Berlin. Exklusiv-Umfrage: Die Parteichefs von Union und SPD erhalten schlechte Noten. Besser schneiden Özdemir und Lindner ab.

Wenn im neuen Jahr die Sondierungen für eine weitere Große Koalition beginnen, sitzen die größten Verlierer des alten Jahres als Verhandlungsführer am Tisch – so sieht es eine Mehrheit der Deutschen. Die Meinungsforscher von Kantar Emnid ermittelten im Auftrag unserer Zeitung, welche Politiker 2017 eher als Gewinner oder eher als Verlierer wahrgenommen werden. Für Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz fällt das Resultat der repräsentativen Umfrage ernüchternd aus. Unter zehn ausgewählten Parteipolitikern schneiden die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD am schlechtesten ab – ein Nachhall der Bundestagswahl, die Union und SPD schwere Einbußen bescherte.

Verlierer des Jahres ist Schulz, der zu Jahresbeginn noch mit
100 Prozent der Delegiertenstimmen zum Nachfolger von Sigmar Gabriel an der Spitze der SPD gewählt worden war. 67 Prozent der Befragten sehen ihn nun als Verlierer, nur 23 Prozent als Gewinner. Zehn Prozent wollen sich nicht festlegen. Bitter für Schulz: Auch unter den Anhängern der SPD gilt er inzwischen überwiegend als Verlierer (47 zu 43 Prozent). Besser schneidet Gabriel ab, der gerade nach Wegen sucht, wie er Außenminister bleiben kann. Je 41 Prozent sehen ihn als Verlierer und als Gewinner – und die SPD-Wählerschaft zieht für ihn eine positive Jahresbilanz
(30 zu 64 Prozent).

Das zweitschlechteste Ergebnis erzielt Seehofer, der nach dem Wahldebakel im September seine Zukunftspläne ändern musste: Markus Söder wird ihn als Ministerpräsident und Spitzenkandidat für die Bayern-Wahl im nächsten Herbst ablösen. CSU-Chef kann Seehofer zunächst bleiben, außerdem hofft er auf einen Platz an Merkels Kabinettstisch. Für
61 Prozent der Deutschen ist er damit ein Verlierer und für 25 Prozent ein Gewinner dieses Jahres. Söder indes, bisher Finanzminister in Bayern, schneidet unter
den aufgeführten Parteipolitikern am besten ab: 23 Prozent sehen Söder als Verlierer, 43 Prozent
als Gewinner. Die Zahl derer, die sich nicht entscheiden wollen, ist mit 34 Prozent allerdings sehr hoch.

Und die Bundeskanzlerin? Merkel hat – trotz erheblicher Einbußen – die Union zum vierten Sieg bei einer Bundestagswahl geführt. Dann aber scheiterten die Sondierungen für eine Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP. Merkels abwartende Verhandlungsstrategie, die sich auf EU-Gipfeln bewährt hat, stieß an ihre Grenzen. 53 Prozent der Befragten werten ihre Jahresbilanz negativ, 41 Prozent positiv. Auf das eigene Lager kann Merkel sich eher stützen als ihr sozialdemokratischer Amtskollege Schulz: 33 Prozent der CDU/CSU-Anhänger beschreiben sie als Verliererin, 62 Prozent als Gewinnerin. Es gibt übrigens nur eine Altersgruppe, die Merkels Wirken in diesem Jahr mehrheitlich als vorteilhaft empfindet: Unter den 14- bis 29-Jährigen nehmen 38 Prozent die Kanzlerin als Verliererin und 58 Prozent als Gewinnerin wahr.

Wer hat in den Jamaika-Sondierungen am erfolgreichsten das Gesicht gewahrt? Offenbar die Grünen. Der scheidende Parteichef Cem Özdemir, der als Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl zusammen mit Katrin Göring-Eckardt ein bestenfalls ordentliches Ergebnis für seine Partei holte, gilt 34 Prozent der Befragten als Verlierer und 45 Prozent als Gewinner – zweitstärkstes Ergebnis hinter CSU-Aufsteiger Söder.

FDP-Chef Christian Lindner, der das Ende der Jamaika-Sondierungen herbeiführte, kommt in der Umfrage auf einen Mittelplatz: 40 Prozent halten ihn für einen Verlierer, 38 Prozent für einen Gewinner des Jahres. Unterscheidet man nach Parteipräferenz, ergibt sich Bemerkenswertes: Die Anhänger von Union, SPD, Grünen und Linken beurteilen Lindner vor allem negativ, während er in zwei Lagern positiv gesehen wird: unter den Anhängern seiner Freien Demokraten (13 zu 75 Prozent) – und bei der AfD. Dort stufen 31 Prozent den FDP-Chef, der in den Jamaika-Sondierungen für eine strikte Flüchtlingspolitik eintrat, als Verlierer ein. Für 65 Prozent der AfD-Wähler ist Lindner ein Gewinner.