Wolfsburg. Die Technische Entwicklung ist das Nadelöhr von VW. Dem Autobauer fehlen besonders IT-Experten.

Die Situation ist nicht neu, spitzt sich aber offensichtlich zu. Einerseits steht VW vor der Aufgabe, tausende Arbeitsplätze in der Produktion und in der Verwaltung aus wirtschaftlichen Gründen streichen zu müssen. Zuletzt wurde die Zahl von 5000 bis 7000 Stellen genannt, die vor allem in der Verwaltung der Wolfsburger Unternehmenszentrale abgebaut werden sollen. Andererseits fehlen dem Autobauer Fachkräfte, insbesondere Software-Entwickler. Dieser Expertenmangel ist wohl einer der Gründe, warum VW seine für dieses Jahr geplanten Modelle Golf 8 und ID. nur mit abgespeckter Digital-Ausstattung auf den Markt bringen will.

Der Fachkräftemangel wird durch weitere Effekte verstärkt. So müssen mehr neue Modelle auf die Serienreife vorbereitet werden. Das liegt nicht nur an der geplanten Einführung der rein elektrischen ID.-Modelle. Gleichzeitig weitet VW sein Angebot an Gelände-Limousinen (SUV) weltweit massiv aus. Kein anderes Fahrzeug-Segment wächst so stark wie das der SUV. Speziell mit diesen beliebten Verbrennermodellen will VW den Markt abschöpfen, bis sich die Elektromodelle durchgesetzt haben. Damit nicht genug: Als Folge des Abgas-Betrugs müssen Software-Updates für Diesel-Modelle entwickelt werden. Zudem hat die Umstellung auf das neue Verbrauchs- und Abgas-Prüfverfahren WLTP enorme Probleme bereitet und zu erheblichen Verzögerungen bei Fahrzeug-Auslieferungen geführt. Bei der Schadensbegrenzung gefordert sind erneut die Entwickler.

Das Mehr an Aufgaben und die Beschleunigung der Neuentwicklungen führt zu einer entsprechenden Arbeitsverdichtung in der Entwicklung. Aus einem VW-internen Papier, das unsere Redaktion einsehen konnte, geht hervor, dass sich allein die Zahl der Projekte für Neufahrzeuge und Facelifts im Vergleich zu 2015 von 13 auf 30 mehr als verdoppelt hat. Während die Projektkosten in diesem Zeitraum um knapp 17 Prozent auf nahezu 4,9 Milliarden Euro gestiegen sind, wuchs die Zahl der Mitarbeiter in der Technischen Entwicklung um 4 Prozent auf knapp 10.900. Nach Informationen unserer Zeitung sind in der Technischen Entwicklung in Wolfsburg 350 Planstellen nicht besetzt. VW kommentierte das auf Nachfrage nicht.

Weil fast alle Branchen von der sich beschleunigenden Digitalisierung durchdrungen sind, ist der Bedarf an IT-Spezialisten entsprechend groß. Das bedeutet für VW eine zusätzliche Herausforderung bei der Suche nach Fachkräften. Deshalb hat das Unternehmen ein Programm gestartet, um eigene Mitarbeiter für neue IT-Aufgaben zu qualifizieren. Zudem baut VW Kooperationen mit Unternehmen wie Microsoft und Amazon auf.

Wie groß der Bedarf bei VW ist, belegt eine Aussage von Betriebsratschef Bernd Osterloh auf der jüngsten Betriebsratssitzung in Wolfsburg. Dort sagte er, dass die Eigenleistung von VW bei der Entwicklung der Fahrzeug-IT noch keine 10 Prozent erreiche. In einem Interview mit unserer Zeitung betonte er zudem, dass es in der Entwicklung nicht rund läuft. „Ich habe in 40 Jahren bei Volkswagen noch nie solche Probleme im Entwicklungsbereich erlebt. Darüber muss man sich ernsthafte Sorgen machen. Daran hängt unsere Zukunftsfähigkeit“, sagte er.