Celle. Im Celler IS-Prozess sieht die Anklage den dringenden Tatverdacht gegen den Hassprediger durch die im Prozess erhobenen Beweise sogar noch erhärtet.

Ist der Hildesheimer Prediger Abu Walaa Kopf eines bundesweiten Rekrutierungs-Netzwerks, mit dessen Hilfe etliche junge Islamisten zur Terrormiliz IS nach Syrien gereist sind? Seit Ende September muss sich das Oberlandesgericht in Celle mit dieser Frage beschäftigen. Nach Ansicht seiner Verteidiger gibt es dafür keine Beweise. Der Kronzeuge Anil O., ein ehemaliger IS-Anhänger und Syrien-Rückkehrer, habe den 34-Jährigen und vier weitere Angeklagte um des eigenen Vorteils willen belastet. Doch die Bundesanwaltschaft sieht nach wie vor „dringenden Tatverdacht“. Einen Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls lehnte sie am Dienstag ab. Der Tatverdacht habe sich durch die bisher erhobenen Beweise sogar noch erhärtet.

Abu Walaas Anwalt Peter Krieger hatte in der vorigen Woche drei Stunden lang begründet, warum der Prediger aus der U-Haft entlassen werden müsse. Zu angeblichen Gesprächen mit Abu Walaa habe der Kronzeuge zum Beispiel nur bruchstückhafte Angaben machen können. Auch seine Aussagen über das „Netzwerk“ blieben dünn.

Die Bundesanwaltschaft hält Anil O. dagegen weiterhin für glaubwürdig und sieht dessen Aussagen durch weitere Beweismittel gestützt – etwa durch Videoaufnahmen, die Auswertung von Kommunikationsdaten und -inhalten, Erkenntnissen aus Observationen und Angaben eines V-Mannes. Dass das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen bei den Ermittlungen gegen das Netzwerk einen schnellen Erfolg benötigte und deswegen mit Anil O. kooperierte, wie die Verteidigung behauptet, sei eine Unterstellung. 2015 sei erst gegen Anil O. ermittelt worden, weil er als radikalisiert und gefährlich galt. „Ermittlungen gegen ein Netzwerk waren damals noch nicht abzusehen“, sagte eine Vertreterin der Bundesanwaltschaft. Erst nach den Aussagen Anil O.s seien dann weitere Ermittlungen erfolgt. „Der Zeuge hat sich durch die Schilderungen selbst belastet und auch selbst gefährdet.“ Außerdem habe auch ein V-Mann seine Begegnungen mit Abu Walaa in der Hildesheimer Moschee geschildert. Sie deckten sich mit den Schilderungen Anil O.s.

Nun müssen noch die Richter über eine Haftentlassung entscheiden. Im Fall des Mitangeklagten Ahmed F.Y. hatten sie einen ähnlichen Antrag der Verteidiger bereits zurückgewiesen.

Möglicherweise werden zwei weitere Zeugen wichtige Erkenntnisse auch zur Glaubwürdigkeit Anil O.s liefern können. Da ist zum einen Fadil Rudolf S.: Laut Anklage soll er im Sommer 2014 mit der Hilfe von Abu Walaa und zwei der Angeklagten nach Syrien ausgereist sein. Am 3. November 2016 verurteilte ihn das Oberlandesgericht Düsseldorf zu vier Jahren und sechs Monaten Haft.

Auch der Bremer Harry S. könnte noch als Zeuge geladen werden. Er war 2016 wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrororganisation zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Darüber hinaus hatte ihn die Bundesanwaltschaft wegen gemeinschaftlich begangenen mehrfachen Mordes angeklagt, weil er an einer Hinrichtung in Syrien beteiligt gewesen sein soll. Das OLG Hamburg hatte die Anklage allerdings mit Verweis auf das Doppelbestrafungs-Verbot abgelehnt.

Harry S. könne bestätigen, dass der Kronzeuge Anil O. nicht zu medizinischen Zwecken nach Syrien ausgereist ist, wie dieser immer behauptet hat, ist der Goslarer Anwalt Matthias Jochmann überzeugt. „Er hat am bewaffneten Dschihad teilgenommen.“