New York. Die amerikanischen Überseegebiete wecken vor allem in Wahljahren immer wieder Begehrlichkeiten. Wie sieht die Rolle der Einwohner aus?

Der US-Wahlkampf läuft auf Hochtouren. Der Super Tuesday ist vorbei, Donald Trumps Durchmarsch in Richtung Nominierung zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten ist kaum noch aufzuhalten. Gleichzeitig sind die Umfragewerte von Amtsinhaber Joe Biden derzeit nicht gerade rosig. So kommt es, dass die Demokraten mal wieder in eine Ecke schauen, die vom US-amerikanischen Festland sonst nicht allzu viel Aufmerksamkeit bekommt: die Überseegebiete. Zumindest perspektivisch könnten deren Einwohner auch bei Wahlen in den USA eine stärkere Stimme bekommen.

Die USA verwalten fünf bewohnte Territorien mit rund 3,5 Millionen Einwohnern außerhalb der offiziellen 50 Bundesstaaten: die Insel Guam, die nördlichen Marianen, Puerto Rico, die US-Jungferninseln und Amerikanisch-Samoa. Letzteres sorgte gerade am Super Tuesday für Schlagzeilen: Während Joe Biden ungefährdet durch die Vorwahlen seiner Partei segelte, schlug ihn auf der kleinen Insel überraschend der Geschäftsmann Jason Palmer. Allerdings vergibt das Südseegebiet nur sechs der mehr als 3930 Delegierten beim Nominierungsparteitag der Demokraten.

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US-Wahl 2024: Überseegebiete sind faktisch „Amerika zweiter Klasse“

Die innenpolitisch weitgehend selbst regierten Areale sind ein Amerika zweiter Klasse ohne Präsidenten-Wahlrecht. Die einstmals dänischen Jungferninseln, das ehemals spanische Guam und Samoa gelten als vorwiegend den Demokraten zugewandt. Auf dem bis vor Kurzem ebenfalls eher demokratisch wählenden Puerto Rico regiert derzeit ein Gouverneur der zentrumsrechten „New Progressive Party“. Die Rolle des Landesvaters der bis zum Ersten Weltkrieg von Deutschland besetzten Marianen nimmt ein Unabhängiger wahr.

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Kulturell unterscheiden sich die ökonomisch durchgängig schwachen Randgebiete nicht nur sehr stark voneinander, sondern auch vom amerikanischen „Mutterland“. Der „American Way of Life“ hat hier außerhalb der wichtigen US-Militärbasen bislang kaum Fuß gefasst. Die Regionen spielen im amerikanischen Bewusstsein eine geringe Rolle. Auch Parteienvertreter interessieren sich normalerweise kaum für die Überseegebiete. Laut einer Umfrage der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt PBS von 2023 fühlt sich zudem ein Drittel der Pazifik-Insulaner in den USA diskriminiert. Puerto Ricaner und Bürger der Jungferninseln erfahren nach eigenen Aussagen ebenfalls oft Ressentiments. Nichtsdestotrotz kursieren immer wieder Gedankenspiele, die Überseegebiete quasi einzugemeinden. Was macht diese Gebiete aus?

Beispiel Jungferninseln: Früher baute man hier Zuckerrohr für die Rum-Produktion an. Von den aus Afrika versklavten Plantagenarbeitern und dem Reichtum ihrer Herren zeugen nur noch ein paar alte Ruinen und Gräber dänischer Pflanzer. Der Tropenwald hat die Zeichen menschlicher Existenz inzwischen wieder verdeckt. Den Sklavenhaltern hat man Gedenksymbole erschaffen; ihren Sklaven hingegen nicht. Die Inseln leben mittlerweile fast ausschließlich vom Tourismus. Nur noch wenig erinnert an das Alte: In den Hauptorten gibt es einige bunte Häuser, welche die Wirren der Jahrhunderte überdauert haben. In der Provinzhauptstadt Charlotte Amalie, die sich pittoresk an die Hänge der azurblauen Bucht von St. Thomas schmiegt, tobt der Kreuzfahrttourismus. Reisende bestaunen die wie ein Piratennest wirkende Ansiedlung. Man könnte denken, dass der Tourismus den vorwiegend afroamerikanischen Einheimischen hilft. Doch das Geschäft mit den Besuchern läuft an ihnen vorbei.

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US-Wahl 2024: Puerto Rico könnte besondere Rolle spielen

Das hat verschiedene Gründe: Bildung und Forschung sind nur rudimentär ausgeprägt, wirtschaftlich haben es diese Regionen schwer. Dazu kommen soziale Probleme wie Drogenmissbrauch, häusliche Gewalt und Kriminalität. Der Großteil der Insulaner moniert überdies Diskriminierung bei der Jobsuche. Gegen häufig besser ausgebildete weiße Bürger vom Festland haben sie wenig Chancen.

Doch nicht nur hier empfinden sich die Ortsansässigen als eher minderwertig. Auch auf Puerto Rico ist die Lage eher düster. Nach dem verheerenden Hurrikan Maria im Jahr 2017 warf Ex-Präsident Donald Trump dort plakativ billige Küchenrollen in die verzweifelte Menge. Für viele ein zynisches Symbol der Geringschätzung. Der Wiederaufbau der Insel verläuft schleppend. Eine Kultur, auf die man stolz sein möchte, hat man von den Siedlern auch nicht mitbekommen. Die spärlichen Überbleibsel alter, häufig afrikanisch-indigener Bräuche spiegeln sich heutzutage vornehmlich in der lokalen Küche oder manchen Festen wider.

USA: US-Demokraten versprechen sich viel von Puerto Rico

Im August 2023 kündigte die Biden-Administration neue Anstrengungen an, um die finanziellen Bürden der ohnehin hoch subventionierten Überseegebiete zu vermindern. Speziell im Hinblick auf die Folgen des Klimawandels. Dazu beschlossen Abgeordnete beider Parteien unlängst, Repräsentanten der Territorien innerhalb der US-Ministerien mehr Gehör zu verschaffen.

Doch besonders Republikaner fürchten die Debatte über eine politische Aufwertung. Schließlich könnte Puerto Rico, das mit 3,2 Millionen bevölkerungsreichste und damit politisch wichtigste Gebiet, eine potenzielle Hochburg von Demokraten-Wählern werden. Das US-Repräsentantenhaus hat erst kürzlich einen Gesetzentwurf verabschiedet, der den Einwohnern Puerto Ricos ein Mitspracherecht bei der Frage geben würde, ob das Inselgebiet ein US-Bundesstaat oder ein unabhängiges Land wird.