesen bei Tasso oder beim Tierschutzbund registrieren. Nur diese beiden Register werden von Tierärzten und Tierschützern abgefragt, wenn es Fundtiere gibt.“ Weiterhin weist der Verein darauf hin, vermisste Tiere dort unbedingt zu melden, auch bei umliegenden Tierschutzorganisationen und Tierärzten, zudem Aushänge und Wurfzettel mit Fotos zu machen sowie die Vermisstenanzeige in den einschlägigen Gruppen für vermisste Tiere in der Region bei Facebook zu posten und umgehend Anzeige gegen unbekannt zu erstatten. Malik: „Halten Sie die Augen offen und schützen Sie Ihre Katzen, indem Sie sie nachts nicht rauslassen.“ Je zutraulicher Katzen seien, umso einfacher komme ein Täter an sie ran.

Das Foto soll das Fahrrad des Katzenentführers zeigen – mit einer Käfigkonstruktion für den Transport der Tiere.
Das Foto soll das Fahrrad des Katzenentführers zeigen – mit einer Käfigkonstruktion für den Transport der Tiere. © privat

Was Katzenbesitzer jetzt tun können

Was können Katzenbesitzer, die Angst um ihre Tiere haben, derzeit tun? Wir fragten das Cat Institute Birga Dexel. Katzenexpertin Birga Dexel, bekannt aus TV-Formaten wie „Hundkatzemaus“ (Vox), sieht gesicherten Leinengang als eine Option. Das sei derzeit etwa auch ein Thema im baden-württembergischen Walldorf, wo das Landratsamt ein Freilauf-Verbot für Katzen bis Ende August verfügt hat, weil dort die brütende Haubenlerche geschützt werden soll (siehe unten).

Gehe die Katze zusammen mit ihrem Besitzer raus und bleibe bei ihm, sei dies neben gesichertem Leinengang eine weitere Möglichkeit, ihr Freigang zu gewähren, solange sich ein Katzenentführer in der Gegend herumtreibe, meint Dexel und fügt hinzu: „Katzen einzusperren ist sehr schwierig, wenn sie Freigang gewöhnt sind. Das kann zu Problemen im Haus führen, weil zum einen die normale Routine der Katze unterbrochen ist. Zum anderen sind Katzen territoriale Tiere, die Revieransprüche haben, die sie verteidigen möchten. Eingesperrt zu sein, bedeutet enormen Stress.“ Letzten Endes sei es eine Risiko-Nutzen-Abwägung, ob Halter ihre Tiere der Gefahr aussetzen wollen, weggefangen zu werden. „Wichtig ist, die Gefahr einzuschränken, die Katze im Auge zu behalten und nachts oder in den frühen Morgenstunden – wenn nur wenige Leute unterwegs sind – drinnen zu lassen“, betont Dexel.

Der mutmaßliche Katzenentführer, aufgenommen von einer Überwachungskamera in Klein Gleidingen im Kreis Peine.
Der mutmaßliche Katzenentführer, aufgenommen von einer Überwachungskamera in Klein Gleidingen im Kreis Peine. © Privat

Leinengang – nur mit Walking Jacket

Parallel dazu empfehle sie, mit dem Training des gesicherten Leinengangs zu beginnen. Dazu benötige es ein festes Geschirr, ein so genanntes Walking Jacket. Am besten direkt für die Katze angefertigt, also maßgeschneidert, denn aus den meisten im Handel erhältlichen Geschirren könne sich die Katze hinauswinden. „Auf gar keinen Fall darf man den Fehler machen, das Jacket sofort anzulegen“, erläutert die Katzen-Verhaltenstherapeutin weiter. „Dann kann es für immer und ewig verbrannt sein.“ Stattdessen müsse mit dem Walking Jacket Schritt für Schritt, im individuellen Tempo der Katze, trainiert werden.

