Peking. Erstmals seit der russischen Invasion hat Chinas Staatschef mit dem ukrainischen Präsidenten geredet. Es gab zwei konkrete Ergebnisse.

Es war ein Telefonanruf, auf den Europa 14 Monate lang warten musste: Erstmals seit Beginn der russischen Invasion sprach Chinas Staatschef Xi Jinping am Mittwoch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Dieser bezeichnete das Telefonat auf Twitter als „bedeutungsvoll“, zudem werde es „einen starken Impuls für die Entwicklung unserer bilateralen Beziehungen“ setzen.

Und wie aus der chinesischen Stellungnahme hervorgeht, produzierte das Gespräch auch zwei handfeste Ergebnisse: Einerseits wird die chinesische Regierung einen Sondergesandten für eurasische Angelegenheiten in die Ukraine schicken, um dort Gespräche für eine politische Lösung der Krise zu führen. Ebenfalls wird Peking humanitäre Hilfe nach Kiew entsenden.

Ukraine-Krieg: Xi rief alle Parteien zur Zurückhaltung auf

Die restlichen Gesprächspunkte Pekings sind nicht neu und fallen tendenziell unter die Kategorie symbolische Rhetorik: Xi Jinping sicherte zu, dass man sich für baldige Friedensgespräche einsetze und „keine Partei“ in dem Konflikt sei. Und der 69-Jährige wiederholte auch seine Warnung vor einer nuklearen Eskalation: „Es gibt keine Gewinner in einem Atomkrieg“, sagte Chinas Staatschef – und rief alle Beteiligten zur „Zurückhaltung“ auf.

Doch gleichzeitig gibt es keine grundsätzliche Abkehr der chinesischen Position, die sich als „pro-russische Neutralität“ zusammenfassen lässt: Weiterhin nennt Chinas Regierungsapparat den Krieg euphemistisch die „Ukraine-Krise“, meidet jegliche Kritik an Putin und verweist bei der Schuldfrage einzig und allein auf die angeblichen Provokationen der Nato und die Waffenlieferungen der USA, die „Feuer ins Öl gießen“ würden.

Ein Telefonat mit Selenskyj, fünf Gespräche mit Putin

Ganz grundsätzlich muss man den Anruf vom Montag im Kontext betrachten: Während Xi Jinping nach etlichen Aufrufen nun das erste Mal mit Selenskyj spricht, tat er dies bereits fünf mal mit Russlands Präsident Wladimir Putin – inklusive einem pompösen Staatsbesuch in Moskau zu Beginn des Jahres.

Die Vorgehensweise Xis stellt eine deutliche Kehrtwende dar: Früher behielt die chinesische Regierung in ihren außenpolitischen Maßnahmen stets im Blick, Washington zufrieden zu stellen. Derzeit jedoch macht Peking deutlich, dass es seinen eigenen Weg gehen möchte: Vordergründig war der Telefonanruf ein Zugeständnis an die Europäische Union, welches Xi Jinping zuletzt während seinem Treffen mit Macron und von der Leyen in Peking zugesichert hatte – den USA gab er kein solches Versprechen ab.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Und vor allem möchte China durch das Telefonat mit Selenskyj auch seine eigene Position stärken – indem es die Beziehungen mit Europa, immerhin Chinas wichtigstem Handelspartner, verbessert. Nicht zuletzt liegt Pekings Interesse darin, einen transatlantischen Schulterschluss zwischen Brüssel und Washington zu vermeiden.

Anruf kam zu einem kritischen Zeitpunkt

Der Anruf zwischen Xi und Selenskyj kommt zudem zu einem kritischen Zeitpunkt. Erst letzten Freitag sorgte der chinesische Botschafter in Paris mit einem Fernsehinterview für Furore, in dem er die Souveränität der Ukraine und den anderen ehemaligen Sowjetrepubliken in Frage stellte.

Telefonierten erstmals seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine: Chinas Staatschef Xi Jinping (re.) und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.
Telefonierten erstmals seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine: Chinas Staatschef Xi Jinping (re.) und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. © AFP | DANIEL LEALDmitry Astakhov

Offensichtlich handelte es sich dabei um einen nicht koordinierten Alleingang vom „Wolfskrieger“-Diplomaten Lu Shaye, da seine umstrittene Aussage ein paar Tage später von der Zentralregierung in Peking widerrufen wurde. In der Zwischenzeit jedoch war innerhalb der EU – und insbesondere bei den baltischen Staaten – eine Menge Porzellan zerschlagen.

Aus Sicht Brüssels bewegt sich China nun diplomatisch – wenn auch viel zu langsam – in die richtige Richtung. Als kürzlich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Peking waren, gab Xi bereits ein deutliches Versprechen ab, an Russland keine Waffen zu senden.

Doch strategisch hat Peking weiterhin eine tiefe Verpflichtung gegenüber Moskau, an der nicht zu rütteln ist: Einerseits teilen die zwei Länder eine 4.000 Kilometer lange Landesgrenze und müssen also bereits aus geografischer Verpflichtung miteinander auskommen. Doch Xi Jinpings taktisches Kalkül reicht darüber hinaus: Mit Putin hat er einen Partner – und ständiges Mitglied beim UN-Sicherheitsrat - an seiner Seite, mit dem er die von den USA angeführte westliche Weltordnung herausfordern möchte.

LandUkraine
KontinentEuropa
HauptstadtKiew
Fläche603.700 Quadratkilometer (inklusive Ostukraine und Krim)
Einwohnerca. 41 Millionen
StaatsoberhauptPräsident Wolodymyr Selenskyj
RegierungschefMinisterpräsident Denys Schmyhal
Unabhängigkeit24. August 1991 (von der Sowjetunion)
SpracheUkrainisch
WährungHrywnja