Detroit. Für VW ist die rechtliche Aufarbeitung von „Dieselgate“ in den USA fast abgeschlossen. Fortan stehen einzelne verantwortliche Mitarbeiter vor Gericht.

Oliver Schmidt hat schon einiges hinter sich. „Die letzten elf Monate hinter Gittern in den Vereinigten Staaten waren die schwierigste Zeit in meinem Leben“, klagte der langjährige VW-Manager vor wenigen Tagen in einem Brief an US-Richter Sean Cox, der ihn am Mittwoch wegen Verschwörung zum Betrug und Verstoßes gegen Umweltrecht verurteilen will. Die Anhörung vor dem Gericht in Detroit soll um 14.00 Uhr Ortszeit (20.00 Uhr MEZ) beginnen.

Auf eine milde Strafe kann Schmidt indes kaum hoffen. Beim ersten Urteil gegen einen mutmaßlich am Abgas-Betrug beteiligten Ingenieur zeigte Cox keine Gnade. Der Richter ging sogar deutlich über die Forderungen der Staatsanwaltschaft heraus, er schickte den Kronzeugen James Liang trotz umfassender Kooperation bei den Ermittlungen für 40 Monate in Haft und verhängte eine Geldstrafe von 200 000 Dollar.

Im Fall Schmidts, der laut Anklage von Februar 2012 bis März 2015 in leitender VW-Funktion mit Umweltfragen in den USA betraut war, sieht es noch schlechter aus. Das FBI hatte den Deutschen am 7. Januar vor dem Rückflug von einem Florida-Urlaub in die Heimat geschnappt. „Auf der Toilette des Flughafens von Miami von acht Beamten verhaftet und in Handschellen zu meiner Frau geführt zu werden“, beschreibt Schmidt als eines seiner bis dahin „erniedrigendsten Erlebnisse“.

Doch die Demütigungen hätten damit erst begonnen, so der 48-Jährige in dem Schreiben an Cox, aus dem zuerst die „Bild“-Zeitung unter der Überschrift „VW-Manager schreibt Bettel-Brief an US-Richter“ zitierte. Sein Foto im Knastanzug - der in den USA übliche „Mugshot“ - habe Schande über ihn gebracht und ihn weltweit zum Gesicht von „Dieselgate“ gemacht. Später wurde Schmidt in Gefängniskluft mit Handschellen und Fußfesseln bei Gerichtsterminen vorgeführt.

Die letzten Monate schildert der Angeklagte als Spießrutenlauf durch verschiedene US-Hochsicherheitsgefängnisse. Dass sich das Mitleid von Richter Cox in Grenzen hält, musste Schmidt aber schon einmal erfahren. Zunächst hatte er eine Mittäterschaft am Abgas-Skandal abgestritten und versucht, gegen Kaution auf freien Fuß zu kommen. Doch trotz 1,6 Millionen Dollar an finanziellen Sicherheiten und etlicher Empfehlungsbriefe von Freunden und Familie: Cox schmetterte den Antrag im März ab, die Anschuldigungen seien „sehr, sehr ernst“.

Es folgten zermürbende Monate, bevor Schmidt im August schließlich ein Schuldbekenntnis abgab und sich bereiterklärte, mit den Strafverfolgern zusammenzuarbeiten. Durch diesen Deal wurden zwar wesentliche Teile der Anklage fallengelassen, das maximale Strafmaß sank drastisch. Es drohen ihm aber immer noch bis zu sieben Jahre Gefängnis und eine hohe Geldstrafe. Zudem ist die Chance nun verloren, in einem Prozess um einen Freispruch zu kämpfen.

Während Schmidt sein Urteil erwartet und seit Monaten unter dem Freiheitsentzug leidet, hat VW insgesamt den Abgas-Betrug in den USA weitgehend abgehakt. Auf Konzernebene haben die Wolfsburger ein Geständnis abgegeben und damit kriminelle Vergehen eingeräumt - einzelnen angeklagten Mitarbeitern erleichtert das die Verteidigung nicht eben. VW hat bei zivil- und strafrechtlichen Vergleichen über 25 Milliarden Euro an Kosten verbucht und sich so von weiteren Ermittlungen freigekauft.

Die Suche nach den verantwortlichen Managern ist damit jedoch noch lange nicht abgeschlossen, sie wird auch nach der Verurteilung Schmidts weitergehen. Das Problem der US-Fahnder ist jedoch, dass die restlichen Beschuldigten - darunter auch Schwergewichte wie etwa der frühere VW-Entwicklungsvorstand Heinz-Jakob Neußer - in Deutschland vermutet werden. Von dort dürfte den meisten von ihnen vorerst keine Auslieferung in die USA drohen. Reisen dürften für sie aber gefährlich bleiben.

Ob man mit Schmidt einen Schlüsselspieler oder ein Bauernopfer zu fassen bekommen hat, bleibt ungewiss. Die Ermittler in den USA gehen von einer Verschwörung bis in oberste Kommandoebenen aus, dieses Format hat der bestenfalls der mittleren Führungsebene zuzuordnende Manager nicht. Schmidt selbst blickt heute verbittert und enttäuscht auf VW. „Ich muss sagen, dass ich mich im Diesel-Skandal von meinem Unternehmen missbraucht fühle“, heißt es im Brief an Richter Cox.

Sein Fehler sei vor allem gewesen, die Befehle von oben befolgt zu haben: „Ich hätte diese Anweisungen ignorieren sollen.“ Er sei immerhin einer der wenigen Mitarbeiter gewesen, die den Betrug im August 2015 vor den US-Behörden eingeräumt hätten. Schmidts Appell schließt reumütig: „Ich möchte noch einmal bekräftigen, wie sehr es mir leid tut, US-Gesetze verletzt zu haben.“ Der Tag der Urteilsverkündung werde einer der härtesten seines Lebens sein.