Clickern als Trainingsmethode

Dazu eigne sich das Clicker-Training. Mit einem Clicker – ähnlich einem Knackfrosch aus Kindertagen – wird ein Geräusch erzeugt, auf das man die Katze konditioniert. Führt sie im Training ein bestimmtes gewolltes Verhalten aus, erfolgt ein Klick und darauf ein Leckerli. So lernt die Katze durch positive Verstärkung. Clickern sei eine Kommunikationsmethode, stärke die Bindung zwischen Halter und Tier, bereite beiden Seiten Spaß und laste die Katze geistig und körperlich aus, sagt Dexel. Und es helfe in Alltagssituationen. So könne etwa der Tierarztbesuch trainiert werden, das Steigen in eine Transportbox oder die Eingabe von Medikamenten.

Eine selbst gebaute Fangschlinge, befestigt an einer Katzenklappe eines Wohnhauses in der Braunschweiger Weststadt.
Eine selbst gebaute Fangschlinge, befestigt an einer Katzenklappe eines Wohnhauses in der Braunschweiger Weststadt. © Privat

Um das Anlegen eines Walking Jackets und später der Leine zu trainieren, müssten zunächst die Grundlagen fürs Clickern geschaffen werden. Einfache Übungen wie Slalomlaufen oder das Absolvieren eines Hindernis-Parcours sollten sitzen, bevor mit dem Walking-Jacket-Training in vielen kleinen, zunächst auch kurzen Teilschritten – etwa Auflegen, am Hals und später am Bauch schließen – begonnen werde. Wichtig sei, nicht zu schnell vorzugehen, sagt die Katzenexpertin. „Mit ein paar Wochen Training muss man auf jeden Fall rechnen.“ Erst ganz zum Schluss werde die Leine angelegt, damit zunächst im Haus oder in der Wohnung geübt, später im Treppenhaus. „Die Katze muss lernen, dass da noch jemand am anderen Ende der Leine hängt“, sagt Dexel. Sie dürfe nicht in Panik geraten, wenn sich die Leine spanne. Erst wenn dies alles sitze, könne mit der Katze nach draußen gegangen werden.

Und nicht zu vergessen: Eine Katze sei kein Hund. „Mit ihr geht man anders an der Leine; die Katze gibt Richtung und Tempo vor, nicht der Mensch“, erklärt Dexel, die davon abrät, einfach auf die Straße oder in den Park zu gehen. „Da lauern viel zu viele Gefahren. Hunde zum Beispiel. Und es ist außerhalb des Reviers der Katze.“ Stattdessen empfiehlt die Katzen-Verhaltenstherapeutin gesicherte Areale wie den eigenen Garten oder den von Freunden oder Verwandten, einen Schrebergarten oder den Hinterhof eines Mietshauses. Mobile Zäune können als Absicherung dienen, dazu ein ganz fest sitzendes Walking Jacket oder ein zweites Geschirr, damit die Katze nicht doch mal entwischt. „Ich bin eine große Freundin von doppelten Böden“, sagt Dexel.

Diese Falle wurde am Feldrand bei Wedtlenstedt gefunden.
Diese Falle wurde am Feldrand bei Wedtlenstedt gefunden. © Privat

Leinengang für wen?

Kann man denn den Freigänger plötzlich an die Leine nehmen? Ja, meint Dexel. Aber: „Je unkontrollierter der Freigang war, desto schwieriger wird es und desto mehr muss ich ins Training investieren.“ Daher empfehle sich, das Tier in der Wohnung durch Training und Spiel auszupowern, die Wohnung für die Katze attraktiv, spannend und mit Klettermöglichkeiten zu gestalten. „Die Besitzer müssen quasi die Erfahrungswelt der Katze von draußen nach drinnen verlegen.“ Und auch Wohnungskatzen würden gesicherten Leinengang genießen, frische Luft bekommen, andere Gerüche und Geräusche erleben. „Das ist verbesserte Lebensqualität“, betont die Expertin.

