Berlin. Familienministerin Paus will Spitzenverdienern das Elterngeld streichen. Die Stimmung ist aufgeheizt. Ein betroffenes Paar berichtet.

  • Streicht der Bund gut verdienenden Familien das Elterngeld?
  • Auch Top-Verdiener mit einem Einkommen von bis zu 300.000 Euro im Jahr bekommen die Leistung aktuell
  • Doch das könnte sich bald ändern – ein betroffenes Paar berichtet von seinen Sorgen

Wer aus Sicht der Bundesregierung gut verdient, soll ab 1. Januar 2024 kein Elterngeld mehr erhalten. Dieser Plan von BundesfamilienministerinLisa Paus (Grüne) sorgt seit Dienstag für mächtig Aufregung bei einem Teil der U40-Bevölkerung im Land. Künftig würden Eltern leer ausgehen, die zusammen ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von 150.000 Euro haben – macht brutto etwa 180.000 Euro Einkommen im Jahr. Unsere Redaktion hat mit einem jungen Paar gesprochen, das von der neuen Regel aus dem Familienministerium betroffen wäre.

Natalie Z. ist seit Kurzem schwanger, schon ein Jahr im Voraus begann die Familienplanung. „Wir haben uns gemeinsam entschieden, ein Jahr Elternzeit zu nehmen, jeweils sechs Monate. Ich würde auch gerne länger bei unserem Kind bleiben – zwei bis drei Jahre – aber im zweiten Jahr würde uns ein komplettes Einkommen fehlen“, sagt Natalie. Deshalb sei aus ihrer Einkommenssituation heraus ein Jahr Elternzeit sinnvoller. „Danach steige ich wieder in den Job ein und arbeite weiter an meiner Karriere“, sagt die werdende Mutter.

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Das eine Jahr ist beiden wichtig, um eine Bindung zum Kind aufzubauen. „Es macht mich trotzdem traurig, dass es nur zwölf Monate sind, da wir gerne mehr Zeit als Eltern mit unserem Baby hätten.“ Die junge Fachkraft kehrt also sowieso schnell wieder in den Beruf zurück. Nun hat sie vielleicht noch weniger Zeit mit ihrem Kind.

Elterngeld: Familienministerin setzt Rotstift an den Besserverdienern an

Als die Nachricht durch die Medien ging, dass die Familienministerin Besserverdienern das Elterngeld streichen will, war Natalie Z. enttäuscht. „Ich fühle mich im Stich gelassen. Es wäre das erste Mal, dass ich finanzielle Unterstützung vom Staat bekomme, nun entfällt auch das.“ Sie arbeitet als Strategiechefin bei einem deutschen Internetunternehmen, ihr Partner ist Stratege in einer deutschen Pharmafirma.

Das Paar hat zusammen ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von 235.000 Euro, in diesem Fall ist die Frau die Besserverdienerin. Beide zahlen damit die höchsten Steuersätze. „Wir haben im Voraus unser erwartetes Einkommen und die laufenden Kosten berechnet.“ Sie leben in Berlin. In der Bundeshauptstadt ist das Wohnen teuer. Die Mieten sind seit 2012 fast ununterbrochen gestiegen. Im 1. Quartal des Jahres 2023 lagen die Angebotsmieten bei durchschnittlich 12,92 Euro pro Quadratmeter und Monat, berichtet das Immobilienportal Immoscout24.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) muss an ihrem Etat sparen und plant deshalb Besserverdienern das Elterngeld zu streichen.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) muss an ihrem Etat sparen und plant deshalb Besserverdienern das Elterngeld zu streichen. © AFP | Tobias Schwarz

Das Paar hat Fixkosten von 4600 im Monat

Mit der Familiengründung im Hinterkopf hat das junge Paar vor weniger als einem Jahr eine größere Wohnung bezogen. Ihre Miete liegt bei 2750 Euro, hinzu kommen Fixkosten für Internet, Strom, Versicherungen, Telefonie, ÖPNV-Tickets und Lebensmittel und mehr. Insgesamt kalkulieren sie mit Ausgaben von 4600 Euro im Monat.

Aufgrund ihres Einkommens ist Natalie privat krankenversichert, das bedeutet, dass sie in Elternzeit den Firmenanteil des Versicherungsbeitrags selbst übernehmen muss. Außerdem zahlt die gut ausgebildete Angestellte monatlich einen Studienkredit für ihr Wirtschaftsstudium im Ausland zurück. „Wir haben uns beide mit dem Gedanken auseinandergesetzt, einen Teil unserer Ersparnisse zu verwenden“, sagt Natalie. Auch eine Hochzeit war geplant, die wird nun erst einmal verschoben. Wenn das Elterngeld wegfällt, fehlen über 21.000 Euro in der Haushaltskasse.

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Setzt Paus ihren Plan der Elterngeld-Kürzung um, überlegen Natalie und ihr Partner, statt einem Jahr nur insgesamt sechs Monate Elternzeit zu nehmen – oder Pascal K. würde die erste Zeit nur aus seinem Jahresurlaubsbudget bestreiten. „Ich wäre auch bereit, einen höheren Steuersatz zu zahlen“, sagt Pascal. Er gibt zu bedenken, dass sich Hauptverdiener nun verpflichtet fühlen könnten, weiterzuarbeiten, obwohl sie sich gerne mehr um ihr Kind kümmern würden. „Wir wissen beide, dass wir über ein gutes Gehalt verfügen und verstehen, dass die Bundesregierung kürzen muss, um die Schuldenbremse einzuhalten“, sagt Natalie.

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    Die werdenden Eltern haben Verständnis, hätte sich jedoch eine Vorwarnung gewünscht

    Was dem Paar helfen würde, wäre ein längerer Vorlauf: „Tritt die Elterngeld-Streichung zum 1. Januar in Kraft, kommt das sehr kurzfristig. Wir haben unser erstes Jahr mit Kind gut durchgeplant, hatten aber noch relativ wenig Zeit, um aus unserem Einkommen Ersparnisse aufzubauen.“ Jetzt sind ihre Berechnungen vergebens gewesen.

    Hätten sie vor der Schwangerschaft gewusst, dass das Elterngeld ausbleibt, wäre der Umzug in die größere Wohnung verschoben worden. Möglicherweise wäre auch die Familienplanung etwas hinausgezögert worden, um mehr Geld anzusparen. „Wir müssen eine andere Lösung finden, uns externe Unterstützung suchen“, sagt die Schwangere. Dabei ist es in Berlin bekanntermaßen schwierig, eine Kinderbetreuung zu finden. Es fehlen mehr als 10.000 Kita-Plätze.

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    Das Paar hofft, dass Paus den Schwellenwert von 150.000 Euro noch einmal verändert oder die Höhe des Elterngeldes ähnlich wie die Einkommenssteuer staffelt. Sie sehen alte Ungleichheiten zementiert: „Viele Frauen werden damit zeitweise abhängig von ihrem Partner und es motiviert auch nicht zusätzlich, früh im Beruf aufzusteigen, um ein gewisses Gehaltsniveau zu erreichen“, sagt die Strategin.

    Für Familien gilt Bestandsschutz, sie erhalten weiter Elterngeld

    Eine für das Paar gute Nachricht kommt derweil aus dem Familienministerium: Die Elterngeld-Streichung soll erst für Geburten ab dem 1. Januar 2024 gelten. Wer vorher bereits Elterngeld bezieht, hätte weiter Anspruch darauf. „Das ist Bestandsschutz“, sagte ein Ministeriumssprecher unserer Redaktion. Außerdem muss der Bundestag dem Vorschlag aus Paus’ Ministerium erst noch zustimmen.