Berlin. Keine Zettelwirtschaft, keine händischen Unterschriften - alles digital. Wie die Verwaltung den Anschluss an die Bürger finden will.

Still und heimlich, während sich an diesem Mittwoch die Berliner Politik über das Heizungsgesetz der Ampel-Koalition stritt, hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ein neues Gesetz zur Digitalisierung der Verwaltung (OZG 2.0) durchs Kabinett gebracht. Damit sollen die Wege zwischen Verwaltung, Bürgern und Unternehmen kürzer werden, da Behördenleistungen künftig online erledigt werden können. Eigentlich ein wichtiges Thema, doch der Zeitpunkt der Verabschiedung zeigt: das Innenministerium (BMI) will nicht zu viel Aufsehen erregen.

Grund dafür könnte sein, dass die Kritik am OZG-Gesetz im Vorfeld riesig war. Trotzdem sich Verbände, die Opposition, und unter anderem der Normenkontrollrat mit Einwänden gemeldet haben, änderte das Ministerium den Entwurf nur leicht ab. Auch eine Frist zur Umsetzung der Digitalisierungsprojekte vor allem in den Kommunen wurde nicht festgelegt.

Was enthält das neue Onlinezugangsgesetz?

Damit digitale Anträge nicht mehr auf Papier unterschrieben werden müssen, wird künftig bei der digitalen Abwicklung auf die bislang notwendige Schriftform verzichtet. Durch die Gesetzesänderung könnten zukünftig alle Leistungen rechtssicher einfach und einheitlich mit der Onlineausweisfunktion des Personalausweises digital beantragt werden. „Es ist keine händische Unterschrift mehr notwendig“, sagte Faeser.

Mit der BundID kommt auch ein digitales Postfach, über das die Bürgerinnen und Bürger mit der Verwaltung kommunizieren können. Außerdem werden über dieses Bürgerkonto Bescheide zugestellt. Auch finanzielle Hilfen des Staates sollen über dieses Konto laufen. Das BundID-Konto gibt es schon seit 2019, sie fristete bisher ein Nischendasein. Erst mit der Auszahlung der Energiepauschale an Studenten, stieg die Nutzerzahl. Die BundID war nötig, um diese Leistung zu erhalten.

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Faeser versprach außerdem, dass sich der Bund zusammen mit Ländern und Kommunen jetzt auf 15 besonders wichtige Leistungen fokussiere. „Spätestens 2024 werden die Kfz- oder Führerschein-Anmeldung, die Ummeldung, die Eheschließung, eine Baugenehmigung und das Elterngeld deutschlandweit digital beantragt werden können.“ Es gibt also doch eine Zielmarke, die Bürger werden die Innenministerin daran messen.

Kritik am Gesetz kommt sogar aus der Ampel-Koalition

Digitalpolitikerin Misbah Khan (Grüne) will eine Durchsetzungspflicht für digitale Verwaltungsleistungen im Gesetz verankern.
Digitalpolitikerin Misbah Khan (Grüne) will eine Durchsetzungspflicht für digitale Verwaltungsleistungen im Gesetz verankern. © dpa | Jörg Carstensen

Den Verzicht auf Umsetzungsfristen für die Online-Projekte im neuen Gesetz bemängelten selbst Vertreter der Grünen und der FDP. Die Digitalpolitikerin Misbah Khan (Grüne) sagte unserer Redaktion: „Wer eine Verwaltungsleistung digital beantragen will, sollte das tun können. Das wollen wir rechtlich im OZG 2.0 verankern.“ Die Bundestagsabgeordnete Franziska Hoppermann (CDU) kritisierte: „Die Bundesregierung verpasst die Chance, verbindliche Standards festzulegen, Fristen zu setzen und für Klarheit und Ziele zu sorgen. Das Innenministerium greift die Stellungnahmen der Verbände nicht auf, das ist schlichtweg ein Zeichen der schlechten Regierungsarbeit.“

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Eine Posse entstand rund um die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrats (NKR), der qua Gesetz dazu verpflichtet ist, Gesetzentwürfe der Bundesregierung auf Kosten und digitale Machbarkeit zu kontrollieren. Nach Informationen unserer Redaktion wurde das zehnköpfige Gremium seiner Aufgabe rechtzeitig gerecht. Die Regierung sah sich jedoch veranlasst, einen Widerspruch dazu zu verfassen und konnte die Frist dafür nicht einhalten.

Für die Entwicklung digitaler Leistungen soll Geld fließen – woher weiß Faeser nicht

Der Chef des Normenkontrollrats, Lutz Goebel, fordert die Bundesregierung auf, bei Onlinezugangsgesetz noch eine Schippe draufzulegen.
Der Chef des Normenkontrollrats, Lutz Goebel, fordert die Bundesregierung auf, bei Onlinezugangsgesetz noch eine Schippe draufzulegen. © FUNKE Foto Services | Maurizio Gambarini

Ungeachtet dieser Verwicklungen bilanziert Lutz Goebel, Vorsitzender des Rats: „Das OZG-Änderungsgesetz gibt neue Impulse, reicht aber nicht für eine Trendumkehr des NKR.“ Man brauche einen Rechtsanspruch und echte Konsequenzen bei der Nichterfüllung des OZG. Da die Länder und Kommunen nicht ausdrücklich dazu verpflichtet werden, die Digitalpläne umzusetzen, entstehe kein Druck. „Außerdem brauchen wir volle Transparenz darüber, welche Leistung, in welchem Reifegrad wo in der Fläche verfügbar ist“, sagte Goebel. Die Erfahrungen der letzten fünf Jahre hätten aufgearbeitet werden müssen, doch eine Evaluierung des ersten, gescheiterten Gesetzes liege bis heute nicht vor.

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Neu ist, dass beim IT-Planungsrat ein zentrales Budget eingerichtet werden soll, mit dem kostenlose Onlinedienste für Kommunen entwickelt werden sollen. Auf Nachfrage, wie viel Geld dafür bereit stehe, äußerte sich Faeser ausweichend: „Wir glauben fest daran, wenn wir uns als Koalition einig sind, das zu unterstützen, und das haben wir ja heute beschlossen. Das heißt: ja, auch mit weiterer Finanzierung.“ Anscheinend hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) das Geld noch nicht bereitgestellt.