Berlin. Parteichef Sigmar Gabriel wirft der Union vor, Radikale zu stärken. Die Versicherer fordern eine Reform der Riester-Vorsorge.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat der Union vorgeworfen, einer Rentendebatte auszuweichen und damit radikale Parteien zu fördern. Es sei „gefährlich für den demokratischen Konsens, wenn man eine der wichtigsten sozialen Fragen aus dem Wahlkampf heraushalten will“, sagte Gabriel unserer Zeitung. Damit öffne man radikalen Populisten Tür und Tor. „Wenn die Union sagt, dass sie nicht mehr über die Rente reden will, dann soll sie mal über die Grenze nach Österreich schauen“, sagte der Vizekanzler. Im Nachbarland könne man „sehen, was passiert, wenn eine große Koalition das Volk aus den Augen und für dessen Probleme das Gehör verloren hat“.

Ungeachtet der Kritik aus der Union und von einzelnen SPD-Politikern beharrte Gabriel auf seiner Forderung nach einer massiven Kurskorrektur in der Rentenpolitik. „Wir müssen alles unternehmen, das weitere ungebremste Absinken des Rentenniveaus nach 2020 zu stoppen und das Rentenniveau zu stabilisieren“, sagte der SPD-Chef. Nach der geltenden Gesetzeslage kann das Rentenniveau von heute knapp 48 Prozent bis 2030 auf 43 Prozent sinken, später dürfte das Niveau weiter abnehmen. „Man kann nicht Hunderte Milliarden Euro zur Stabilisierung von Banken bereitstellen, aber bei der Stabilisierung des Rentenniveaus sagen, dass für die Menschen leider kein Geld da sei“, erklärte Gabriel. Er warnte, kein junger Mensch werde über 40 Jahre lang in die Rentenkasse einzahlen wollen, wenn am Ende ein Rentenniveau von nur noch knapp 40 Prozent stehe. Die Politik müsse eine Lösung gegen die drohende Altersarmut vieler Menschen finden.

Mehr Geringverdiener sollen Riester-Verträge abschließen

Der SPD-Chef verwies darauf, dass immer mehr Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiteten und damit Angst vor Altersarmut haben müssten, auch durch die Digitalisierung der Arbeitswelt. Kritik an seinem Kurs wies Gabriel mit dem Hinweis zurück, eine gesellschaftliche Debatte werde zu einem Expertendiskurs im „Fachchinesisch“ gemacht. Nachdem die SPD die Debatte angestoßen habe, „meldeten sich die Zahlenfüchse und selbst ernannten Weltökonomen, um ihre Weisheiten vorzutragen“, meinte Gabriel. Dies habe viele Menschen weiter verunsichert.

Die Versicherungswirtschaft wehrt sich unterdessen gegen die Kritik an der Riester-Rente und fordert die Politik zu Reformen auf. „Alle, die jetzt ein Konzept verteufeln, für das sie vor 15 Jahren geworben haben, zerstören Vertrauen“, sagte der Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Alexander Erdland, unserer Zeitung. „Mehr als 16 Millionen Menschen sind den Empfehlungen der Politik gefolgt und haben privat vorgesorgt. Will man 16 Millionen für dumm verkaufen?“ Damit sich die Zahl der Geringverdiener mit Riester-Verträgen erhöht, schlagen die Versicherer vor, private Vorsorge nicht automatisch auf die Grundsicherung anzurechnen. Außerdem sollten auch Selbstständige Verträge abschließen können und die Einzahlung flexibilisiert werden. Erdland plädierte für einen „sanften Zwang“ zur Vorsorge. Arbeitsverträge sollten automatisch eine Vorsorge enthalten, wenn der Arbeitnehmer nicht widerspricht.