Braunschweig. Der Kunde hatte sein Auto mit Betrugs-Software erst nach Bekanntwerden des Abgas-Betrugs gekauft.

Der VW-Konzern hat auch die dritte Klage im Abgas-Skandal, über die das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig verhandelte, für sich entschieden. Das Gericht wies die Berufung des Klägers am Donnerstag zurück, wie die Vorsitzende Richterin, Christa Niestroj, verkündete.

Der Kunde aus Nordrhein-Westfalen forderte den Kaufpreis zurück, unter Anrechnung der Nutzung des Autos. Er hatte seinen gebrauchten Audi A4 mit Betrugs-Software im April 2016 für rund 22.000 Euro gekauft – also erst nach Bekanntwerden des Abgas-Betrugs im September 2015. Das war auch der Hauptgrund, warum er am OLG scheiterte, wie dessen Sprecherin erklärte. Denn es sei unstrittig, dass er vom Abgas-Skandal wusste. Außerdem sei er im Kaufvertrag darauf hingewiesen worden, dass der Wagen von der Manipulations-Software betroffen ist.

Deren Folgen für sein Auto seien ihm allerdings nicht klar gewesen, argumentierte der Kläger laut Gerichtssprecherin. Das überzeugte die Richter nicht. Der Betrug war ihrer Ansicht nach in den Medien so verbreitet, dass sich der Kunde nicht irren konnte. Zudem hatte der Konzern in einer Ad-hoc-Mitteilung über den Betrug informiert. Der Kunde bestritt zwar, dass er im Kaufvertrag informiert wurde, führte das aber in den Augen der Richter nicht ausreichend aus.

„VW schenkte nicht reinen Wein ein“

Die Anwaltskanzlei des Klägers konnte das Urteil wegen eines Feiertags zunächst nicht bewerten. „Grundsätzlich meinen wir aber – und die Rechtsprechung gibt uns hier teilweise recht –, dass eine abstrakte Kenntnis des Abgas-Skandals und eine eventuelle Betroffenheit des Fahrzeugs eine spätere Geltendmachung von deliktischen Ansprüchen noch nicht ausschließen kann“, teilte Anwalt Marco Rogert mit. Nur wenn VW „nachweislich vollständig reinen Wein eingeschenkt hätte“, wäre dies zu akzeptieren.

Bis heute behaupte der Autobauer etwa, durch das Software-Update würde der vertraglich geschuldete Zustand erreicht – das sei falsch, so Rogert. Das Auto weise danach zum Beispiel wegen des höheren Rußpartikeleintrags einen „weitaus höheren Verschleiß an wichtigen Bauteilen“ auf. VW habe auf diese Konsequenzen ebenso wenig hingewiesen wie das Kraftfahrt-Bundesamt oder die Vertragshändler. „Woher also soll ein Kläger davon gewusst haben?“ Allein auf Medienberichten basierend würde ein Kunde kaum eine Kaufentscheidung für ein Auto fällen, so der Anwalt.

VW hatte solche Folgen des Updates zurückgewiesen. Der Autobauer sieht keine Rechtsgrundlage für Kunden-Klagen – die Autos könnten genutzt und verkauft werden und seien sicher. Ein Konzernsprecher begrüßte das Urteil: Volkswagen sehe sich in seiner Rechtsauffassung bestätigt.

Rund 93.000 Kunden-Klagen im Abgas-Skandal

Der Audi-Fahrer war vor gut einem Jahr bereits am Landgericht Braunschweig gescheitert und hatte dann Berufung eingelegt. Jeder Fall sei anders, die Urteilsgründe immer unterschiedlich, betonte die Gerichtssprecherin. Eine der beiden anderen Klagen am OLG Braunschweig hatte sich ebenfalls gegen VW gerichtet, die andere gegen einen Händler.

Bisher hat der VW-Konzern nach eigenen Angaben bundesweit die Mehrheit der OLG-Prozesse zu Kunden-Klagen – also in der zweiten Instanz – gewonnen: 30 der bisher 34 Urteile. Allerdings schloss der Autobauer offensichtlich in den meisten Fällen außergerichtliche Vergleiche mit den Klägern: Fast alle OLG-Termine in Braunschweig wurden bis jetzt abgesagt. Von den dort bislang 1340 Berufungsverfahren haben sich laut der Sprecherin 705 erledigt. Die Berufung wurde also meist zurückgenommen, denn dabei gab es nur die drei Urteile.

Auch die Mehrheit aller bislang etwa 27.700 Urteile und Beschlüsse entschieden die Wolfsburger nach eigenen Angaben für sich. Noch anhängig sind einem Konzernsprecher zufolge rund 65.000 Kunden-Klagen. Außerdem haben sich rund 420.000 Kunden der Musterfeststellungsklage angeschlossen. Inzwischen hat auch die erste Kunden-Klage den Bundesgerichtshof (BGH) erreicht.