Gesicherter Leinengang bedeute auch ein längeres Leben der Katze. „Wenn ich die Katze fragen würde, möchtest du lieber 15 Jahre gesund und fit leben und mit mir zusammen im Garten herumstrolchen oder möchtest du, dass man dich mit eineinhalb Jahren von der Straße abkratzt, dann bin ich mir sicher, sie würde sagen: Ich möchte lieber 15 Jahre mit dir zusammenleben und wir haben zusammen noch eine tolle Zeit.“ Die Lebensbedingungen für Katzen hätten sich über die Jahre stark verändert, die Gefahren draußen seien größer geworden. „Viele Katzen werden überfahren, bevor sie das erste Lebensjahr erreichen. Sie können verhungern und verdursten, weil sie irgendwo reingekrabbelt sind und niemand sie findet, oder sie werden vergiftet“, sagt Dexel. „Es ist nicht mehr das Leben, das Katzen früher geführt haben. Als verantwortungsvoller Katzenhalter muss man sich diesen neuen Realitäten stellen.“

Diese Falle wurde am Feldrand bei Wedtlenstedt gefunden. Alle sechs Bilder stammen in Absprache mit dem Verein Katzenschutz von deren Facebook-Seite.
Diese Falle wurde am Feldrand bei Wedtlenstedt gefunden. Alle sechs Bilder stammen in Absprache mit dem Verein Katzenschutz von deren Facebook-Seite. © privat

Weitere Informationen zu Clicker-Training und gesichertem Leinengang gibt es online unter birgadexel.com. Wer seine Katze vermisst und einen Verdacht hat, kann sich an die örtlichen Polizeidienststellen wenden oder online Anzeige gegen unbekannt stellen: online-strafanzeige.de

Hausarrest für Katzen in Walldorf und neue Katzenschutzverordnung in Berlin:

• Um die vom Aussterben bedrohte Haubenlerche zu schützen, hat das Landratsamt der Stadt Walldorf im Rhein-Neckar-Kreis (Baden-Württemberg) eine Allgemeinverfügung erlassen, nach der Hauskatzen im südlichen Teil der Stadt bis Ende August 2022 sowie die nächsten drei Jahre jeweils von April bis einschließlich August nicht mehr vor die Tür dürfen. Für den Fortbestand der Art komme es „auf das Überleben jedes einzelnen Jungvogels“ an, teilte der Landkreis mit. Der Tierschutzverein Wiesloch/Walldorf will dagegen juristisch vorgehen. Einige Katzenbesitzer haben bereits Widerspruch eingelegt.

Mit dieser sich selbst zuziehenden Schlinge um den Hals kam im März eine Katze in Braunschweig-Lamme nach Hause.
Mit dieser sich selbst zuziehenden Schlinge um den Hals kam im März eine Katze in Braunschweig-Lamme nach Hause. © Privat

• Der niederländische Umweltjurist Arie Trouwborst, der sich mit EU-Naturschutzrecht befasst, sieht in dem Freilauf-Verbot für Katzen in Walldorf „eine möglicherweise wegweisende Weichenstellung weit über Baden-Württemberg hinaus“, an dessen Ende unter Umständen eine für ganz Europa verbindliche Rechtsprechung stehen könnte. Das sagte er dem Online-Wissenschaftsportal „Spektrum.de“: „Wenn etwa Katzenhalter diese Anordnung vor Gericht anfechten, könnte das zu einer eingehenden Befassung mit der richtigen Interpretation der Vogelschutzrichtlinie führen. Sollten sich die Gerichte in weiteren Instanzen unsicher sein, wie diese auszulegen ist, wäre es möglich, dass sie den Europäischen Gerichtshof um Klärung bitten. Das ist sogar eine Verpflichtung, wenn das höchste zuständige Gericht eines Landes sich nicht sicher in einer Interpretation ist“, sagte Trouwborst.

• Eine neue Katzenschutzverordnung tritt in Berlin am 8. Juni in Kraft. Berliner Tierhalter dürfen ihre Katzen künftig nur noch im Freien herumlaufen lassen, wenn diese kastriert, mit einem Chip versehen und registriert sind. Mit der Verordnung soll eine unkontrollierte Verbreitung von frei lebenden Katzen (Streunern) verringert werden. Laut Tierschutzbund gibt es mindestens 1071 Städte und Gemeinden mit Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungsverordnungen für Katzen. Quelle: dpa/Spektrum.de/Tierschutzbund

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