Braunschweig. Christian Bosse und Dirk Oppermann haben ihre Betriebe auf ökologische Landwirtschaft umgestellt – und haben wieder mehr Spaß an der Arbeit.

Wenn Landwirt Dirk Oppermann von der Umstellung seines Betriebs berichtet, gerät er ins Schwärmen. „Es ist faszinierend, wie schnell die Natur wieder zurückkehrt“, sagt er. Seitdem er keine Pestizide mehr auf seine Feldern sprüht, blühe „im und über dem Boden“ das Leben. Laufkäfer, Spinnen und Regenwürmer tummelten sich dort, Vögel und Insekten fänden durch das Beikraut – so bezeichnet Oppermann nun Unkraut – viel mehr Nahrung. „So macht Landwirtschaft auch wieder Spaß“, sagt der 49-Jährige.

Oppermann ist einer von 2000 Öko-Landwirten in Niedersachsen. Zusammen bewirtschafteten sie nach vorläufigen Zahlen des Landwirtschaftsministeriums im vergangenen Jahr eine Fläche von 110.000 Hektar. Demnach wirtschaften derzeit 4,9 Prozent der Landwirte nach ökologischen Kriterien – Niedersachsen ist damit Schlusslicht im Vergleich der Bundesländer. Spitzenreiter Bayern bewirtschaftet mit 345.000 Hektar das Dreifache der Fläche. In Niedersachsen allerdings wächst die Öko-Fläche stark – im Jahr 2017 um 14,6 Prozent. Politisches Ziel ist, die Zahl der Öko-Betriebe bis 2025 auf 10 Prozent hochzuschrauben. Dafür fördert das Land großzügig: Umsteller erhalten in den ersten zwei Jahren 403 Euro Flächenprämie pro Hektar. Damit gehört das Land nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums zu den Förderstärksten.

Bis zu 30.000 Euro pro Jahr für Spritzmittel

Oppermann kommt aus Hahausen im Landkreis Goslar und bewirtschaftet seinen 120-Hektar-Betrieb seit Sommer 2017 nach den Richtlinien des Bioland-Verbands. „Ich habe mir vorher nie Gedanken gemacht und einfach so gewirtschaftet, wie ich es gelernt habe“, erzählt Oppermann. Doch irgendwann habe er das nicht mehr gewollt. Das hatte mehrere Gründe. Ein wichtiger war wohl, dass er sehr viel Geld für Spritzmittel ausgegeben hat, die nicht mehr gewirkt hätten wie früher. „Mit 25.000 bis 30.000 Euro musste ich pro Jahr für Spritzmittel und Dünger in Vorleistung gehen.“ Doch die Gräser Ackerfuchsschwanz und Windhalm hätten Resistenzen ausgebildet, gegen sie kamen die Herbizide nicht mehr an.

2015 machte er einen Bodenkurs des Unternehmens „Grüne Brücke“ mit. „Die Berater denken weiter, quer, nicht so konventionell“, sagt der Landwirt. Auch er sei eher ein Querkopf, er habe dann begonnen, das System der Landwirtschaft zu hinterfragen. „Ökologischer Landbau beginnt im Kopf, man muss umdenken können. Es ist mehr als nur das Weglassen von Spritzmitteln“, so Oppermann.

Die Landwirte müssten auch neue Früchte anbauen, beispielsweise Kleegras, das den wichtigen Stickstoff aus der Luft bindet und als natürlicher Dünger wirkt. Auch die Fruchtfolge ändere sich, außerdem müssten Umsteller in neue Maschinen investieren. Oppermann hat zum Beispiel eine Rollhacke gekauft, mit der er Unkräuter aus dem Acker hebelt. Die Maschine verleiht er auch an andere Betriebe und holt so einen kleinen Teil der Investition wieder herein.

