Berlin. Auf ihrer Ostasienreise hat Außenministerin Baerbock die Angst vor China hautnah mitbekommen. Sie wirbt für eine Indopazifik-Allianz.

Was haben der Ukraine-Krieg und das immer robuster auftretende Auftreten Chinas in Ostasien gemeinsam? Die Frage ist nur auf den ersten Blick abwegig. Denn Europa ist in seiner Binnensicht gefangen. Seit dem 24. Februar 2022 gibt es fast nur ein Thema: den Ukraine-Krieg und die Folgen.

Michael Backfisch, Politik-Korrespondent.
Michael Backfisch, Politik-Korrespondent. © Reto Klar | Reto Klar

Einen anderen großen Konfliktherd hat Europa noch nicht richtig auf dem Radarschirm: Das immer aggressiver auftretende China alarmiert die Staaten im Indopazifik – vor allem Südkorea und Japan. Das betrifft zum einen Pekings Hinnahme der immer schärfer werdenden Nuklear-Drohungen des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un.

Zum anderen werden Chinas Drohungen Richtung Taiwan immer martialischer. Aufwendige Militärmanöver sollen die Fähigkeit demonstrieren, dass die Volksrepublik die „abtrünnige Provinz“ besetzen kann. Gleichzeitig stößt Peking im Südchinesischen Meer die Anrainerstaaten vor den Kopf: In dem rohstoffreichen Gebiet werden Inseln künstlich aufgeschüttet, Militärbasen errichtet. „China first, Völkerrecht second“.

Bedrohung durch China: „Was heute in der Ukraine geschieht, kann morgen in Taiwan passieren“

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat auf ihrer Ostasienreise die Sorgen in der Region hautnah mitbekommen. Die Visite nach China, Südkorea und Japan hat ihren Blick für diesen Teil der Welt geschärft. Für die Nachbarländer der Volksrepublik besteht eine direkte Verbindung zwischen Russlands Einmarsch in der Ukraine und dem Gefühl der Bedrohung durch Peking. Ein Diplomat in Tokio formuliert es so: „Was heute in der Ukraine geschieht, kann morgen in Taiwan passieren.“

Die beiden Konfliktherde in der Ukraine und Ostasien hängen auch deshalb zusammen, weil Russland und China eine „felsenfeste“ Beziehung haben. Die Volksrepublik liefert zwar (noch) keine Waffen an Moskau, aber sie teilt das anti-westliche Narrativ des Kremls.

Nicht nur Europa, auch Ostasien hat eine „Zeitenwende“. Deshalb wirbt Baerbock zu Recht für ein neues strategisches Bündnis. Es ist eine durch demokratische Werte verbundene Staatengemeinschaft, die man als den neuen Westen bezeichnen könnte. Sie hat sich dem Ziel verschrieben, die regelbasierte internationale Ordnung zu verteidigen. Darauf haben sich die G7-Außenminister bei ihrem Gipfel im japanischen Karuizawa in einem glühenden Bekenntnis verpflichtet. Lesen Sie dazu: Baerbock will Bündnis als Gegenmacht zu China und Russland

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Baerbock-Reise nach Ostasien setzt wichtige Akzente

Diese europäisch-amerikanisch-ostasiatische Gemeinschaft schlägt sich nicht nur in Worten, sondern bereits in Taten nieder. Länder wie Südkorea und Japan beteiligen sich an den Sanktionen gegen Russland. Im Gegenzug verurteilen Europa und vor allem Deutschland Chinas militärische Muskelspiele um Taiwan. Die Bundeswehr entsendet 2024 ein Marineschiff zur Überwachung der Sanktionen gegen Nordkorea in den Indopazifik.

Baerbock hat auf ihrer Ostasien-Visite wichtige Akzente gesetzt. Sie hat den Ländern in der Region, die einen immer größeren Anteil der Weltwirtschaft einnehmen, Wertschätzung vermittelt. Die Reise steht auch für eine Horizonterweiterung der deutschen Außenpolitik.

Die Politik hat hier allerdings noch einige Hausaufgaben zu machen. Zunächst sollte die Bundesregierung zügig ihre neue China-Strategie vorlegen. Darüber hinaus muss die Bevölkerung mitgenommen werden. Eine Schlüsselfrage: Was bedeutet es, wenn der Westen im Falle einer Taiwan-Invasion Sanktionen gegen China verhängen würde? Die Volksrepublik ist der wichtigste Handelspartner Deutschlands – die Unternehmen mit China-Geschäft würden leiden. Das ist kein Argument, Strafmaßnahmen nicht zu verhängen. Aber die Konsequenzen müssen offen diskutiert werden.

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