Wolfsburg. Zulieferer aus unserer Region werfen dem Autobauer „Dilettantismus“ bei der Systemumstellung in der Buchhaltung vor.

Kein Geld von VW seit Wochen und Monaten, und das Begleichen von Rechnungen könnte noch bis Ende August stocken. Deshalb sind etliche Zulieferer aus unserer Region stocksauer und haben sich bei unserer Zeitung gemeldet. So etwas gab es bisher noch nicht. Was auffällt: Keines der betroffenen Unternehmen will sich öffentlich äußern. Das Argument ist stets dasselbe: die Angst vor wirtschaftlichen Nachteilen. Die sollte es aber gar nicht geben, schließlich hat sich VW selbst einen Kulturwandel verordnet, der Kritik ausdrücklich zulassen soll.

Sind also Geschäftsführer der Zulieferer pauschal konfliktscheu und ohne Mumm? Wohl kaum, viele berichten stattdessen von langjährigen negativen Erfahrungen mit den Wolfsburgern. Auf Nachfrage unserer Zeitung heißt es vom Autobauer: „Volkswagen setzt auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit allen Zulieferern und Geschäftspartnern.“ Daher bedauere es das Unternehmen, „wenn hier ein anderer Eindruck entstehen sollte“. Und weiter: „Vielmehr wollen wir uns bei allen betroffenen Unternehmen für die entstandenen Probleme entschuldigen.“

Bei den Zulieferern wächst derweil die Wut. Nach wie vor erreichen unsere Redaktion aufgebrachte Reaktionen. Dabei geht es um die Vorwürfe der Ungleichbehandlung, der Preisdrückerei und des Ausgeliefertseins. Von einem Betrieb heißt es zum Beispiel: „Als Lieferant von VW ist und bleibt man eine Art Mensch zweiter Klasse. Schon während der Dieselkrise wurden Lieferanten massiv gedrückt, mussten Personal entlassen etc. VW hingegen hat eine Anerkennungsprämie gezahlt.“

Ein anderes Unternehmen berichtet, dass jährlich ein geringer fünfstelliger Rechnungsbetrag abgeschrieben werden müsse, weil Rechnungen immer wieder nicht nachvollziehbar beanstandet würden. „Irgendwann hat man keine Lust mehr“, sagte der Geschäftsführer. VW sei jedoch kein Einzelfall, sein Unternehmen habe im Umgang mit anderen großen Kunden ähnliche Erfahrungen gesammelt. „Der Verdacht liegt nahe, dass dahinter Taktik steckt.“

VW begründet die aktuellen Zahlungsverzögerungen mit der Umstellung zweier Buchhaltungssysteme im ersten Quartal. Dadurch sei ein Bestand unbezahlter Rechnungen im oberen fünfstelligen Bereich aufgelaufen. Der Großteil soll nach Angaben des Autobauers zwar bis Mitte Juni bezahlt sein. Allerdings könne es bis Ende August dauern, bis das „geschäftliche Normalmaß“ wieder erreicht sei. Mit der Bearbeitung der offenen Rechnungen sei ein eigenes Team beauftragt, das im Mehrschicht- und Wochenenddienst im Einsatz sei.

Die Zulieferer haben jedoch nur wenig Verständnis, beschreiben die Systemumstellung bei VW als „dilettantisch“. Einige haben nach eigenen Angaben bereits bei ihrer Bank vorgesprochen, um den Kreditrahmen zu erweitern. Einige haben sich besorgt gezeigt, zahlungsunfähig zu werden.