Braunschweig. Verkehrspsychologe: Die Mischung der Verkehrsteilnehmer birgt zunehmend Sprengstoff.

Während die Zahl der Unfalltoten und Verletzten in den letzten Jahrzehnten stetig gesunken ist, klagen viele Beobachter über eine Verrohung der Sitten im Straßenverkehr. Der Verkehrspsychologe Prof. Mark Vollrath von der Technischen Universität Braunschweig sagte im Interview mit unserer Zeitung, im Schnitt 10 bis 20 Prozent der Verkehrsteilnehmer berichteten, dass sie in den zurückliegenden zwei Wochen Situationen im verkehr als aggressiv oder negativ erlebt hätten.

Polizei: Verbale und handgreifliche Vorfälle haben zugenommen

Auch die Polizei beobachtet eine zunehmende Verrohung im Straßenverkehr. Dies berichtete Stefan Weinmeister, Sprecher der Polizeiinspektion Braunschweig. „Dass verbale oder handgreifliche Vorfälle in den letzten zehn Jahre deutlich an Häufigkeit zugenommen haben, unterschreibt Ihnen jeder Polizist in Braunschweig“, sagte. Typische Fälle seien Verletzungen der Vorfahrt, bei denen es anschließend zum Streit komme. Dieser eskaliere nicht selten und ende teilweise mit Drohungen oder gar Gewalt.

Kampagne „Freundlich und fair im Straßenverkehr“

Um rüden Verhalten im Verkehr entgegenzuwirken, hat die Braunschweiger Polizei bereits 2017 die Kampagne „Freundlich und fair im Straßenverkehr“ gestartet. Die Polizei wirbt mit ihrer Aktion auf Flugblättern und in Sozialen Medien für ein „verständnis- und respektvolles Miteinander“ auf der Straße.

Ob mehr Fälle von Pöbelei im Verkehr vor Gericht landen, bleibt allerdings unklar. Jürgen Langkopf, Strafrichter am Amtsgericht Braunschweig konnte die Wahrnehmung einer Verrohung im Verkehr gegenüber unserer Zeitung „weder bestätigen, noch in Abrede stellen“. In seiner Abteilung des Gerichts habe er zumindest nicht den Eindruck einer Zunahme entsprechender Fälle gewonnen. Allerdings wies er darauf hin, dass auch nur ein gewisser Teil der Verfahren letztlich vor Gericht lande.

Ursachen: Verkehrsdichte und Verkehrs-Mix

Als Ursachen von mehr Aggressivität im Straßenverkehr nennt der TU-Psychologe Vollrath zum einen die Zunahme der Dichte des Verkehrs. Zum anderen sei der Mix der Verkehrsmittel bunter geworden. „Durch die aus umweltpolitischer Sicht begrüßenswerte Zunahme des Radverkehrs sind solche Konflikte häufiger geworden. Entschärfen lässt sich das nur, wenn man Auto- und Radverkehr vernünftig trennt“, sagte er.

Leserforum am 12. November – Reden Sie mit!

„Freie Fahrt für Pöbelei – muss unsere Gesellschaft den anständigen Umgang wieder lernen?“ – Diesem Thema widmet unsere Zeitung am 12. November im BZV Medienhaus ein Leserforum, an dem sich auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil beteiligen wird. Auch die Verrohung im Straßenverkehr wird ein Thema der Veranstaltung sein. Antworten