Hiroshima. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von China sehen die Industrienationen als Gefahr. Mit einer neuen Strategie soll dieses Risiko sinken.

Wie gefährlich kann uns China werden? Die Frage treibt Deutschland und andere Industrienationen um, deren Wirtschaften eng mit dem asiatischen Land verwoben sind. Das immer dominantere Auftreten des Landes, die autoritäre Führung in Peking und die Drohgebärden gegenüber Taiwan lassen Befürchtungen wachsen: Stellt die Abhängigkeit einheimischer Unternehmen von chinesischen Produkten und Lieferungen eine unkalkulierbare Gefahr dar? Auf ihrem Treffen im japanischen Hiroshima hat die G7-Gruppe der demokratischen Industrienationen nun eine China-Strategie entworfen.

Sie wollen ihre Lieferketten widerstandsfähiger machen gegen politische wie wirtschaftliche Erschütterungen. „Wir müssen dafür sorgen, dass keine einseitigen Abhängigkeiten bestehen, und dort, wo sie heute noch da sind, müssen sie abgebaut werden“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in Hiroshima. An die Adresse Chinas fügte der SPD-Politiker aber ausdrücklich hinzu, „dass alle Staaten sich verpflichten müssen, die internationalen Regeln zu beachten“.

Abhängigkeit von China besonders bei Laptops und Mobiltelefonen

Chinas Staatschef Xi Jinping verfolgt einen aggressiven Kurs.
Chinas Staatschef Xi Jinping verfolgt einen aggressiven Kurs. © AFP | FLORENCE LO

Deutschland hat nach dem russischen Angriff auf die Ukraine erfahren, wie stark es die eigene Wirtschaft und Bevölkerung erschüttern kann, wenn man sich trotz politischer Bedenken blind auf ein Land verlässt. Hing Deutschland im Fall Russlands vor allem an Wladimir Putins Tropf für Gas und Öl, gilt die Verknüpfung der deutschen Volkswirtschaft mit China als deutlich umfassender. In einer Umfrage des ifo-Instituts gab im vergangenen Jahr fast die Hälfte aller Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes an, auf wichtige Vorleistungen aus China angewiesen zu sein.

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Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel analysierte kürzlich die Produktgruppen, bei denen die Abhängigkeit Deutschlands von China besonders hoch ist: Vier von fünf Laptops kommen aus dem asiatischen Riesenreich, ebenso zwei Drittel der Mobiltelefone sowie 70 Prozent bestimmter Textilprodukte.

Bei Computerbauteilen wie Sound- und Grafikkarten, bei LEDs oder Platinen und Leiterplatten liegt Deutschlands Abhängigkeit bei jeweils etwa 60 Prozent. In anderen Staaten ist das Bild ähnlich. Analysen zufolge sind andere Länder wie etwa Japan sogar noch deutlich stärker auf China angewiesen als Deutschland.

Kann China noch ein Partner sein?

Die alten Industriemächte stehen damit vor einem Dilemma: Der wirtschaftliche Aufstieg der neuen Supermacht China ist rasant, immer aggressiver sichert sich das Land den Zugriff auf Rohstoffvorkommen in Afrika oder Südamerika. Militärisch rüstet China auf, in Asien wächst die Furcht vor Gebietsansprüchen der Regierung in Peking. Die Führung um Staatschef Xi Jinping lässt zudem keinen Zweifel daran, allein den Vorteil Chinas zu suchen, anstatt auf internationale Zusammenarbeit zu setzen. Das Land ist weiterhin ein Verbündeter Putins.

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Kann China noch ein Partner sein? „Unsere Politik gegenüber China muss sich ändern, weil China sich verändert hat“, sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in Japan. In der G7-Runde aus Deutschland, Japan, den USA, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada ist es besonders die US-Regierung von Präsident Joe Biden, die auf eine harte Linie gegenüber der China setzt. Dabei spielt neben der wirtschaftlichen Konkurrenz die Auseinandersetzung der beiden Supermächte um die internationale Vormachtstellung in diesem Jahrhundert ebenso eine Rolle wie der Kampf um Einfluss im Indopazifik.

Beim Kampf gegen den Klimawandel ist China unverzichtbar

Schon ist nicht mehr nur von Rivalität, sondern von einem neuen Systemkonflikt die Rede – doch ein neuer Kalter Krieg mit China wäre fatal. Für den Kampf gegen den Klimawandel, den Erhalt der Artenvielfalt oder die Vorsorge vor einer kommenden Pandemie gilt Chinas Mitarbeit als unverzichtbar.

Auf ihrem Gipfel in Hiroshima setzten die G7-Staaten nun auf eine ausgewogene Strategie im Umgang mit China. In einer Erklärung zur nuklearen Abrüstung kritisieren sie deutlich Chinas beschleunigten Ausbau seiner Kernwaffenbestände „ohne Transparenz oder ernsthaften Dialog“ und äußern sich besorgt über die Folgen für die „weltweite und regionale Stabilität“. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China wollen die G7 aber ausdrücklich fortsetzen.

US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz beim Gipfel der G7-Staaten in Hiroshima.
US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz beim Gipfel der G7-Staaten in Hiroshima. © dpa | Michael Kappeler

Scholz will Rohstofflieferanten ein faireres Angebot als China machen

„Wir wollen das Risiko verringern, uns nicht abkoppeln“, sagte der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan. „Dass man also China aus dem Welthandel ausklammert, das wird von niemandem verfolgt“, versicherte auch Scholz. Ihr Risiko wollen die Industrienationen aber verringern, indem sie den Handel mit anderen Ländern verstärken, neue Lieferketten aufbauen, „insbesondere bei kritischen Gütern wie kritischen Mineralien, Halbleitern und Batterien“, wie die G7 in einem Statement zur Wirtschaftspolitik betonen.

Um das zu erreichen, soll potenziellen Rohstofflieferanten in Südamerika, in Afrika und Asien ein faireres Angebot gemacht werden als China dies derzeit tut. Pekings Wirtschaftsmodell sieht vor, anderswo Kobalt, Lithium oder Nickel abzubauen, in China weiterzuverarbeiten und dann an die Industrieländer weiterzuverkaufen. Den Profit macht China. Die Länder, in denen die wertvollen Stoffe abgebaut, müssten mehr von ihren Bodenschätzen profitieren, fordert Scholz. „Sie müssen dort auch in der ersten Stufe verarbeitet werden können und nicht, wie das heute in vielen Fällen der Fall ist, einfach nur mitgenommen und anderswo weiterverarbeitet werden.“ Das sei ein Beitrag zu einer besseren globalen Entwicklung.

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