Berlin. Bereitet sich Russland auf einen Militärkonflikt mit der Nato vor? Wie Experten, Politiker und Geheimdienste die Warnzeichen deuten.

Kremlchef Wladimir Putin wird nicht kriegsmüde. Ganz im Gegenteil. Das amerikanische „Institute for the Study of War“ (ISW) sieht Finanz-, Wirtschafts- und Militärindikatoren dafür, „dass sich Russland auf einen groß angelegten konventionellen Konflikt mit der NATO vorbereitet“. Im Kern läuft die Warnung darauf hinaus, dass die Russen ...

  • das Bündnis auf die Probe stellen
  • Konflikte neu schüren, sei es in Moldawien, sei es auf dem Balkan;
  • nach dem Feldzug in der Ukraineim Kriegsmodus bleiben werden.

Die russische Sichtweise weicht nicht groß davon ab. Putins Sprecher Dmitri Peskow erklärte unlängst, die „militärische Spezialoperation“ habe mit der Zeit „die Form eines Krieges gegen den kollektiven Westen angenommen“. Schon als Putin im Sommer 2023 ein Gesetz im Parlament einbrachte – in der Duma –, um die Mobilisierung zu erleichtern, bemerkte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Andrej Kartapolow, „diese Änderungen sind für einen großen Krieg und eine allgemeine Mobilisierung gedacht“.

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„Russland bereitet sich auf einen Krieg gegen den Westen vor“

Unabhängig vom Fortgang des Ukraine-Krieges werden die Sorgen im Westen von Tag zu Tag größer. Der Militärexperte Gustav Gressel: „Ja, Russland bereitet sich auf einen Krieg gegen den Westen vor.“ Darauf deuteten konkret militärische Vorbereitungen in Belarus hin. Die Wissenschaftler Ivana Stradner und Mark Montgomery von der Denkfabrik „Foundation for Defense of Democracies“ warnten darüber hinaus im „Wall Street Journal“, dass Moskau einen Krieg auf dem Balkan anzetteln wolle. Auch der Direktor des Carnegie Russia Eurasia Center in Berlin, Alexander Gabuev, kam in einem Beitrag für die „Financial Times“ zu einem eindeutigen Schluss: „.Wladimir Putin bereitet sich auf einen noch größeren Krieg vor.“

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Auf eine andere Angriffsfläche verweisen deutsche Nachrichtendienste laut „Business Insider“: die Möglichkeit eines russischen Angriffs im Baltikum oder in Finnland ab dem Jahr 2026. Laut dem Bericht nennen sie in einem Vermerk auch ein konkretes Warnsignal, nämlich verstärkte Militäraktivitäten an Russlands Westgrenze und auch in den Raketendepots, was als Vorbereitung auf eine Konflikteskalation interpretiert werde.

Russland wird in eine Kriegswirtschaft umgewandelt

Zu diesem Zweck führt das russische Militär laut ISW Strukturreformen durch: zusätzliche Brigaden, um die Kampffähigkeiten zu erhöhen; personelle Wechsel wie zuletzt in der Marine; auch die Verlegung von Truppen an die Grenze nach Finnland. Derweil versuche Putin, die russischen Finanzen und Waffenproduktion zu stabilisieren. Solche Alarmrufe häufen sich, und nicht nur aus den USA.

Polens Präsident Andrzej Duda betonte in dieser Woche (20. März) in einem Interview mit CNBC, dass der Kreml Russland in eine Kriegswirtschaft umwandeln wolle. Er glaubt, dass Russland schon 2026 oder 2027 Nato-Staaten angreifen könnte.

Solchen Daten liegt die Annahme zugrunde, die Ukraine bis 2025 in die Knie zu zwingen. Das britische Forschungsinstitut „RUSI“ geht davon, dass Putins Planungshorizont reicht; dann will man eine Kapitulation zu russischen Bedingungen erzwingen.

Ähnlich wie Duda äußerte sich der dänische Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen schon Anfang Februar. Er sprach damals von neuen Erkenntnissen, dass Russland innerhalb von drei bis fünf Jahren versuchen könnte, ein NATO-Land anzugreifen.

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So erklärt sich, warum Dänemark gerade jetzt die Wehrpflicht ausweiten und sie für Frauen einführen will. Und so erklärt sich nicht zuletzt auch, warum selbst ein Grünen-Politiker wie Wirtschaftsminister Robert Habeck erst am Mittwoch dazu aufrief, die Rüstungsproduktion hochzufahren. Auf der Konferenz „Europe 2024“ mahnte er in Berlin, „dass jetzt auf einmal wieder der Landkrieg zurückgekommen ist, darauf sind wir nicht vorbereitet. Und das müssen wir tun.“

Wie viel Zeit bleibt zur Verteidigung?

Wenn er nicht von einer Bedrohungslage ausginge, hätte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nicht schon im letzten Herbst von der Gefahr eines Krieges und davon gesprochen, dass sich Bundeswehr und Gesellschaft daran gewöhnen und vorbereiten müssten. Bisher geht man in der Truppe davon aus, dass ihr noch einige Jahre bleiben, um kriegstüchtig zu werden.

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Die Zeitfrage ist entscheidend. Das ISW analysierte, ein konventioneller Konflikt mit der NATO stehe zwar nicht unmittelbar bevor, könne aber früher eintreten, „als einige westliche Analysten zunächst vermutet haben“. Wie wichtig der Faktor Zeit ist, machte Florence Gaub in der Talkshow „Lanz“ klar. Die Forschungsdirektorin der Nato-Militärakademie in Rom sagte: „Wenn heute Russland angreift, haben wir ein Problem.“

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