Berlin. Es ist gefährlich auf ein Parteiverbot zu setzen, das doch nicht kommt. Der Kampf gegen die extreme Rechte darf nicht länger warten.

Die AfD im Osten bei 37 Prozent, Tendenz steigend. Namhafte Parteimitglieder fordern offen „Remigration“. Einzelne AfD-Funktionäre wollen sogar Menschen mit deutschem Pass außer Landes schaffen. Es ist verständlich, dass viele aufrechte Demokraten angesichts dieser Nachrichten alarmiert sind und die AfD am liebsten gerichtlich verbieten lassen würden. Aber so nachvollziehbar dieser Wunsch auch ist, so gefährlich ist er auch. Es gibt viele Wege, sich der AfD entgegenzustellen. Der Ruf nach dem schnellen Verbot ist der bequemste und gleichzeitig auch der unsicherste. Letzteres lehrt der Blick in die jüngere deutsche Geschichte.

Unser Grundgesetz gibt in Paragraph 21 den Rahmen vor, wo es heißt: Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

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Das Problem: Es reicht nicht, dass einzelne AfD-Funktionäre oder Landesverbände, dieses Ziel erfolgen. Die Partei und ihre vielen Anhänger müssen dies mehrheitlich und in aggressiv-kämpferischer Weise verfolgen und es muss nachgewiesen werden. Nur dann besteht die Chance, dass Deutschlands höchstes Gericht ein Verbot ausspricht. Aber das ist nicht zu erwarten.

AfD: Ein erfolgreiches Verbot der Partei ist nicht zu erwarten

Generationen von Politikerinnen und Politikern haben sich schon bei der Forderung nach einem Parteienverbot verhoben. Bei den Republikanern war man nicht mal im Ansatz erfolgreich und scheiterte gleich zweimal krachend bei der NPD. Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands, die sich jetzt „Die Heimat“ nennt, ist eindeutig verfassungswidrig und konnte dennoch gleich zwei Verbotsverfahren überstehen, weil das Bundesverfassungsgericht die Hürden für ein Parteiverbot extrem hoch gesetzt hat. Bislang wurden in Deutschland erst zwei Parteien im Sinne des Grundgesetzes verboten. Eine Nachfolgeorganisation der NSDAP und die KPD. Das letzte Verbot liegt fast 67 Jahre zurück.

Jörg Quoos ist Chefredakteur der Funke Zentralredaktion.
Jörg Quoos ist Chefredakteur der Funke Zentralredaktion. © ZRB | Dirk Bruniecki

Das Parteiverbot ist vielleicht das schärfste Schwert in der Waffenkammer unserer Demokratie, aber wer damit herumfuchtelt, muss sicher treffen. Allein die Ankündigung eines Parteiverbotsverfahrens, wird den noch fragilen Zusammenschluss der AfD-Unterstützer eher verstärken. Warum erst jetzt, kurz vor Wahlen, die wahrscheinlich gut laufen für die AfD, werden viele Menschen fragen? Warum ausgerechnet nach einer Kette von gravierenden Regierungsfehlern, die eindeutig viele Protestwähler erzeugte?

Kampf gegen extreme Rechte lässt sich nicht wegdelegieren

Diese Fragen sind berechtigt und die Antworten darauf lassen die Politik nicht gut aussehen. Fakt ist: Sowohl Regierung als auch die Union haben die AfD sträflich lange ignoriert. Noch in der Sommerpressekonferenz 2023 redete der Kanzler das Treiben der AfD herunter. Da war in der Partei schon von Remigration die Rede. Trotzdem verteilte Olaf Scholz Balsam und erklärte – unnachahmbar besserwissend, die AfD werde auch bei den nächsten Wahlen keine besonderen Erfolge haben. Man muss kein Verfassungsrichter sein, um zu erkennen: Solche Sätze passen nicht zusammen mit dem plötzlichen Wunsch nach einem Parteiverbot.

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Ja, gute Demokraten müssen sich jetzt wehrhaft zeigen gegen Radikale, die ein anderes Deutschland wollen. Aber dort, wo es sicher wirkt. Mit klarer Haltung, zu der man auch öffentlich steht. Mit sichtbarem Protest, wie am Sonntag in vielen deutschen Städten. Mit Überzeugungsarbeit und der Bereitschaft, für eine weltoffene Demokratie zu kämpfen. Und natürlich mit dem Stimmzettel. „Der beste Verfassungsschutz sind wir selbst“, hat der SPD-Generalsekretär im Interview mit dieser Zeitung gesagt und er hat Recht. Der Kampf gegen die extreme Rechte lässt sich nicht bequem wegdelegieren nach Karlsruhe. Er muss von uns allen geführt werden.