Berlin. Extrem warme Sommernächte bringen viele Menschen um den Schlaf. Laut einer neuen Studie können sie sogar lebensgefährlich sein.

Es ist bereits nach Mitternacht. Das Thermometer auf dem Balkon zeigt immer noch 23 Grad Celsius. Die Meteorologen haben dafür einen Begriff: Tropennacht. Und eine solche kann Menschen nicht nur den Schlaf rauben, sie ist einer neuen Studie zufolge auch lebensgefährlich.

„Wir wollten verstehen, inwiefern hohe Nachttemperaturen ein Gesundheitsrisiko darstellen“, sagt Dr. Alexandra Schneider, Chefin der Arbeitsgruppe Umweltrisiken beim Helmholtz-Zentrum für Gesundheit und Umwelt in München. Deshalb habe ein von ihr geleitetes Forschungsteam die Auswirkungen nächtlicher Hitze auf das Schlaganfallrisiko untersucht. „Dies ist auch deshalb von Bedeutung, weil durch den Klimawandel die nächtlichen Temperaturen deutlich schneller zunehmen als die Tagestemperaturen“, so Schneider weiter.

Immer ein Notfall: Wer Symptome eines Schlaganfalls zeigt, sollte sofort den Notruf wählen.
Immer ein Notfall: Wer Symptome eines Schlaganfalls zeigt, sollte sofort den Notruf wählen. © Shutterstock / peterschreiber.media | peterschreiber.media

Laut Definition des Deutschen Wetterdienstes (DWD) sinkt in einer Tropennacht die Lufttemperatur in der Zeit zwischen 18 und 6 Uhr nicht unter 20 Grad Celsius. In Deutschland ist das bisher eher die Ausnahme. An den meisten Messstationen des DWD gab es im Mittel der Jahre 1981 bis 2010 weniger als eine Tropennacht pro Jahr.

Hitze: Mit dem Klimawandel steigt auch die Anzahl der Tropischen Nächte

In Jahren mit sehr heißen Sommern aber, und davon gab es zuletzt auch aufgrund des Klimawandels mehr, steigt auch die Zahl der Tropennächte. So wurden nach Angaben des DWD im Jahr 2015 an den Stationen Waghäusel-Kirrlach (Baden-Württemberg) und Bad Bergzabern (Rheinland-Pfalz) 13 Tropennächte registriert, an der Station Frankfurt/Main-Westend (Hessen) zwölf. Auch 2023 gab es in Teilen Deutschlands nach Zahlen des Umweltbundesamtes (UBA) bis zu acht Tropennächte, vor allem im Südwesten.

Die Forschenden des Helmholtz Zentrums haben eine Tropennacht sogar noch schärfer definiert als der DWD. Sie orientierten sich am sogenannten „Hot Night Excess Index“, kurz HNE. Dieser bemisst, wie stark die nächtlichen Temperaturen über einen Schwellenwert ansteigen, der sich an den wärmsten Nächten eines Untersuchungszeitraums orientiert. In der Schlaganfall-Studie lag dieser Wert bei 14,6 Grad Celsius. Stiegen die Temperaturen nachts darüber, werteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dies als Tropische Nacht.

Um die Zusammenhänge zwischen den nächtlichen Temperaturen und der Häufigkeit eines Schlaganfalls untersuchen zu können, analysierten die Helmholtz-Forschenden dann die Daten der Abteilung für Neurologie am Uniklinikum in Augsburg. Diese hatte 15 Jahre lang, von 2006 bis 2020, Zahlen und Fakten zu rund 11.000 Schlaganfällen erhoben.

Schlaganfall: Gehirn wird nicht mehr mit Blut versorgt

Nach Angaben der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigte die Auswertung, dass nächtliche Hitze das Risiko, einen ischämischen Schlaganfall zu erleiden, um sieben Prozent erhöht. Ein ischämischer Schlaganfall, auch Hirninfarkt genannt, wird gewöhnlich durch eine Blockade einer Arterie ausgelöst, die das Gehirn mit Blut versorgt. „Insbesondere ältere Menschen und Frauen sind gefährdet, wobei in den Kliniken nach heißen Nächten vor allem Schlaganfälle mit milden Symptomen diagnostiziert werden“, sagt einer der Studienautoren, Dr. Cheng He.

Dass Hitze vor allem für ältere Menschen lebensgefährlich sein kann, hatten bereits andere Untersuchungen ergeben. Nach Angaben des UBA liegt einer der Gründe darin, dass Hitze in besonderer Weise das menschliche Herz-Kreislauf-System beanspruche. Gesundheitlich äußerst problematisch seien dabei heiße Tage in Kombination mit Tropennächten. Der Körper könne sich dann wegen fehlender Nachtabkühlung nicht ausreichend gut erholen, so das UBA.

Laut Alexandra Schneider geht das erhöhte Schlaganfallrisiko in warmen Nächten wahrscheinlich auf Faktoren wie Dehydriering, also Flüssigkeitsmangel, eine höhere Zähflüssigkeit des Blutes sowie Veränderungen der Funktion der Blutgefäße zurück. „Erhöhte Blutviskosität während einer heißen Nacht fördert die Bildung von Blutgerinnseln und verringert die Effizienz der Durchblutung“, erklärt Schneider auf Anfrage.

Aus den Ergebnissen ihrer Studie wollen die Forschenden nun Empfehlungen ableiten für Strategien, um beispielsweise das Problem städtischer Hitzeinseln zu verkleinern. Ziel sei es, die Bevölkerung vor den Folgen nächtlicher Hitze besser zu schützen, so das Helmholtz-Zentrum. Außerdem könne die Studie als Grundlage dafür dienen, um eine bessere Schlaganfall-Prävention zu entwickeln. Alexandra Schneider: „Je früher diese Präventionsmaßnahmen zum Einsatz kommen, desto besser.“

Jährlich erleiden etwa 270.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Schlaganfälle sind weltweit die zweithäufigste Todesursache und machen 6,6 Prozent aller Todesfälle aus.