Unternehmen und Forscher profitieren von erfolgreichem Technologietransfer in der Region. Zwei Beispiele: Recycling und Stahl.

Auch so kann Strukturwandel aussehen: Gut 30 Jahre nach dem Ende des Bergbaus hat sich das alte Erzrevier Harz zur Recyclingregion gemausert. „In Zeiten der Rohstoffverknappung wird das Wiederverwerten von Abfällen zur Pflicht“, erklärt Professor Daniel Goldmann von der Technischen Universität Clausthal. Der Leiter des Instituts für Aufbereitung, Deponietechnik und Geomechanik ist treibende Kraft hinter der „Recyclingregion Harz“, einem Verbund, dem mittlerweile über 100 Unternehmen und 12 Hochschulen angehören.

Der Schlüssel für diesen Erfolg liegt in gelungenem Technologietransfer: die Schritte von der Forschung über die Entwicklung bis zur Anwendung innovativer Produkte im Leben. Unabdingbar hierfür: der enge Austausch zwischen Forschern und Wirtschaft. Goldmann, 61 Jahre alt, kennt beide Seiten. 21 Jahre hat er in der Industrie gearbeitet, erst beim Montanriesen Preussag, dann bei VW, wo er das Standardverfahren zur Verwertung geschredderter Alt-Autos mitentwickelte. „Wir sind ununterbrochen im Transfer unterwegs“, sagt er. „Dadurch sind viele Arbeitsplätze entstanden – in Industrie und Forschung.“ Allein an der TU Clausthal gebe es heute 35 Professuren, die sich mit Recycling beschäftigten.

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Auch wenn sich zu Goldmanns Freude selbst harzferne Regionen wie Kassel, Halle oder Leipzig der „Recyclingregion“ angeschlossen haben, betont er die Bedeutung räumlicher Nähe: „Wir sind flächenmäßig gerade mal doppelt so groß wie das Silicon Valley“, sagt er. Das sei gut so, denn: „Wenn man wirklich Neues bewegen will, braucht man geballte Forschungskompetenz auf engem Raum.“

Ähnlich äußert sich Dr. Benedikt Ritterbach, Geschäftsführer der Salzgitter Mannesmann Forschung (SZMF), einer Tochter des Stahlriesen Salzgitter: „Was unsere Partner in Wissenschaft und Forschung angeht, sind wir international unterwegs“, sagt er. „Trotzdem gilt: Je näher, desto besser.“ In Niedersachsen arbeite die SZMF etwa mit den Unis Braunschweig, Clausthal und Hannover sowie mit der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften zusammen. Auch mit Instituten der Fraunhofer Gesellschaft gebe es enge Partnerschaften.

Wie der Technologietransfer bei der SZMF funktioniert, darauf gibt Ritterbach eine klare Antwort: „Dass wir von der Grundlagenforschung ausgehend neue Technologien entwickeln, ist eher die Ausnahme. In der Regel analysieren wir die für uns relevanten Trends und formulieren dann konkreten Forschungsbedarf.“ Der Vorteil solcher „Market Pull“-Innovationen sei, dass man nicht am Markt vorbei entwickele. „Für uns als Unternehmen steht nicht wissenschaftliches Interesse, sondern der Mehrwert für den Kunden im Fokus.“

Aber es gibt auch Beispiele, wo „Technology Push“ und „Market Pull“ aufeinandertreffen: Derzeit tüfteln SZMF-Forscher an einem neuen Stahl mit einer extrem hohen Verschleißfestigkeit – etwa für Baggerschaufeln. „Ultrafeinlamellare Bainite konnte man bisher nur unter Laborbedingungen herstellen. Unsere Entwickler haben eine Möglichkeit gefunden, wie man diese superinteressante Stahlgruppe auch industriell produzieren kann.“

Ritterbach ist überzeugt: „In Deutschland haben wir ein hervorragendes Forschungsnetzwerk, das große, kleine und mittlere Unternehmen mit Hochschulen und außeruniversitären Instituten in vorwettbewerblicher Forschung zusammenbringt. Darauf dürfen wir uns viel einbilden.“

„Wir stehen zu unserer Industrie-nähe“, sagt auch Goldmann. Diese bedeute aber nicht, einem bestimmten Unternehmen verpflichtet zu sein. „Es heißt vielmehr, dass wir anwendungsorientierte Forschung machen.“ Letztlich gehe es um die großen Herausforderungen Energie-, Mobilitäts- und Rohstoffwende. Um sie zu meistern, brauche es zielgerichtete Forschung. „Losgelöst von diesen großen Fragen unserer Zeit zu forschen, ist nicht meine Vorstellung von Verantwortung.“