Berlin. Das Auswärtige Amt spricht junge Leute auf Instagram an: Russland sei nicht das beste Reiseziel – „für ein Date mit dem Online-Flirt.“

Russlands Geheimdienste stellen in Deutschland verlockende Fallen auf: bei Dating-Plattformen. Das geht aus der jüngsten Warnung des Auswärtigen Amts hervor, jedenfalls auf Instagram.

Dort schreiben die Diplomaten von Außenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen), „Vorsicht übrigens auch bei Tinder, Hinge, Bumble und Co: Hier können falsche Motive hinter neuen Kontakten stecken.“ Tinder versichert aber, dass man sich aus dem russischen Markt längst zurückgezogen habe.

Weiter heißt es in der ungewöhnlich adressierten Reisewarnung: Die Möglichkeiten der Diplomaten seien nicht grenzenlos. „Anders als in Hollywood-Filmen können wir Euch nicht einfach irgendwo aus dem Gefängnis holen.“ Deswegen solle man die Reise- und Sicherheitshinweise für Russland ernst nehmen.

Im Visier: Vor allem Bundeswehrsoldaten

Ein Online-Flirt ist grundsätzlich überall auf der Welt möglich. Zuletzt hatte die „Welt am Sonntag“ berichtet, dass die Agenten von Kremlchef Wladimir Putin auf Dating-Portalen gezielt Ausschau nach Profilen von Bundeswehrsoldaten und Politikern halten, um sie als Informanten zu gewinnen; um sie als Quellen abzuschöpfen. Davor sei auf einer Tagung in Süddeutschland, an der Militärangehörige mehrerer Nato-Staaten teilnahmen, ausdrücklich gewarnt worden.

Das bestätigte das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) auch unserer Redaktion. Ein BAMAD-Sprecher sagte: „Diese Kontakte werden genutzt, um gezielt Daten und Informationen über die Bundeswehr und ihre Fähigkeiten zu sammeln und/oder Bundeswehrangehörige als menschliche Quellen zu werben.“

Spionageabwehr bestätigt Baerbock

Darauf spielen Baerbocks Leute also an, wenn es auf Instagram lapidar heißt: „Russland ist derzeit nicht das beste Reiseziel für ein erstes Date mit dem Online-Flirt.“

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Ganz generell ist die Truppe ein strategisches Aufklärungsziel ausländischer Nachrichtendienste, nicht nur der Russen. Viele Dienste sammeln Daten und Informationen über

  • Fähigkeiten und Strukturen der Streitkräfte,
  • Rüstung und Forschung,
  • Deutschlands Rolle in NATO und EU,
  • die militärische Unterstützung der Ukraine.

Nützlich sind für die Geheimdienste durchaus auch öffentlich zugängliche Informationen, im Jargon der Agenten: „Open Source Intelligence“. Das schließt laut Spionageabwehr Inhalte aus sozialen Medien ein.

Isoliert betrachtet, wirkt manche Information „zunächst vielleicht unbedeutend“, so das BAMAD. Aber in der Masse verdichte sich ein Lagebild nach und nach. Deswegen würden die Russen den digitalen Raum nutzen „und dabei sowohl Ansprachen über soziale Netzwerke als auch klassische Cyberangriffe durchführen.“

Verfassungsschutz alarmiert

Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang behauptet, die Aktivitäten in Deutschland seien „auf einem Niveau wie zu Zeiten des Kalten Krieges“. Im Klartrext: So stark wie seit 30 Jahren nicht mehr. Es sind mindestens drei Dienste aktiv, GRU im Auftrag des russischen Militärs, der Auslands-Nachrichtendienst SWR und der Inlandsnachrichtendienst FSB.

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Ein wichtiges Ziel der Aufklärung, insbesondere für den Militärdienst GRU, ist die Ausbildung von Soldaten für den Ukraine-Krieg. Es wurden verdächtige Drohnen an Truppenübungsplätzen in Bayern und Baden-Württemberg beobachtet, wo die Bundeswehr ukrainische Soldaten ausbildet.

Im Jahr 2023 wurden nach Recherchen von WDR und NDR 446 solcher Drohnen gesichtet. Das Ausmaß der potenziellen Bedrohung sei so groß, dass auch das Kanzleramt alarmiert sei. Eingetreten ist der Schaden schon bei zwei Verdachtsfällen von Landesverrat, die längst nicht nur Sicherheitsbehörden, sondern auch die Justiz umtreiben.

Fallbeispiel Nummer 1: Der BND-Mann

Ende August 2023 erhob der Generalbundesanwalt Anklage vor dem Staatsschutzsenat des Kammergerichts in Berlin gegen Carsten L. und Arthur E. Carsten L. war ein Coup der Russen. Der Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes beschaffte sensible Daten, insgesamt mindestens neun Dokumente, die der Geschäftsmann Arthur E. dann nach Moskau brachte.

Fallbeispiel Nummer 2: Der Bundeswehrsoldat

Vor wenigen Wochen, erst Mitte März, folgte eine zweite Anklage, diesmal vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gegen den ehemaligen Bundeswehroffizier Thomas H. Auch er soll Informationen an einen russischen Nachrichtendienst durchgestochen haben.

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