Wolfsburg. Die Forschungsfabrik OHLF in Wolfsburg will künftig schon bei der Produktion zum Beispiel Sensoren in Leichtbau-Komponenten integrieren.

Die Diskussion um den CO2-Ausstoß von Autos kreist in der Regel um die Art des Antriebs. Dass das Fahrzeug-Gewicht ebenfalls eine zentrale Rolle spielt, wird dagegen häufig nicht angesprochen. Dabei leuchtet sofort ein, dass jedes zusätzliche Kilogramm den Kraftstoffverbrauch und damit den CO2-Ausstoß erhöht. Ganz anders wird in der Wolfsburger Open-Hybrid-Lab-Factory (OHLF) mit dem Thema umgegangen. Dort ist der Leichtbau quasi der Lebensinhalt der Forscher und Ingenieure. Die bereiten sich derzeit auf die zweite Evolutionsstufe ihrer Einrichtung vor: die Integration von digitalen Komponenten in Leichtbau-Fahrzeugteile.

Leichtbau in der Autoproduktion ist alles andere als neu. Dabei gilt die Faustregel: Je leichter ein Bauteil ist, desto mehr muss dafür gezahlt werden. Deshalb sind etwa Komponenten aus Karbonfaser nur im Luxus-Fahrzeugsegment zu finden. In der Wolfsburger Open-Hybrid-Lab-Factory, die an das Niedersächsische Forschungszentrum Fahrzeugtechnik und damit an die TU Braunschweig angedockt ist, arbeiten die Entwickler daran, diesen Widerspruch aufzulösen.

Entstehen sollen Komponenten, die kostengünstig in Großserie produziert werden können. Erreicht werden soll dieses Ziel durch die Kombination unterschiedlicher Werkstoffe – dafür steht die Bezeichnung Hybrid im Namen der Forschungsfabrik. Die Herausforderung dabei: Die Materialien müssen zuverlässig dauerhaft miteinander verbunden werden, trotz unterschiedlicher Eigenschaften. Das gilt etwa für Temperaturschwankungen oder die Reaktion auf den Kontakt mit Streusalz.

OHLF-Vorstandschef Professor Klaus Dilger zeigt dazu zwei Beispiele, die in der Forschungsfabrik entwickelt wurden: Eine Fahrersitz-Rücklehne, die aus einem Metallprofil-Rahmen besteht. Verbunden sind die Profile durch einen gerippten Kunststoff. Durch eine spezielle Beschichtung des Stahls haftet der Kunststoff direkt auf den Profilen. Das zweite Beispiel ist ein Batterie-Trog, der aus glasfaserverstärktem Kunststoff gefertigt wird. Für die bei Unfällen erforderliche Steifigkeit sorgt ein Stahlrahmen, der auf dem Trog befestigt ist. Der Trog nimmt Batteriesysteme für Hybrid-Fahrzeuge auf, die also sowohl von einem Verbrennungs- als auch von einem Elektromotor angetrieben werden. Sowohl die Sitzlehne als auch der Batterie-Trog bringen laut Dilger etwa 30 Prozent weniger Gewicht auf die Waage als aktuelle Serienbauteile.

In den nächsten Jahren wollen die Forscher und Entwickler Leichtbau-Komponenten entwickeln, in die digitale Technik schon bei der Produktion integriert wird. Das können laut Dilger zum Beispiel Sensoren für das autonome Fahren sein. In Testfahrzeugen befinden sich die Sensoren wenig schmückend außen am Blechkleid. Künftig sollen sie nicht mehr sichtbar sein.

Ein weiteres Forschungsfeld: In Großserie sollen standardisierte Leichtbau-Komponenten produziert werden, an die je nach Variante des bestellten Autos weitere Elemente durch 3-D-Druck direkt angedruckt werden können – zum Beispiel Befestigungsösen.

Wie Dilger erläutert, soll sich die OHLF ferner unter anderem mit der Wiederverwendbarkeit und dem Recyceln hybrider Bauteile befassen. Außerdem werde in Wolfsburg ein Verfahren entwickelt, mit dem die CO2-Bilanz von Zulieferteilen ermittelt werden könne. „Wir können in der Werkstatt bestimmen, wie viel Energie die Herstellung eines Bauteils erfordert“, sagt Dilger. Ein Aspekt, der durch die geplante Bewertung der Zulieferung durch die Hersteller an Bedeutung gewinnen dürfte.

Nach einer Vorbereitungs- und einer knapp zweijährigen Bauzeit wurde die Leichtbau-Forschungsfabrik im September 2016 in Betrieb genommen. In Summe flossen in den vergangenen fünf Jahren laut Dilger etwa 150 Millionen Euro in die Einrichtung. Gefördert wird sie unter anderem mit Bundesmitteln. Für die ersten fünf Jahre, die nun auslaufen, gab es vom Bund 10 Millionen Euro, die nach Angaben Dilgers an Projekte gebunden waren. Die laufenden Kosten beziffert er auf ebenfalls 10 Millionen Euro – allerdings im Jahr.

Davon würden die 80 wissenschaftlichen Mitarbeiter, die zehn Mitarbeiter des OHLF-Trägervereins, Miete und Nebenkosten bezahlt. Alle Mittel, die über die Fördermillionen des Bundes hinausgingen, müssten selbst erwirtschaftet werden, sagt Dilger. Im vergangenen Jahr habe die OHLF sechs Millionen Euro Umsatz mit der Auftragsforschung erzielt und neun Millionen Euro mit öffentlich geförderten Projekten.

Die OHLF war von vornherein nicht als rein öffentliche Einrichtung geplant. Vielmehr sind andere Forschungseinrichtungen wie die Fraunhofer-Gesellschaft sowie Unternehmen, etwa VW, als Mitglieder und Geldgeber eingebunden – in Summe 28. Die Zusammenarbeit mit dem großen Nachbarn jenseits des Mittellandkanals sei sehr konstruktiv, unterstreicht Dilger. Von anderer Stelle ist jedoch zu hören, dass man sich von Volkswagen mehr Aufmerksamkeit wünsche.

Neben den 80 OHLF-Forschern sind je 50 Fraunhofer- und VW-Mitarbeiter, 20 Beschäftigte weiterer Mitglieder sowie 50 Studierende in der Forschungsfabrik beschäftigt – insgesamt also 250. Ein Auftrag der OHLF ist die Einbindung von kleinen und mittelständischen Zulieferern. Die Einrichtung soll sie mit der Industrie zusammenbringen und den Zugang zur Forschungsinfrastruktur ermöglichen, damit diese Unternehmen neue Geschäftsmodelle entwickeln können.

Weil nun die erste Periode mit Fördermitteln des Bundes endet, bewirbt sich die OHLF um eine ebenfalls fünfjährige Verlängerung. „Die Zusage wäre ein Qualitätsstempel“, betont Dilger. Und wohl auch ein Türöffner für weitere Mittel privater und öffentlicher Auftraggeber. Noch vor der Sommerpause falle die Entscheidung. Dilger: „Wir sind zuversichtlich, dass es weitergeht.“