Auch bei Christian Bosse haben Umstellungsberatungen einen wesentlichen Anteil daran gehabt, auf Bio umzusteigen. Der 32-jährige Landwirt aus Braunschweig-Ölper sprach das erste Mal 2010 mit Beratern der Landwirtschaftskammer, 2017 dann zum zweiten Mal. „Ich habe das zwischendurch aber nie aus den Augen verloren. Es kam immer so in Schüben“, berichtet er. Es sei wie beim Turmspringen im Schwimmbad. Man wisse nicht, wann man springt, aber dass man springt.

Genau wie Oppermann hatte er Bedenken, was Kollegen und Eltern dazu sagen würden. Während die Berufskollegen der zwei Landwirte die Umstellung der Betriebe zum Teil mit neugieriger Skepsis beobachteten, stünden die Eltern und die Partner zu der Entscheidung – auch wenn es bei den Eltern zunächst Bedenken gegeben habe. „Die Familie muss schon mitziehen“, sagt Bosse. Und: „Die Umstellungszeit war klasse. Ich hatte wieder richtig etwas vor.“

„Auf monetärer Seite geht es nicht durch die Decke“

Auch bei ihm führten letztlich mehrere Aspekte zur Entscheidung, seine 122 Hektar Ackerfläche ökologisch zu bewirtschaften und seine Tierhaltung umzustellen. Bosse besitzt drei Mastbullen. Auch er stellte fest, dass einige Spritzmittel unwirksam geworden seien. „Dabei hatte ich dafür viel Geld bezahlt“, sagt er.

Außerdem habe ihn auch die gesellschaftliche Debatte über Dünger und Pestizide wie Glyphosat beeinflusst. „Die Akzeptanz dafür schwindet“, sagt Landwirt Bosse. Entscheidend waren für den Landwirt aber auch seine Kinder. „Der Nachwuchs fährt mal mit auf der Spritze oder läuft durch das Feld. Oder das Kind klemmt sich an mein Hosenbein, mit dem ich durch die Felder gelaufen bin, wenn ich abends nach Hause komme“, sagt er. Das habe ihm ein schlechtes Gefühl bereitet.

Doch Bosse, der den Hof in 12. Generation führt, will Pestizide und Dünger auch nicht verteufeln. „Sie bringen die Erträge, die wir brauchen“, sagt er. Er vergleicht Fluch und Nutzen der Landwirtschaft mit der Autoindustrie: Die Abgase brächten Probleme mit sich, aber dank der Autos seien wir mobil. Pestizide brächten größere Erträge, hätten aber ihre Nebenwirkungen. Die größte Umstellung bedeutet für ihn, nicht mehr zu spritzen. „Ich hoffe, das Unkraut übermannt mich nicht. Sonst muss ich es umbrechen und neu säen. Der Risikofaktor ist schon da“, sagt er.

Während Oppermann seine erste sogenannte Umstellungsernte schon eingefahren hat, geht es für Bosse erst in diesem Jahr los. Landwirte, die auf ökologischen Anbau umstellen, erwirtschaften zunächst zwei Umstellungsernten, erst die dritte zählt als ökologisch. Im Frühjahr sät Bosse zum ersten Mal Ackerbohnen und düngt erstmals mit Bio-Dünger aus der Zuckerrübe. „Ich freue mich darauf und bin gespannt, ob alles klappt“, sagt er. In diesem Jahr geht es außerdem für seine Mastbullen zum ersten Mal auf die Weide. Nach den Regeln der konventionellen Landwirtschaft konnten sie das ganze Jahr über im Stall stehe. „Das ist jetzt schon besser für ihren Bewegungsapparat, bedeutet aber auch mehr Arbeit“, sagt Bosse.

Das Fleisch der Bullen darf er noch nicht mit dem Bio-Siegel verkaufen, weil er trotz Freilandhaltung noch konventionelles Heu verfüttert. Ist es dann so weit, kann er das Fleisch nach eigenen Angaben teurer verkaufen. „Auf monetärer Seite wird es aber wohl nicht durch die Decke gehen, das darf man nicht erwarten“, sagt Bosse. Man müsse hinter dem Öko-Landbau stehen und dürfe nicht aus finanziellen Gründen umsteigen.

Wie Bosse hofft auch Oppermann: „Vielleicht kann ich ja noch einige Leute inspirieren.“