Wolfsburg. Kein Autosegment wächst so schnell wie das der Geländelimousinen. Mehr als jeder dritte Neuwagen in Deutschland ist bereits ein SUV.

Geländelimousinen (SUV) beschleunigen den Durchbruch der Elektro-Mobilität. Diese These vertritt Professor Ferdinand Dudenhöffer, der das Car-Center der Universität Duisburg-Essen leitet. Weil SUV stets mehr verbrauchen als vergleichbare herkömmliche Modelle, gleichzeitig aber die Schadstoffgrenzwerte gesetzlich gesenkt werden, steige der Druck auf die Hersteller, den Verbrauch ihrer Flotte zu senken. Nur so lässt sich der CO2-Ausstoß verringern. Das gelinge am effektivsten mit E-Modellen. Dudenhöffer: „So kurios es klingt, mehr SUV sind eine Chance, E-Mobilität in Deutschland schneller umzusetzen.“

Eine Studie des Auto-Experten zeigt, wie stark das SUV-Segment im Aufwind ist. Untersucht hat Dudenhöffer die Entwicklung in Deutschland, das mit seiner SUV-Durchdringung Märkten wie den USA immer noch deutlich hinterherfährt. Zum Vergleich: Für die USA beziffert er den SUV-Anteil an den Neuzulassungen auf mehr als 70 Prozent. In Deutschland stieg der Anteil demnach im Oktober auf den neuen Höchstwert von
34,7 Prozent.

Nach Angaben Dudenhöffers waren 1995 nur 2 Prozent der in Deutschland neu zugelassenen Autos Geländelimousinen – in Summe 67.752. Bis 2009 stieg der Anteil auf noch überschaubare
7,3 Prozent. Danach aber hat sich das Wachstum deutlich beschleunigt: Von 11,4 Prozent im Jahr 2010, über 19,5 Prozent im Jahr 2015, bis auf 28,8 Prozent im vergangenen Jahr. Da wurden 990.047 SUV neu zugelassen. Seit 2010 sei das SUV-Segment in Deutschland im Schnitt um etwa 11 Prozent jährlich gewachsen.

Für dieses Jahr erwartet Dudenhöffer einen Marktanteil von
32,2 Prozent. Erstmals würden in Deutschland mehr als eine Million SUV innerhalb eines Jahres neu zugelassen. Bei seiner Erhebung der SUV-Entwicklung weicht Dudenhöffer von der Methodik des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) ab, weil sie nach seiner Einschätzung nicht ausreichend marktnah ist. So wird der VW-Tiguan beispielsweise vom KBA als Geländefahrzeug eingestuft, nicht als SUV.

Dudenhöffer erwartet, dass das Segment der Geländelimousinen weltweit und in Deutschland in den nächsten Jahren weiter deutlich zulegt, eine Trendwende sei nicht erkennbar. Werde das aktuelle Wachstum beibehalten, steige der SUV-Anteil bis 2025 auf mehr als 50 Prozent. Dudenhöffer: „Selbst bei geringerem Wachstumstempo gehen wir davon aus, dass dann um das Jahr 2030 jeder zweite Neuwagen in Deutschland ein SUV sein wird.“

Tatsächlich bietet wegen der weltweit hohen Nachfrage inzwischen fast jeder Autobauer Geländelimousinen an. Das gilt auch für die Marken des VW-Konzerns. VW hat gar eine SUV-Offensive ausgerufen. Die Marke VW zum Beispiel will ihr SUV-Angebot bis 2025 von aktuell elf Modellen auf mehr als 30 ausweiten. Jedes zweite Fahrzeug der Marke Volkswagen soll dann ein SUV sein.

Auch auf ihrem größten Markt China forciert die Marke VW ihre SUV-Strategie. Von 2018 bis 2020 soll das Angebot von sechs auf zwölf Modelle verdoppelt werden. Mit unterschiedlichen Größen und Ausstattungen soll ein möglicht breiter Kundenkreis angesprochen werden.

Mit dieser Strategie wollen die Wolfsburger ihre Ertragskraft steigern. Die SUV sollen dringend benötigtes Geld in die VW-Kassen spülen, dass der Autobauer in seinen Umbau stecken will. Die Stichworte lauten Digitalisierung, Elektro-Mobilität und auch autonomes Fahren.

Um welche Summen es dabei geht, hat die jüngste Planungsrunde des Konzerns gezeigt. Der will von 2020 bis 2024 knapp 60 Milliarden Euro allein in die Elektrifizierung und Digitalisierung seiner Flotte stecken. Das entspricht nach VW-Angaben 40 Prozent der Ausgaben für Forschung, Entwicklung und Produktion.

Für VW soll es perspektivisch keinen Gegensatz von SUV und Elektro-Mobilität geben. So will die Konzern-Kernmarke VW in ihrer neuen rein elektrischen ID.-Fahrzeugfamilie auch SUV anbieten. Die VW-Pläne für den Ausbau der E-Mobilität sind ehrgeizig. VW-Chef Herbert Diess kündigte erst Mitte November an, dass in zehn Jahren mehr als 40 Prozent der Konzern-Modelle in der EU elektrisch fahren sollen. „Wir werden die erheblich verschärften EU-Flottengrenzwerte ab 2020 einhalten“, versprach Diess. Dabei sei die Elektrifizierung der Flotte der mit großem Abstand kostengünstigste Weg zu CO2-freier Mobilität, unterstrich der Konzernchef.

Vor diesem Hintergrund ist Dudenhöffers These, dass der steigende SUV-Anteil das Tempo beim Ausbau der Elektro-Mobilität in Deutschland erhöhen kann, durchaus nachvollziehbar.