Celle. Nach der Festnahme des Hildesheimer Predigers Abu Walaa könnte eine weitere Führungsperson der Terrormiliz IS an dessen Stelle gerückt sein.

Der Hildesheimer Prediger Abu Walaa galt bis jetzt als der Kopf der Terrormiliz Islamischer Staat in Deutschland. Und in der Hierarchie direkt unter ihm: zwei Islamisten aus dem Ruhrgebiet, die sich wie der Hildesheimer seit September für Unterstützung und Mitgliedschaft im IS vor dem Oberlandesgericht in Celle verantworten müssen. Am Dienstag kommt während des Prozesses aber zur Sprache, dass die Ermittler offenbar an einer weiteren Führungsperson im mutmaßlichen Rekrutierungs-Netzwerk dran sind. Diese habe nach der Festnahme Abu Walaas vermutlich dessen Funktion eingenommen, heißt es in einem Vermerk. „Gibt es das Netzwerk also weiter?“, will einer der Verteidiger von Abu Walaa von der Polizeibeamtin des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen wissen, die an diesem Tag als Zeugin geladen ist. Die 37-Jährige hüllt sich in Schweigen: „Wie der Ermittlungsstand in diesem Fall ist, kann ich nicht sagen.“

Tatsächlich bleiben noch viele Fragen offen in einem Verfahren, das immer wieder Überraschungen bereit hält. Nachdem vor einigen Monaten unvermittelt der sogenannte Tempelbomber Yusuf T. als neuer Belastungszeuge aufgetaucht war, gilt nun auch zu klären, welche Rolle Abu Walaa und die anderen vier Angeklagten in Bezug auf den Anschlag auf den Essener Sikh-Tempel im April 2016 spielten. Yusuf T. war im vorigen Jahr zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. In der JVA Iserlohn erzählt er den Ermittlern, dass ihn der Prediger in seinem Vorhaben bestärkt habe, Anschläge in Deutschland zu begehen. Einen Monat, bevor der Jugendliche und sein Freund einen Sprengsatz auf den Tempel warfen, will er Abu Walaa von seiner frisch gegründeten Chat-Gruppe mit Gleichgesinnten erzählt haben. Der Hildesheimer habe ihn ermuntert, an seinen Plänen festzuhalten und weitere Mitglieder zu gewinnen. „Er fühlte sich gefestigt, mit der Gruppe einen Anschlag weiter zu planen“, sagte die Ermittlerin Mitte Juni vor Gericht. Allerdings habe Yusuf T. keinem der Angeklagten einen konkreten Termin oder ein bestimmtes Ziel genannt, erklärt sie nun auf Nachfrage der Verteidiger. Vielmehr hätten sein Freund und er sich spontan zu der Tat entschlossen.