Hannover. Pfeiffer: Abgelehnte Asylbewerber sollten bei Rückkehr in die Heimat unterstützt werden.

Die Zahl der Gewalttaten in Niedersachsen ist entgegen dem langjährigen Trend zuletzt gestiegen. Das zeigt eine vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebene Studie von Kriminologen unter Leitung von Niedersachsens ehemaligem Justizminister und Ex-Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Professor Christian Pfeiffer, die am Mittwoch veröffentlicht wurde.

Demnach nahm die Gewaltkriminalität 2015 und 2016 um 10,4 Prozent zu; zwischen 2007 und 2014 hingegen war sie um 21,9 Prozent gesunken. Verantwortlich für den jüngsten Anstieg waren laut der Studie zu 92,1 Prozent Flüchtlinge. „Es gibt aber abhängig von der Aufenthaltsperspektive große Unterschiede“, sagt Pfeiffer im Gespräch mit unserer Zeitung. So stellten Kriegsflüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak zwar 54 Prozent der Flüchtlinge, seien aber nur für 16 Prozent der Raubdelikte verantwortlich. Umgekehrt begingen abgelehnte Asylbewerber aus Nordafrika, die 0,9 Prozent der neuen Zuwanderer ausmachen, 31 Prozent der Raubüberfälle.

„Je höher der Frauenanteil, desto braver die Männer.“
„Je höher der Frauenanteil, desto braver die Männer.“ © Christian Pfeiffer, ehemaliger Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen

Zudem spiele der Mangel an Frauen eine große Rolle. „Je höher der Frauenanteil, desto braver die Männer“, so Pfeiffer. Wegen der gefährlichen Anreise über das Mittelmeer kämen aus Nordafrika aber vor allem junge Männer.

Diese stammten aus „männlichen Dominanzkulturen“, was potenziell zum Konflikt mit gleichberechtigten Frauen in unserer Gesellschaft führen könne. „Diese Männer erhalten hier nicht den Respekt und auch die Angst, die sie gewohnt sind“, sagt Pfeiffer.

Doch der Kriminologe ist optimistisch, dass dieses Problem zumindest bei den Kriegsflüchtlingen lösbar sei: „Es gibt bewährte Muster kulturellen Lernens.“ So sei es in den vergangenen 15 Jahren gelungen, die weit verbreitete „Machokultur“ bei türkischen Jugendlichen durch Bildung und zivilgesellschaftliches Engagement, beispielsweise von Vereinen, zurückzudrängen. „Das ist eine große, aber machbare Aufgabe“, so Pfeiffer.

Abgelehnte Asylbewerber allerdings müssten das Land verlassen. Der Kriminologe setzt auf eine „große Geste“ der künftigen Bundesregierung, die die Rückkehr finanziell unterstützen solle.

Die Sozialexpertin Hildegard Schooß wies bei der Orakel-Veranstaltung unserer Zeitung darauf hin, dass in der Debatte über Flüchtlinge auch bedacht werden müsse, welche negativen Folgen es habe, wenn Zuwanderung abgelehnt würde. „Es ist wichtig, dass man sich nicht nur empört“, sagt sie. Viele Pflegeeinrichtungen zum Beispiel seien schon heute auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Integration könne gelingen, betont Schooß: durch möglichst viel persönlichen Kontakt zwischen Neu- und Altbürgern.