Berlin. Regierungschefin bereitet die Bürgerin der Generaldebatte auf höhere Kosten beim Klimaschutz vor.

Krise der großen Koalition? War da was? Als Kanzlerin Angela Merkel nach ihrer Rede zur Regierungsbank zurückkehrt, strahlt sie SPD-Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz an. Der strahlt zurück. Merkels Auftritt bekommt langen Beifall von CDU/CSU und SPD. Die Regierungschefin wirkt energisch, zeichnet die großen Linien ihrer Politik. Und weist gut gelaunt Zwischenrufe zurück, etwa von FDP-Chef Christian Lindner.

Die Generalaussprache ist traditionell der Höhepunkt der Haushaltsberatungen im Parlament. Diesmal stand sie im Zeichen des Klimaschutzes, dem großen Thema dieser Wochen. Die Bundesregierung ringt gerade um ein großes Klimapaket, das am 20. September verabschiedet werden soll. Ziel soll sein, die Klimaziele 2030 einzuhalten.

Merkel gibt sich entschlossen; „Wenn wir den Klimaschutz vorantreiben, wird es Geld kosten – dieses Geld ist gut eingesetzt. Ich bin überzeugt: Es kostet mehr Geld, wenn wir den Klimaschutz ignorieren.“ Nichtstun sei keine Alternative, sagt die Regierungschefin. Dann blättert sie ihren Notizzettel um, schaut noch einmal kurz darauf und spricht frei. Der Klimaschutz, sagt sie, sei nichts weniger als eine „Menschheitsherausforderung“.

Industrieländer sind in besonderer Verantwortung

Die Kanzlerin bereitet ihre Zuhörer auf einen „gewaltigen Kraftakt“ vor. Zwischenzeitlich nicken sogar die Grünen anerkennend – wenn auch nicht ohne Ironie. Merkels Bemühen komme nach fast 14 Jahren Kanzlerschaft reichlich spät, meinen sie.

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin, der Merkel 1998 als Bundesumweltminister nachgefolgt war, quittiert den Appell der Kanzlerin mit dem süffisanten Zwischenruf, sie habe ja nun wirklich genügend Zeit gehabt, dieses Ziel voranzutreiben – und es nicht getan. Merkel weist das mit einem Schmunzeln zurück, weil es, wie sie sagt, „einfach nicht stimmt“. Das wiederum lässt Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt nicht gelten. Sie greift die Kanzlerin an: „Hören Sie auf, immer nur zu reden, tun Sie endlich was.“ Das Zeitfenster, in dem man noch etwas retten könne, werde immer kleiner. Für die AfD warnt Fraktionschef Alexander Gauland dagegen vor reiner „Symbolik“.

Merkel sieht das anders: Die Indus­trieländer müssten an vorderer Front daran mitwirken, den Temperaturanstieg zu stoppen. „Das ist unsere Verantwortung, weil wir sehr viel CO2 und klimaschädliche Gase bereits emittiert haben.“ Merkel weiß, dass mit dem Kohleausstieg die zweite Energiewende in ihrer Amtszeit beschlossen wurde – und viele Bürger auf eine harte Probe stellt. Es müsse mehr Akzeptanz für neue Leitungen und Windanlagen entstehen, die meist auf dem Land gebaut werden, wirbt sie. Die Regierungschefin warnt vor einer „Arroganz“ von Stadtbewohnern gegenüber dem ländlichen Raum, wirbt für ein „Bündnis von Stadt und Land“. Ein Miteinander, das ist ihr wichtig. Kommunen müssten an Gewinnen von Windanlagen beteiligt werden.

Zur „Klimakanzlerin“ wurde Merkel im Jahr 2007, als sie sich gemeinsam mit dem damaligen Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) vor eisiger Kulisse in Grönland den Klimawandel erklären ließ. Die Bilder der Kanzlerin in knallroter Jacke gingen um die Welt. Den Klimawandel machte Merkel damals zu einem Hauptthema der deutschen G8-Präsidentschaft. Dennoch: Deutschland wird sein Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen um 40 Prozent bis zum Jahr 2020 zu reduzieren – im Vergleich zu 1990 – deutlich verfehlen. Der Ökostrom-Ausbau geht langsamer voran als geplant. EU-Strafzahlungen für verpasste Vorgaben sind im Bundeshaushalt schon eingeplant.

Die Rede der Kanzlerin lässt konkrete Maßnahmen vermissen. Noch wird in der großen Koalition, aber auch innerhalb der Parteien, um die richtigen Antworten gerungen. Am Freitag trifft sich der Koalitionsausschuss im Kanzleramt, um die unterschiedlichen Vorstellungen weiter auszuloten. Bei Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) und Finanzminister Scholz laufen dabei die Fäden zusammen. Es liegt eine lange Liste mit Vorschlägen der Koalitionäre auf dem Tisch, von günstigeren Bahntickets und teurerem Fliegen über eine Abwrackprämie für Ölheizungen bis hin zu einem Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen, der Autofahren und Heizen teurer machen dürfte.