Berlin. Die Klimaaktivistin Carla Hinrichs hat den Bundeskanzler mit den Mängeln der deutschen Klimapolitik konfrontiert. So antwortete Scholz.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich im Berliner Regierungsviertel ein Wortgefecht mit der Klimaaktivistin Carla Hinrichs geliefert. Die Sprecherin der Bewegung "Letzte Generation" konfrontierte Scholz am Freitag mit der Klimabilanz der Bundesregierung. In einem Video, das Hinrichs und andere Mitglieder der Bewegung in den sozialen Netzwerken verbreiteten, ist zu sehen, wie Hinrichs neben Scholz und seiner Gruppe her läuft und ihm Fragen stellt.
"Ob Sie es schaffen, unsere Gesellschaft wirklich schützen zu können", fragt Hinrichs. Hier ist eine Antwort von Scholz nicht hörbar. "Aber wie haben Sie das denn vor?", hakt Hinrichs nach. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) müsse jetzt eigentlich ein Programm vorlegen, "und er tut das nicht", sagt Hinrichs. Die Aktivistin spielt damit auf das geltende Klimaschutzgesetz an, wonach die Ressorts, die ihre Klimavorgaben nicht erfüllen, ein Sofortprogramm vorlegen müssten, in dem sie deutlich machen, mit welchen Maßnahmen sie ihre CO2-Ziele dennoch erreichen wollen. Lesen Sie hier: Was die Letzte Generation als Nächstes plant
Olaf Scholz trifft auf Klimaaktivistin: "Gute Politik für den Klimaschutz"
Scholz' Antwort in dem Video: "Doch, er macht das." Und: "Leute sagen immer wieder das Falsche. Tatsächlich ist Deutschland das Land, das 2040 CO2-neutral wirtschaften wird – als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt eine große Last." Die Klimaaktivistin sagt: "Was ich sehe ist, dass es ein sehr..." Weiter kommt sie nicht. Scholz unterbricht sie. "Nein, Sie sehen es nicht. Was ich sehe, ist riesig. Wir sind das Land, das in großem Maße modernisiert und CO2-neutral wirtschaften wird, nur für Sie." Dabei deutet der Bundeskanzler mit dem Zeigefinger in Hinrichs Richtung.

Hinrichs fragt: "Können Sie verstehen, dass junge Menschen Angst haben?" Scholz erwidert: "Deshalb machen wir genau das, was ich gesagt habe, und deshalb ist das eine gute Politik für den Klimaschutz." Konkrete Maßnahmen benennt Scholz nicht. Damit endet das Video.
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Tatsächlich waren im vergangenen Jahr im Verkehrs- und Gebäudebereich die gesetzlich vorgeschriebenen CO2-Emissionsmengen überschritten worden. Nach dem geltenden Klimaschutzgesetz müssten die zuständigen Ressorts von Verkehrsminister Wissing und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) Sofortprogramme mit konkreten Verbesserungsmaßnahmen vorlegen. Die Frist dafür läuft am 17. Juli ab.
Klimapolitik: Verkehrsministerium hält Vorgaben für erfüllt
Das Bundesverkehrsministerium sieht die gesetzlichen Vorgaben dagegen als erfüllt an. Ein Sprecher sagte am Donnerstag, das Bundeskabinett habe im Juni die Weichen für eine Reform des Klimaschutzgesetzes gestellt und zugleich einen Entwurf für ein Klimaschutzprogramm vorgelegt. Darin seien für den Verkehrssektor weitreichende Maßnahmen vorgesehen. Es sei "gemeinsame Auffassung" der Bundesregierung, dass das Verkehrsministerium damit der Verpflichtung zur Vorlage zusätzlicher Klimaschutzmaßnahmen nachgekommen sei.
Auf der Website des Bundesverkehrsministerium sind keine konkreten Maßnahmen benannt, mit deren Hilfe die Emissionen im Verkehrssektor gesenkt werden sollen. Die Rede ist eher allgemein von "alternativen Antrieben und Kraftstoffen" und "klimafreundlichen Verkehrsträgern und Innovationen". Ein unabhängiger Expertenrat für Klimafragen in der Mobilität solle Anregungen erarbeiten, wie mithilfe der Digitalisierung mehr Klimaschutz im Verkehrswesen erreicht werden kann. Hintergrund zum Thema Letzte Generation: Wann eine Vereinigung als kriminell gilt

Klimaschutz: Nabu hält Gesetzesreform noch nicht für wirksam
Die geplante Reform des Klimaschutzgesetzes sieht vor, dass die Einhaltung von Klimazielen nicht mehr rückwirkend nach verschiedenen Sektoren wie Verkehr, Industrie oder Landwirtschaft kontrolliert werden soll – sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Die Bundesregierung als Ganzes soll künftig entscheiden, in welchem Sektor und mit welchen Maßnahmen die zulässige CO2-Gesamtmenge bis 2030 erreicht werden soll – allerdings erst, wenn es zwei Jahre in Folge zu einer Zielverfehlung kommt.
Nach Auffassung des Naturschutzbundes Nabu gilt – bis die Neufassung des Klimaschutzgesetzes beschlossen ist – die ursprüngliche Regelung. Die Einhaltung der Klimaziele sei kein Selbstzweck und jeder Sektor müsse seinen Beitrag leisten, sagte Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger der Deutschen Presse-Agentur (dpa). (mja/mit Material von dpa)