Braunschweig. Nur ein Prozent der Fälle wird vom Zoll aufgedeckt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) rechnet mit einer deutlichen Erhöhung des Mindestlohns.

Viele Arbeitgeber in Niedersachsen zahlen ihren Beschäftigten nicht den gesetzlichen Mindestlohn aus. Laut dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) handelt es sich um 212 000 Arbeitnehmer. „Dabei sind genau sie es, die häufig jeden Cent mehrmals umdrehen müssen“, sagte Mehrdad Payandeh, DGB-Chef in Niedersachsen, auf Anfrage.

Laut den Berechnungen der Gewerkschaft, die unserer Zeitung vorliegen, sind 8,9 Prozent aller anspruchsberechtigten Beschäftigten in Niedersachsen betroffen. Das ist weit mehr als der westdeutsche Schnitt. Dieser liegt bei 7,3 Prozent.

Die Gewerkschaft hat Datensätze mit Blick auf Monatslöhne und Arbeitszeiten ausgewertet. Nicht berücksichtigt hat sie Beamte, Selbstständige, Auszubildende, frühere Langzeitarbeitslose und Branchen, in denen ein Mindestlohn bezahlt wird, der über dem gesetzlichen Mindestlohn von 8,84 Euro liegt.

Der DGB spricht von einem „Massenphänomen“. Bundesweit werden demnach 2,2 Millionen Beschäftigte in Deutschland um den gesetzlichen Mindestlohn gebracht. Besonders häufig prellen Arbeitgeber in den Branchen Hotel- und Gaststättengewerbe, im Einzelhandel sowie im Speditionswesen ihre Beschäftigten um den Mindestlohn.

Die Gewerkschaft beziffert die Lohnausfälle und entgangenen Sozialbeiträge in Deutschland auf 7,6 Milliarden Euro pro Jahr. Payandeh: „Beschäftigte und Allgemeinheit werden also gleichermaßen geschädigt.“

Der DGB kritisiert die geringe Kontrolldichte der Unternehmen. In Niedersachsen hat der Zoll vergangenes Jahr exakt 2581 Verstöße gegen das Mindestlohngesetz aufgedeckt. Dabei leiteten die Behörden fast in jedem Fall Strafverfahren ein, wie aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums an den niedersächsischen Bundestagsabgeordneten Victor Perli (Die Linke) hervorgeht. Mit Blick auf die vom DGB berechneten 212 000 Betroffenen verfolgt der Zoll also nur etwa ein Prozent sämtlicher Fälle.

Perli sagte: „Die Beschäftigten beim Zoll leisten gute Arbeit. Die Zoll-Behörden sind aber chronisch unterbesetzt.“ Auch der DGB fordert eine Aufstockung. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat bereits angekündigt, den Zoll stärken zu wollen. Konkrete Zahlen nannte er nicht.

Laut Bundesfinanzministerium sind derzeit nur 6429 Stellen von 7211 bei der Zoll-Abteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit in Deutschland besetzt. Diese kontrolliert auch die Einhaltung des Mindestlohns. Der DGB fordert mindestens 10 000 Stellen.

Neben schärferen Kontrollen kündigte Heil am Wochenende auch eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns an. „Die Mindestlohnkommission wird noch im Juni eine Erhöhung vorschlagen. Angesichts der guten wirtschaftlichen Lage gehe ich von einer kräftigen Erhöhung aus“, sagte der SPD-Politiker der „Bild am Sonntag“.